KNORKATOR: Interview mit Alf Ator
26.09.2022 | 20:41Sehr ernsthafte und eindringliche Worte hat mit Alf Ator unser heutiger Gast parat. In den kommenden Tagen erscheint mit "Sieg der Vernunft" das neue KNORKATOR-Album in den Plattenläden, sodass wir uns mit dem Gründungsmitglied und Keyboarder der Berliner kurz ausgetauscht haben. Was geschehen muss, damit die Vernunft siegt, warum Stumpens Kater als Special-Guest hätte aufgenommen werden können und welche sehr wichtige Botschaft der gute Alf noch loswerden möchte, erfahrt ihr hier.
Oh, was freue ich mich, der meisten Band der Welt einige Fragen zu stellen. Hallo Alf, wie geht es dir? Wie ist die Stimmung bei KNORKATOR?
Unsere Stimmung ist derzeit sehr gut. Unsere frisch produzierte Scheibe klingt hervorragend, und wir können es kaum erwarten, unseren Fans die Songs live zu präsentieren.
Seit eurem "Widerstand ist zwecklos"-Album sind drei Jahre ins Land gezogen. Auf dem Globus ist in der Zeit sehr viel passiert. Bei KNORKATOR auch? Gebt mir doch ein kurzes Update, was in den letzten 36 Monaten bei euch geschehen ist.
Oh Gott, was ist eigentlich passiert? Wir haben einen neuen Drummer, den Philipp, und der hat auch das neue Album eingetrommelt. Ansonsten waren die letzten zwei Jahre so ruhig wie der Rest der Welt.
Mit "Sieg der Vernunft" steht euer neues Album in den Startlöchern. Auch wenn wir derzeit sehr weit davon entfernt sind, aber was muss denn geschehen, damit die Vernunft siegen wird?
Naja, es müsste natürlich eine Menge geschehen. Ein erster Schritt könnte sein, dass wir wieder lernen, offen miteinander zu reden. In den letzten Jahren hat ein gewisser Extremismus um sich gegriffen. Und ich meine damit nicht den üblichen Rechts-Links-Extremismus. Ich meine die bewusste Weigerung, nach einem Konsens zu suchen. Wer auch nur ein wenig anders denkt, wird oft sofort mit einer Verachtung überschüttet, die jegliche weitere Diskussion ausschließt. Das kann nicht die Vorgehensweise intelligenter Menschen sein.
Das ist wahr. KNORKATOR hielt sich in Sachen politischer Grundfragen stets zurück. Doch bei Titeln wie dem wuchtigen 'Der Hofstaat', dem 'Die Welt wird nie wieder so wie sie vorher war'-Opener oder dem 'Milliardäre'-Zaunpfahlwink sprecht ihr eine zweideutig eindeutige Sprache. Lässt das aktuelle Weltgeschehen selbst KNORKATOR nicht zur Ruhe kommen? Ist in den letzten zwei Jahren schlichtweg zu viel passiert?
Ja, das stimmt. Eigentlich war uns Politik immer zu popelig, zu kurzlebig. Und wenn eh schon jeder Dödel seine politische Meinung ungefragt in den Äther brüllt, muss man ja nicht unbedingt mitmachen. Aber in der Tat sehen auch wir mittlerweile große Probleme auf uns alle zukommen. Wir haben auch nicht die ultimativen Lösungen parat. Aber ein wenig mehr Bereitschaft, die eigene Meinung durch offene Gespräche hinterfragen zu lassen, würde eine Menge bringen. Darüber hinaus wäre es natürlich auch extrem gut für die Menschheit, wenn wir möglichst viele Alben und Konzertkarten verkaufen.
Musikalisch gibt es wieder einen knallbunten Strauß bester KNORKATOR-Melodien mit der gewissen Prise Wahnsinn. Speziell an 'Tut uns leid' bin ich hängengeblieben. Was gibt es denn in der Geschichte eurer Band, für das ihr euch – so glaubt ihr – entschuldigen müsstet?
Wie du dir sicher denken kannst, ist es keine Entschuldigung der Band, sondern wir entschuldigen uns stellvertretend für alle Erwachsenen bei den Kindern. Ja, es geht um unseren rücksichtslosen Umgang mit dem Planeten. Und ja, ich kenne die Argumente, dass die verwöhnten Gören sich nicht so aufspielen sollen, weil wir damals ja viel nachhaltiger gelebt haben. Aber man sollte nicht übersehen, dass wir es waren, die diese Welt von heute erschaffen haben.
