MANILLA ROAD: Diskografie-Check Teil 1 | Platz 18 - 13

20.10.2023 | 13:22

Es gibt Underground-Tipps, aber es gibt auch echte Underground-Helden. MANILLA ROAD um den zu früh verstorbenen Mark Shelton gehörte fraglos zu den Helden. Wir verneigen uns vor der Diskografie der Band.

35 Jahre "Crystal Logic" sind ein guter Grund, um sich mit der Diskografie von MANILLA ROAD auseinanderzusetzen. Diese 1977 in Wichita, Kansas gegründete Band brachte es auf 18 Studioalben. Größeren Ruhm bekamen die (teils wechselnden) Jungs um Bandgründer und Chef Mark "The Shark" Shelton aber nie. In den Achtzigern wurden sie von vielen Kritikern zerrissen oder einfach ignoriert. Nach einer längeren Pause in den Neunzigern waren sie einer der großen Profiteure der Underground-Festival-Szene, die in Deutschland in Folge des "Wacken Open Air"-Festivals gestartet war. Wie aus dem Nichts wurden sie 2000 für das "Bang Your Head"-Festival gebucht. Nach diesem Auftritt sowie etlichen neuen Alben wurden sie zu einer Underground-Legende und erreichten einen Status, der in den Achtzigern undenkbar gewesen wäre. Etliche Headliner-Gigs, zum Beispiel beim "Keep It True"-Festival, folgten. Ab 2012 gab es sogar einen Major-Deal mit Golden Core, einem Tochter-Label von ZYX. Die Geschichte der Band endete überraschend und schrecklich, als Mark Shelton am 27.07.2018 nach einem Auftritt beim "Headbangers Open Air"-Festival verstarb - eine Woche vor dem gebuchten ersten "Wacken Open Air"-Gig.

(Hellroadie am "Keep It True"-Festival 2017)

Vier Redakteure haben sich die Mühe gegeben, alle Alben der Band zu ranken. Unser allseits versierter Chef Marcel Rapp, der langjährige Fan Rüdiger Stehle, der langjährige KIT-Gänger Jakob Schnapp und meine Wenigkeit haben alle Alben noch mal auf Herz und Nieren geprüft. Hier kommt unsere Auswertung:

 

Platz 18:

Invasion (1980)

Dass es am Schluss das Debüt-Album treffen würde, hatte ich zugegebenermaßen nicht erwartet. Aber schlussendlich macht es auch Sinn, liegt es doch bei allen außer Rüdiger auf einem der letzten drei Plätze; für Jakob ist es sogar das Schlusslicht der Karriere. Trotzdem würde wohl keiner bestreiten, dass schon dieses Frühwerk wirklich hörenswert ist. Die Einflüsse von Krautrock, Progressive Rock und manchen archaisch klingenden Folk Rockern sind hier noch unbestreitbar. Von Metal kann schon gesprochen werden, aber der klassische Epic-Metal-Sound ist hier bestenfalls zu erahnen. Auch in den Live-Sets der Band spielte dieses Album nahezu keine Rolle. Aber mit 'Street Jammer' hat sich zum Beispiel auch schon ein erster Hit ins Programm geschmuggelt; 'The Empire' wurde in den letzten Jahren zudem immer wieder live gespielt. Mit Scott Parker (Bass) und Rick Fisher (Drums) ist hier noch die ursprüngliche Alben-Besetzung aktiv, die die großen Entwicklungsschritte der nächsten Jahre aber konsequent mitgegangen sind.

 

Platz 17:

Gates Of Fire (2005)

Da blutet einem das Herz, wenn ein so starkes Album wie "Gates Of Fire" so weit hinten landet. Rüdiger hört hier aber das Schlusslicht, und Marcel, Jakob und ich werten es konsequent nicht deutlich stärker. Das Album ist ambitioniert und bietet drei Textzyklen - Robert E. Howard, die Äneas und eine Geschichte über die Spartaner bei den Thermophylen werden vertont. Mit über 72 Minuten ist es aber auch arg lang geraten. Der Sound ist roh und schwer zugänglich, auch die Songstrukturen sind komplex und bieten viel Spannung, aber halt keine Ohrwürmer. Mittlerweile war schon Bryan "Hellroadie" Patrick als zweiter Sänger eingestiegen, der Shelton aber von der Stimmfarbe so ähnelt, dass mir oft nicht klar ist, wer eigentlich singt. Harvey Patrick war hier neu als Bassist und spielte nur diese Scheibe und den Nachfolger ein. Cory Christner blieb für drei Alben und erwischte leider die Phase, in der die Band wohl den schlechtesten Sound hatte.

