JORDAN RUDESS: Interview zu "Permission To Fly"

22.08.2024 | 11:45

Während in Deutschland mit 67 die lang ersehnte Rente wartet, ist Keyboard-Legende JORDAN RUDESS nach wie vor ein Tausendsassa. Neben den Vorbereitungen auf die große DREAM THEATER-Tour und die Studioaufnahmen zum Reunion-Album mit Mike Portnoy, hat der gebürtige New Yorker auch ein neues Soloalbum aus seinem Zauberhut geworfen. Wir sprechen mit dem gut gelaunten, aber durchaus angespannten Musiker an einem hektischen Tag.

Jordan, danke für deine Zeit. Wie geht es dir?
Mir geht es gut, es ist alles etwas verrückt hier. Aber ich war rechtzeitig wieder zuhause, damit wir das Interview machen können. Ich kann gar nicht sagen, wie stressig es heute ist, haha. Aber jetzt freue ich mich, dass wir uns sprechen.

Wie hast du überhaupt Zeit für dein Soloalbum gefunden?
Ich habe mit der Zeit gelernt, sehr effizient zu arbeiten. Ein Album zu machen ist eine Menge Arbeit und das ist super intensiv. Aber wenn ich mit dem Kopf an der richtigen Stelle bin, dann dauert es in der Regel nicht lange. Es geht mehr darum, sich in der Zeit auch richtig zu fokussieren. So ein Zeitfenster hatte ich gesucht, und genau vor der neuen DREAM THEATER Tour habe ich es gefunden. Bei DREAM THEATER ist es ähnlich, wenn wir wissen, dass wir neue Musik schreiben. Wir setzen uns einen Zeitrahmen und dann geht es los.

Hast du keine Schwierigkeiten, zwischen den verschiedenen Bands im Kopf umzuschalten?
Nein, überhaupt nicht, ehrlich gesagt. Immer wenn ich am Klavier sitze und improvisiere, sammle ich meine Ideen. In diesem Fall bin ich sie mit meiner Tochter Ari durchgegangen, sie hat auch die Texte für das Album geschrieben. Wir sind dann ziemlich schnell auf vier oder fünf Ideen gekommen, die gut zum Album passen könnten. Als es dann wieder um DREAM THEATER ging, konnte ich mich sehr gut auf die Musik für die Band konzentrieren.

Das klingt großartig. Als ich das Album zum ersten Mal gehört hatte, fand ich es anders als deine bisherigen Soloalben. Zumindest aus meiner Perspektive. Es klingt nicht wie das Soloalbum eines Keyboarders, sondern eher wie eine Gruppenarbeit.
Ich wollte, dass es sich dieses Mal anfühlt wie eine richtige Band. Natürlich gibt es etliche Keyboard-Tracks. Und es gibt keinen Bassisten. Das ist eigentlich nur meine linke Hand. An einem Keyboard-Track sollte es also nicht mangeln. Ich wollte trotzdem eine gute Balance zwischen der progressiven Seite und der songorientierten Seite finden. Es sollte auch ein Album sein, mit dem man sich etwas auseinandersetzen muss und das dein Gehirn zum Arbeiten bringt. Wir haben uns trotzdem viel Mühe gegeben, dass es sich gleich beim ersten Mal gut anhört, Joe Payne als Sänger zu gewinnen, war ein großer Teil, um dieses Ziel zu erreichen. Ich finde seine wundervolle Stimme so melodisch und weich, dass er mir damit sehr helfen konnte. Außerdem musste ich noch den richtigen Drummer und Gitarristen finden. Am Schlagzeug sitzt Darby Todd, der mit DEVIN TOWNSEND spielt. Ihn hatten wir auf einer unserer DREAM THEATER Touren dabei, als Devin für uns eröffnet hat. Darby war der perfekte Kandidat für mich, er ist einerseits ein richtig guter Schlagzeuger, andererseits war er auch direkt bereit für eine Herausforderung. Außerdem habe ich Steve Dadaian, der ein guter Freund ist, an der Gitarre gewinnen können. Nebenbei ist er auch Vollzeit-Zahnarzt, ein bewundernswerter Mann. Außerdem spielt ein junger Kerl aus Chile, der Bastian Martinez heißt, ein paar Gitarrensolos auf dem Album. Zum Beispiel bei den beiden Songs "Embers" und "Into The Lair".