Die Kinder sind nur gezwungen, darin zu leben und irgendwie klarzukommen. Sie sind genauso überfordert und Versuchungen ausgesetzt, wie jeder andere. Aber sie werden in 50 Jahren mit den Folgen leben müssen. Wir nicht. Und wir sollten dankbar sein, dass es junge Menschen gibt, die zumindest bereit sind, Dinge infrage zu stellen, die wir aus lauter Betriebsblindheit für alternativlos halten.
KNORKATOR glänzte in der Vergangenheit schon mit tollen Coverversionen. Warum hat es diesmal 'One Way Or Another' in den illustren Kreis geschafft?
Keine Ahnung. Ich kann echt nicht erklären, welche Auswahlkriterien bei uns wirken.
'Knurrkater' ist herrlich. Als ich den Track abspielte und zufällig mein Kater auf dem Schreibtisch lag, wurde er ganz hellhörig. Im Übrigen auch ein tolles Wortspiel. Wessen Katze wurde aufgenommen? Eure kuschelige Seite zeigt der Track musikalisch jedenfalls auch nicht.
Stumpen hat seine Katze aufgenommen. Den Rest haben wir dann drum herumgebastelt.
Fans müssen sich bei 'Menschenfleisch' künftig nicht allzu viel Text merken. Was waren die Gedanken zu diesem Song? Ich wäre jetzt von einem leckeren Menschenfleisch-Rezept mit Kartoffeln und Gemüse ausgegangen.
Die liebliche Klaviermelodie lag schon seit über zehn Jahren in der virtuellen Schublade rum. Aber alleine war sie immer zu artig, zumindest für einen KNORKATOR-Song. Deshalb suchten wir nach einem Weg, sie auch wieder zu zerstören. Der Titel 'Menschenfleisch' ist recht zufällig gewählt. Zur Debatte standen noch 'Aua!' und 'Doppelte Atomblitzattacke'.
Trotz einiger harscher Töne wirkt das Album etwas melodischer und hymnischer als die letzten Alben. Wie siehst du das oder generell die musikalische Entwicklung seit meiner ersten Begegnung mit euch zu "Es werde Nicht"-Zeiten?
Es ist schwer, die eigene musikalische Entwicklung einzuschätzen, zu bewerten, oder gar zu begründen. Wir machen halt Songs, und im Laufe der Zeit ändern sich Interessen, Gehirnvolumen und technische Möglichkeiten. Wir versuchen natürlich bei jedem Album besser zu klingen als davor. Manchmal gelingt uns das sogar.
Wo wir schon einmal beim Thema sind: Ist in Sachen Promo denn etwas Ähnliches geplant wie damals die Stuhltrilogie?
Diesmal verfolgen wir eher das Ziel, zu möglichst vielen Songs ein Video zu drehen. Mal sehen, wie viele wir schaffen.
Im Oktober beginnt die bis Ende März 2023 andauernde "Sieg der Vernunft"-Tour. Auf was können sich Fans nach solch einer langen konzertfreien Zeit denn einstellen? Könnt ihr schon etwas verraten?
Wir wollen mit der Zeit gehen und alle Konzerte im Homeoffice bestreiten.
Gibt es ansonsten noch etwas, was du generell oder zu "Sieg der Vernunft" loswerden möchtest? Vielen lieben Dank nochmal für Zeit, Geduld, Wahnsinn und Liebe zur Beantwortung meiner Fragen. Die obligatorisch letzten Worte gehören der meisten Band der Welt.
Okay, hier unsere ultimative Botschaft an die Welt: Bitte freundet euch mit dem Gedanken an, dass 80% aller Menschen nichts weiter wollen, als relativ frei und glücklich in einer friedlichen Welt zu leben und sich zu entfalten. Wir unterscheiden uns lediglich in den Ansichten, was dazu nötig ist, und welche Dinge einer solchen Vision entgegenwirken. Natürlich ist es bei sieben Milliarden Menschen unumgänglich, die Prioritäten zwischen Freiheit und Verantwortung etwas zu verlagern. Aber eigentlich sollte ein Konsens darüber möglich sein. Und ich glaube, wenn wir die Interessen der reichsten Menschen dieses Planeten mal hinten anstellen würden, käme der Rest von uns relativ schnell auf einen gemeinsamen Nenner.
- Redakteur:
- Marcel Rapp