 

Platz 16:

Metal (1982)

Noch ein Jahr vor dem Paukenschlag "Crystal Logic" waren die Jungs aus Wichita tief im Sound der Siebziger verwurzelt. "Metal" ist ein ordentliches Album, und fraglos hört man eine Weiterentwicklung nach "Invasion", aber wirklich metallisch klingt es oft noch nicht. Aus meiner Sicht hat das Album aber mit 'Cage Of Mirrors' und 'Far Side Of The Sun' schon zwei echte Hits parat; mehrmals live gespielt wurde auch 'Defender'. Das Album bildet klar den Abschluss des Frühwerks ab, zeigt aber phasenweise schon, wo die Richtung hingehen wird. Bei Rüdiger führt es die Scheibe sogar in die eigene Top 10. Jakob und Marcel platzieren sie dagegen eher weit unten, auch bei mir reicht es nur zu wenig mehr. Ich denke, dass es auch bei den Fans weitestgehend Konsens ist, dass die Band hier noch in einer (durchaus hörenswerten) Findungsphase war.

 

Platz 15:

Voyager (2008)

Bei keiner Scheibe habe ich mich so sehr gefragt, ob wir das gleiche Album hören wie bei "Voyager". Leute, das ist doch ein absoluter Brecher! Klar, die Produktion war Mist, wie eigentlich immer bei MANILLA ROAD ab Beginn der Reunion bis zum Einstieg von Neudi, aber das Songmaterial ist doch völlig großartig, bietet viele Hymnen (Der Titelsong! 'Tree Of Life'!) und phasenweise wirklich gelungene Death-Metal-Einflüsse, vor allem im Gesangsbereich. Vielleicht handelt es sich sogar um das härteste Album der Bandgeschichte. Aber was will man machen? Ein letzter Platz bei Marcel und ein vorletzter bei Rüdiger, auch Jakob sortiert das Album deutlich hinten ein. Da hilft mein vierter Platz wenig, es reicht nur für einen der hinteren Ränge. Fände ich das Album nicht so gut, wäre es vielleicht sogar auf dem letzten Rang gelandet. Ich frage mich wirklich, was mit meinen Ohren nicht stimmt. Oder mit denen der anderen. Nebenbei hat es auch eines der schönsten Artworks der Bandgeschichte.

 

Platz 14:

Spiral Castle (2002)

Wenn wir schon bei wirklich schönen Artworks sind - das gilt natürlich auch für "Spiral Castle". Generell scheint unsere Redaktion nicht auf die Phase nach "Atlantis Rising" zu stehen, meine Kollegen sehen dieses Album ja kollektiv auf Platz 14 (und da landet es auch). Einzig bei mir reicht es für Platz 9. Ich muss zugeben, dass ich MANILLA ROAD einfach mit diesem verschrobenen Sound der Nuller Jahre kennen gelernt habe. Der Reiz der Band kommt für mich in dieser Phase besonders gut zum Ausdruck. Das Album ist aus meiner Sicht zugänglicher und weniger sperrig als der brutale Vorgänger. Allerdings fehlte sicher der Reiz der Rückkehr, der dem Vorgänger innewohnte. Und die schlechte Produktion lässt sich nicht leugnen. Das Album fällt insgesamt relativ doomig aus und hat einen extrem fetten Gitarrensound. Mark Anderson als Bassist stieg nach diesem Album wieder aus, ebenso Schlagzeuger Scott Peters. Sie hatten zwei Alben lang einen sehr rohen Sound mitgeprägt. Holt euch unbedingt einen Release mit dem starken Bonus-Song 'Throne Of Lies'!

 

Platz 13:

Playground Of The Damned (2011)

Ich gebe zu, dass ich "Playground Of The Damned" weiter hinten erwartet hätte. Für mich ist es nämlich das Schlusslicht der Diskografie. Das liegt auch am Sound, denn schlechter habe ich die Band nie gehört. Was stimmt hier bei den Gitarren nicht? Auch bei Rüdiger landet das Album ziemlich weit hinten. Jakob und Marcel hieven es aber in ihre persönliche Top 10, und dadurch ist der ordentliche 13. Platz in diesem Ranking auch verdient. Wie immer ist es ein ordentliches Album, denn es gab kein schlechtes Album dieser Band. Der lange Abschlusstrack 'The Art Of War' gehört zu den besten Tracks dieser Band-Phase. Trotzdem bildet dieses Album das Ende einer Ära ab, denn danach stieg Neudi ein und hievte die Band soundtechnisch auf ein ganz anderes Niveau.

 

Wie es weitergeht, erfahrt ihr im zweiten Teil unseres Diskografie-Checks. Manche Alben konnten sich jedenfalls überraschend weit nach vorne durchschlagen.

 

Hier geht es zu Teil 2 und Teil 3 des Diskografie-Checks.

Redakteur:
Jonathan Walzer

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