Wie steht es um das Motiv des Albums? Ist es viel aus deinem alltäglichen Leben, sowie Nachrichten, Gesprächen mit anderen Menschen und so weiter, die sich letztendlich in dieser Musik wiederfinden?
Nun ja, ich habe die Musik zuerst geschrieben. Die Texte kamen später. Erst als ich alle Melodien hatte, habe ich meine Tochter gefragt, ob sie Texte für mich schreiben würde. Wir hatten eine sehr einzigartige Zusammenarbeit. Sie ist ja schon ihr ganzes Leben mit Progressive Rock und Metal in Berührung gekommen, hat ungerade Taktarten gelernt. Du weißt, was ich meine. Sie kennt meine Musik so gut wie sonst niemand in der Welt. Außerdem ist sie eine Person, die Sprachen liebt, sie ist kreative Schreiberin und Linguistin und spricht mehrere Sprachen. Songtexte und Sprache sind ihr Talent. Sie hat mir sehr viel dabei geholfen, dieses Album zu dem zu machen, was es geworden ist. Wir haben zusammen Ideen ausgesucht, auch musikalische. Sie hat sich ebenfalls die Songreihenfolge ausgesucht. Ehrlich gesagt kennt sie sich sogar besser mit all den Songs aus als ich, weil ich im Kopf schon wieder beim nächsten Projekt war.

Bei der Reihenfolge der Songs hat sie einen sehr guten Job gemacht. Ich finde, das Album ist sehr kurzweilig. Auch wenn es auf den ersten Blick sehr melodisch ist, kann man sich mit jedem Mal mehr und mehr auf die Songs einlassen. Sie scheint ein gutes Händchen dafür zu haben.
Gute Arbeit, danke, das werde ich ihr berichten. Freut mich, das zu hören. Es ging genau um diesen Balance-Akt, Dinge, die mir wichtig sind, auf der einen Seite und die Band auf der anderen Seite miteinander zu verbinden. Ich kann mir schon vorstellen, mit dieser Konstellation auch in der Zukunft weiter zu arbeiten.

Neben deinen Jobs als Musiker, bist du auch so etwas wie ein Gastdozent am MIT, ist das richtig?
Ja, das stimmt. Ich habe eine Residenz am MIT. Ich arbeite an einem sehr interessanten Projekt, bei dem es um künstliche Intelligenz in der Musik geht. Das Einzigartige an diesem Projekt ist der Fokus, denn es geht nicht nur darum, dass künstliche Intelligenz Ideen generieren kann, sei es Text oder Musik, sondern es geht eher darum, wie künstliche Intelligenz auf Musik reagiert. Was mich besonders interessiert, ist, wie ich mit der künstlichen Intelligenz zusammenarbeiten kann. Im Prinzip versuchen wir herauszufinden, wie sie auf mich als Jam-Partner reagiert. Wir trainieren unsere Modelle mit meiner Musik. Und wenn ich das tue, dann ist es sehr interaktiv und macht ehrlich gesagt ziemlich viel Spaß. Ich spiele ein kleines Stück, und sie reagiert darauf. Es ist so, als hättest du eine andere Person im Raum, die aber auch mein musikalisches Gehirn besitzt. Ich finde das sehr inspirierend und es ist auch ein gutes Tool für die Bildung. Insgesamt denke ich, dass es beim Thema künstliche Intelligenz darum geht, sie in medizinischen, musikalischen oder sonstigen Bereichen richtig einzusetzen. Es ist das Werkzeug für das nächste Level. Man kann sich sehr viel Zeit sparen, muss aber gleichzeitig die Ängste der Leute ernst nehmen. Manche fürchten vielleicht um ihren Job, manche haben nicht genug Informationen, das müssen wir respektieren. Ich setze mich aber eher dafür ein, den Leuten Wissen zu vermitteln. Mir geht es darum, die Technologie für gute Zwecke einzusetzen, mit denen man Dinge machen kann, die wir sonst nicht tun könnten.

