MANILLA ROAD: Diskografie-Check Teil 3 | Platz 6 - 1

04.11.2023 | 00:12

Das große Finale steht an, mit einigen der besten epischen Metal-Alben aller Zeiten!

Platz 6:

The Courts Of Chaos (1990)

Keine Frage: Ab jetzt bewegen wir uns wohl im Rahmen der relativ unumstrittenen Klassiker. "The Courts Of Chaos" wird ja immer ein wenig stiefmütterlich behandelt, hat aber doch mittlerweile zur "klassischen" Phase von 1983-1987 ein Stück aufgeschlossen in der öffentlichen Wahrnehmung. Auch bei mir hat es eine ganze Reihe Spins gebraucht, bis ich diese Scheibe so lieben gelernt habe, wie sie es auch verdient hat. Der Quasi-Titelsong 'Into The Courts Of Chaos', 'Dig Me No Grave', 'The Prophecy' oder das verschrobene BLOODROCK-Cover 'D.O.A.' gehören aber wohl recht eindeutig zum Höhepunkt des Bandschaffens. Kollege Holger Andrae feierte zudem zuletzt nachvollziehbar das etwas sphärische 'A Touch Of Madness' in unserem Forum ab (in dem sich das Mitlesen und Diskutieren immer lohnt). Auch das Artwork ist wunderbar – und von den Platzierungen gibt es Platz 8 bis 5 aufsteigend von Jakob über Marcel, Rüdiger und mich. Damit ist der sechste Platz am Schluss auch ein faires Ergebnis.

 

Platz 5:

Atlantis Rising (2001)

Wenig überraschend ist das Comeback-Album "Atlantis Rising" am nächsten am klassischen Vierer der Hochphase gelandet – und ebenso wenig überraschend konnte es diese Phalanx nicht knacken. Obwohl ich selbst großer Fan der Scheibe bin und sie auf den dritten Platz gesetzt habe, ist das Klangbild vielleicht doch einfach viel zu brutal, zu roh, zu antikommerziell, um zum allgemeinen Liebling zu werden. Denn was hier im Bereich der Gitarren oder auch vokalistisch abgezogen wird, ist böse, schroff, unsauber und teils auch anstrengend zu hören. Ich gebe zu, dass ich die Band gerade über diesen Sound kennen und lieben gelernt habe. Marcel und Jakob sehen diese Scheibe etwas schwächer als ich, bei Rüdiger reicht es sogar nur zu Platz 10. Mit Scott Peters und Mark Anderson hatte man eine neue Rhythm-Section, die nur auf diesem Album und dem Nachfolger aktiv war, mit Hellroadie hatte man sich die ultimative Gesangsverstärkung geholt. Was sich Shelton mit der Produktion gedacht hat, weiß er wohl nur selbst – mir gefällt es ja. Das Artwork ist aber eines der schlechtesten der Bandgeschichte. Michael Bähre hatte ja bei SACRED STEEL gezeigt, dass er schöne Artworks entwickeln kann. Dieses hier gehört nicht dazu.

 

Platz 4:
The Deluge (1986)

Dieses Album mit seinem ikonischen Artwork hätte ich vielleicht sogar auf einem der beiden höherstehenden Plätze erwartet, hat es doch einen besonderen Status im Underground. Platz 7 bei mir hat das Treppchen wohl verhindert, dabei mag ich das Album natürlich auch sehr gerne. Die Band ist hier am Scheideweg, spielt einerseits noch absolut typischen Epic Metal, wie er auf den beiden Vorgängern perfektioniert wurde, mischt aber bereits erste Thrash-Elemente bei, die auf den nächsten beiden Alben ja noch ausgebaut wurden. Sammy Hagar hätte vielleicht vom besten der beiden Welten gesungen, aber das muss jeder selbst wissen. Die Live-Sets der letzten Jahre waren gut gefüllt mit Songs dieses Albums, mein Favorit ist wohl 'Divine Victim', ein schneller Brecher. 'Hammer Of The Witches' gab es zudem in fast jedem Live-Set. Wer die Band im Endspurt live gesehen hat, durfte vielleicht Original-Schlagwerker Rick Fisher dabei sehen, wie er Songs des Albums meisterhaft zelebrierte. Der Künstler des Artworks, Eric Larnoy, war übrigens für viele Klassiker zuständig – "Graceful Inheritance", "Epicus Doomicus Metallicus" oder "Freedom's Rise" haben die meisten MANILLA ROAD-Fans sicher auch im Schrank stehen.

 

Platz 3:

Open The Gates (1985)

Wir kommen auf dem Treppchen an, und zwar in der Hochphase des epischen Metals. Was MANILLA ROAD Mitte der Achtziger fabrizierte, ist für viele das Beste, was dieses Genre zu bieten hat. Wobei Verfechter von CIRITH UNGOL, MANOWAR oder BATHORY sicher nicht unbegründete Gegenargumente liefern. Unsere Redaktion jedenfalls sieht "Open The Gates" auf dem dritten Platz. Jakob und Marcel hätten es sogar noch weiter nach oben (auf Rang 2) gehievt, bei Rüdiger gibt es Platz 4, bei mir "nur" die 6. Aber wir sind uns einig, dass es ein ganz starkes, stilprägendes Album ist. Und die Hits! 'The Fires Of Mars'! 'The Ninth Wave'! 'Heavy Metal To The World'! Dazu sind mit 'Witches Brew' und 'Road Of Kings' zwei der meistgespielten Songs der neueren Zeit vertreten, auch der Titelsong war häufig zu hören. Man könnte fast von einer Best-of sprechen, wenn es nicht noch so viele andere geile Hits gäbe. Die Hitdichte dürfte es aber letztlich sein, die dieses wunderbar kauzig produzierte Album mit dem wundervollen Artwork auf Rang 3 gehoben hat.

