NAZARETH - Die wilden Siebziger gehen weiter

16.07.2019 | 22:46

Auch die zweite Wiederveröffentlichungswelle aus dem Hause BMG hat es in sich!

Nachdem Kollege Peter den ersten illustren Schwung an neu aufgelegten NAZARETH-Alben von 1973 bis 1978 besprochen hat (hier), kümmern wir uns – wie könnte es anders sein – auch um den zweiten. Und auch hier fällt gleich der Tatendrang auf, mit dem die Schotten speziell in den 1970er und 80er Jahren agierten. Wir wagen einen Blick auf die als Vinyl neu aufgelegten Versionen des gleichnamigen Debüts (1971), "Exercise" (1972), "Close Enough For Rock'n'Roll" (1976), "Play'n The Game" (1976), "Malice In Wonderland" (1980) sowie "The Fool Circle" (1981). Auch diesmal wurden Artwork und Sound sämtlicher Re-Releases überarbeitet und selbige mit farbigem Vinyl versehen.

"Nazareth"

NAZARETH war zu Beginn der 1970er Jahre das beste Beispiel dafür, dass Erfolg durch harte und konsequente Arbeit erreicht werden kann. Vor der Veröffentlichung des gleichnamigen Debüts tourten die Schotten zunächst zwei Jahre durch Europa, ehe 1971 etwas veröffentlicht wurde. 'Witchdoctor' leitet "Nazareth" hart rockig ein, ehe 'Red Light Lady' und zum Abschluss das außerordentliche 'The King Is Dead' inklusive Streichern, Chor und Synthies zum Höhepunkt des Debüts mutieren. Doch auch der Doom-Rocker 'Fat Man' sorgt dafür, dass "Nazareth" zum guten Debüt, jedoch noch ohne Chartplatzierungen wurde.

"Exercise"

Diese gab es auch mit dem Zweitwerk "Exercise" noch nicht, das 1972 nur acht Monate später veröffentlicht wurde. Und die stilistische Vielfalt des Debüts zieht sich auch durch "Exercise", was man speziell am orchestralen Sound samt Syntheziser und Streichinstrumenten merkt. Dass jedoch auch der Hardrock nicht zu kurz kommt, dafür sorgt beispielsweise 'Woke Up This Mourning'. Und für gewisse Aha-Momente sind noch immer der Dudelsack-Einsatz von 'Madeleine' sowie das experimentelle 'Called Her Name' geeignete Anlaufstellen. Was folgte, war eine außerhalb Schottlands stattfindende Tour mit ATOMIC ROOSTER und RORY GALLAGHER, was sicherlich auch dafür sorgte, dass "Razamanaz" erste Charterfolge für NAZARETH einheimsen konnte.

"Close Enough For Rock'n'Roll"

Wir machen einen großen Sprung ins Jahr 1976. Im März wurde mit "Close Enough For Rock'n'Roll" ein Album veröffentlicht, dessen Song 'Telegram' auch noch Jahre später als Opener bei Konzerten genutzt wurde und bei Fans noch immer einen hohen Stellenwert hat. Mit 'Vancouver Shakedown' wurde auch prompt eine weitere Single veröffentlicht, doch an den aufkommenden Sleaze Rock der Schotten mussten sich Fans erst noch gewöhnen. Dennoch gibt es mit dem Country-Rocker 'Homesick Again' und 'Born Under The Wrong Sign' weitere Anspieltipps, die über all die Zeit nichts an ihrem Charme verloren haben.

"Play'n The Game"

Noch im selben Jahr kam "Play'n The Game" auf den Markt, das sich stilistisch kaum vom Vorgänger unterscheidet. Mit 'I Want To Do Everything For You' wird sogar ein Hauch von Blues verarbeitet, die Single-Auskopplung 'Born To Love' bietet grundauf ehrlichen Rock, für den NAZARETH eigentlich stets stand, und auch 'Flying' lässt einige Herzen schmelzen. Woran es lag, dass "Play'n The Game" keine Charterfolge verbuchen konnte, weiß ich leider nicht, denn fest steht, dass das zweite 1976er Werk mindestens genauso gut und facettenreich ist wie der im März erschienene Vorgänger.

"Malice In Wonderland"

Wieder etwas erfolgreicher wurde es dann 1980 dank "Malice In Wonderland" und einem poppig angehauchten Rockalbum, das mit 'Showdown At The Border' und der Ballade 'Heart's Grown Cold' auch sehr gute NAZARETH-Evergreens enthält. Der US-Markt nahm dies mit Kusshand auf. Doch auch bei genauerem Hinhören fallen das rockige 'Holiday' sowie der 'Turning A New Leaf'-Stampfer zum Abschluss sofort ins Ohr und sorgen auch dafür, dass 39 lange Jahre später die Platte noch immer mit frischen Ideen und der gewissen Spritzigkeit daherkommt. So ist "Malice In Wonderland" ein sehr gutes Beispiel dafür, dass NAZARETH nicht nur auf ein Album oder auf einen Song zu reduzieren ist, sondern eine Fülle von Klassikern enthält. Nicht nur "Malice In Wonderland" sorgte also dafür, dass die Schotten die Rock-Welt in den 1970er und 80er Jahren entscheidend mitprägten.

"The Fool Circle"

Den Abschluss des zweiten NAZARETH-Re-Release-Schwungs bildet das 1981er Werk "The Fool Circle", das im UK auch wieder gut aufgenommen wurde. Soliden, bodenständigen Hardrock gibt es mit 'Dressed To Kill', aber auch mit 'Little Part Of You', und etwas wie das melancholische 'Let Me Be You Leader' hatten einige Fans bei den letzten Alben bekanntermaßen etwas vermisst. Generell sorgt die Kombination aus superbem Artwork, dem warmen Sound und Songs wie den genannten, aber auch dem sehr tiefgründigen 'Another Year' für einen guten Gesamteindruck eines Albums, das objektiv zwar nicht mit beispielsweise "Hair Of The Dog" mithalten kann, bei genauerer Betrachtung aber unheimlich viel Substanz hat.

Allein das Schwelgen in Nostalgie und die Bewunderung der farbigen Vinyls sind bereits eine Bereicherung und wenn man, so wie ich, dank Vaters Plattensammlung mit der NAZARETH-Zeit in den 1970er Jahren groß geworden ist, aber diese Alben sowie die der ersten Wiederveröffentlichungswelle noch nicht sein Eigen nennen kann, sollte man die Chance ergreifen und sich einen großen Batzen Rock-Historie aneignen.

Redakteur:
Marcel Rapp

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