Um noch einmal auf deine Band zurückzukommen. Planst du mit ihr in Zukunft auch auf Tour zu gehen, wenn sich mit DREAM THEATER eine Pause abzeichnet?
Gute Frage, die ich schon häufig gehört habe. Zum jetzigen Zeitpunkt wird es nicht gehen. Wir gehen mit DREAM THEATER auf große Welttour und werden sehr lange sehr beschäftigt sein. Irgendwann werde ich sicher ein weiteres Album machen wollen, und das möchte ich schon mit der gleichen Mannschaft machen, das wäre großartig. Wenn es dann ein Zeitfenster dafür gibt, wo wir auch mehr Songs aus dieser Besetzung haben, wäre das natürlich toll.

Wie klappt es denn mit den Tourvorbereitungen zu DREAM THEATER, wenn ich fragen darf?
Ich bin in letzter Zeit viel durch meine Dateien gegangen, um alte Songs herauszusuchen und die notwendigen Daten zusammenzutragen. Ich schaue mir dazu meine Notation an und gucke, was vorhanden ist und was eben nicht. Das ist schon ein sehr aufwändiger Prozess. Aber ich bin genau am richtigen Platz. Es ist gar nicht so lange her, da habe ich schon realisiert, dass ich in guter Form für die Tour bin. Ich habe alle nötigen Sounds zusammen, ich habe die Noten zusammen und alles, was ich dafür brauche. Es wird gut klappen, aber ich habe auch keine andere Wahl. Ich werde da sein und in der Lage sein müssen, all diese Musik zu spielen.

Würde es dich noch einmal reizen, mit mehr Equipment live zu spielen? Ich denke da an die ganzen alten Prog-Musiker, die mit ihren Analog-Synthesizern unterwegs waren.
Mein Ansatz ist eher, mich auf mein Master-Keyboard zu konzentrieren. Für den Entertainment-Faktor verzichte ich lieber auf acht weitere Keyboards, sondern habe meinen besonderen Rotations-Ständer und das ganze Zeug. Das ist mein Ansatz. Ich kann mich mehr in der Musik fallen lassen, wenn ich an einem Ort bleibe und mit einer wirklich guten Technologie Zugriff auf alle meine Sounds und Möglichkeiten habe. Wenn du dir die alten Prog-Bands anschaust, dann ist deren Entertainment Faktor natürlich darauf fokussiert, sich von einem Keyboard zum anderen zu bewegen. Ich mag's eben etwas anders.

Gibt es musikalisch eine Richtung, in der du dich in der Zukunft noch probieren möchtest?
Ich meine, natürlich gibt es immer interessante Sachen, die man machen kann. Aber wenn du dir meinen Katalog anschaust, dann ist der ja schon ziemlich breit. Ich habe Klavier gemacht, Ich habe elektronische Alben gemacht, ich hab Rock Alben gemacht, ich hab Metal gemacht. Es gibt also schon ziemlich viel, was ich ausprobiert habe. Ich habe sogar schon ein Album mit klassischer Musik. Insofern habe ich viele verschiedene Dinge ausprobiert. Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht in Zukunft immer wieder an neuen Ideen arbeite.

Dabei wollen wir es belassen, noch einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem starken Album und ich freue mich schon auf die anstehenden DREAM THEATER Konzerte. Vielen Dank für deine Zeit, Jordan.
Ich danke dir auch vielmals, wir sehen uns. Bye bye.

Photo-Credit: Jerry LoFaro

Shadow Of The Moon



https://www.youtube.com/watch?v=udTepxrAO0Y

Redakteur:
Nils Macher

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