 

Platz 2:
Mystification (1987)

Die Silbermedaille für "Mystification" überrascht dann doch. Zumindest die beiden Vorgänger hätte ich tendenziell höher erwartet, aber es lag auch an meinem zweiten Platz, dass es fast für ganz oben reichte – oder zumindest für einen "Best of the rest"-Platz. Rüdiger und Marcel sehen das Album fast genauso stark (auf der 3), Jakob sortiert es auf der 5 ein. Dieses Album hat ein unheimlich mystisches Flair und ist gleichzeitig wesentlich thrashiger als die Vorgänger. Diese Thrash-Note war auf "The Deluge" schon spürbar, wird hier aber klar ausgebaut. Die mystische Atmosphäre gab es phasenweise schon auf "Crystal Logic" und "Open The Gates", wird hier aber deutlich verstärkt. Interessant: Die Nachfolger betonen jeweils Thrash ("Out Of The Abyss") und Mystik ("The Courts Of Chaos") noch mal deutlich stärker. Das Album ist textlich stark von Edgar Allan Poe beeinflusst, was mir relativ egal ist, da ich keine Lyrik lese. Von dieser Scheibe gibt es etliche verschiedene Versionen. Ihr braucht offensichtlich den 2016er Release von Golden Core, der den Remix von Ende der Neunziger und ein Remaster des Originalmixes von 2015 enthält. Dazu gibt es ordentliches Bonus-Material. Interessant ist auch der Sentinel Steel Release von 2000 mit völlig anderem, verschrobenem Artwork und veränderter Tracklist. Mit 'Death By The Hammer', 'Masque Of The Red Death' und dem Titelsong wurden gleich drei Titel dieses Albums echte Klassiker im Live-Set der letzten Jahre. Auch 'Up From The Crypt' fand immer wieder Berücksichtigung. Warum der feine Opener 'Haunted Palace' und 'Spirits Of The Dead' nicht die gleiche Würdigung erfuhren, weiß ich nicht. Stärker wird aus meiner Sicht kein Album der Band eröffnet. Für mich ein ganz wichtiges Album, das die Band in all ihrer Antikommerzialität gut einfängt.

 

Platz 1:

Crystal Logic (1983)

Langweilig! Denkt sich mancher. Und ja, der Kampf an der Spitze war extrem langweilig, denn alle vier beteiligten Redakteure haben dieses 40 Jahre alte Überalbum auf Rang 1 gesetzt. Zurecht. Es ist kristalline Logik mit "Crystal Logic". Es handelt sich um ein Manifest des echten Heavy Metal, der für alles steht, was wir am Metal lieben. Das Album ist roh, hymnisch, mystisch, antikommerziell, hat den Faust-Reck-Faktor, den Kauz-Faktor, es kann auf keiner Party laufen, auf der du deine Nicht-Metal-Freunde eingeladen hast. Es ist einfach purer Heavy Metal, ohne die Mainstream-Anschlussfähigkeit von SAXON, JUDAS PRIEST, METALLICA, IRON MAIDEN oder selbst MANOWAR. 'Necropolis' ist der meistgespielte Live-Song der Band (laut setlist.fm), aber auch 'Flaming Metal System', der Titelsong, 'The Riddle Master' und 'The Ram' folgen bald in dieser Liste. Erstaunlicherweise ist 'Dreams Of Eschaton' gar nicht so weit vorne, wie ich gedacht hätte. Für mich war das lange Stück der MANILLA ROAD-Song schlechthin. Da auch 'The Veils Of Negative Existence' häufiger gespielt wurde, sind außer dem etwas ungewöhnlichen Rocker 'Feeling Free Again' alle Songs absolute Standards der Live-Setlist gewesen. Und es handelt sich um Meisterwerke, eigentlich durch die Bank, die den Epic Metal in Gold gegossen auf uns zurollen lassen. 'Necropolis' hat sich zu einer Art Geheimhit gemausert, denn der speedige Track, den Bands wie VISIGOTH und LEGENDRY coverten, ist für das Album gar nicht so typisch. Da sind es ja eher die stampfigen, leicht mystischen Elemente, die auch doomige Momente einbinden, die den Gesamtsound prägen. Das seltsame Artwork von John Jinks (der sonst nie ein Metal-Artwork gemacht hat) passt ins Gesamtbild eines eigenartigen Albums, mit dem die Band ja einen fundamentalen qualitativen Sprung machte. Für mich eines der besten Metal-Alben aller Zeiten, ein echtes Meisterwerk, ein Abschied an Spotify-Metal-Playlists fürs Workout, das dich hineinführt in den Tempel des wahren Heavy Metals.

Mark "the Shark" Shelton live beim "Keep It True"-Festival 2017.

 

Wir sind hier aber noch nicht ganz fertig - es gibt noch einen kleinen Nachschlag mit den Nebenprojekten und den Listen der Redakteure.

 

Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2 des Diskografie-Checks.

Redakteur:
Jonathan Walzer

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