One Nation Underground - Part III: ALLMACHT
11.04.2010 | 20:00Unter der Rubrik One Nation Underground präsentiert POWERMETAL.de in unregelmäßigen Abständen Portraits von Musikern, die abseits des großen Rockzirkus ihrem Schaffen nachgehen und unserer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Diesmal geht es um die Black Metaller von ALLMACHT.
Bandname: ALLMACHT
Bandmitgliede: S (Gitarre, Gesang) / M (Schlagzeug) / A (Bass)
Bandgründung: 2008
Bisherige Veröffentlichung: Demo "In namenlosen Tiefen" (2009), Eigenverlag
Mit "In namenlosen Tiefen" rückte vergangenen Herbst das erste Demoalbum der Black Metaller von ALLMACHT ins Licht der Öffentlichkeit. Die darauf zu hörende Musik des 2008 gegründeten Trios klingt gleichermaßen schroff wie stimmungsvoll und präsentiert auf textlicher Ebene eher ungefilterte Wahrnehmungseindrücke. Diese direkte Art, den Hörer anzusprechen, wurde von Gitarrist, Sänger und Texter S bewusst gewählt und auch der evokative Bandname stammt von ihm: "ALLMACHT beschreibt die allumfassende Kraft, die uns umgibt. Ich lehne zwar jede Form von organisierter Religion ab, aber ich glaube an eine Art höhere Macht, die größer als unser Leben ist und jenseits jeglicher Vorstellungskraft liegt. Sie existierte schon lange vor uns und wird uns überdauern. Wir bedeuten nichts." Vom Sich-verlieren in Gedanken über eine solche Macht und dem Sich-in-Bezug-setzen dazu handelt auch der Titelsong des bereits erschienenen Demoalbums, welchem ein reguläres Debütalbum folgen soll, an dem bereits gearbeitet wird. "Wir planen, zum Ende des Jahres mit den Aufnahmen zu beginnen", kündigt S an. Die dortige Produktion betrachtet er jedoch - wie auch Geschäftliches und Aspekte des Musikvertriebs - als vom kreativen Teil der Musik abgegrenzte Notwendigkeiten, die allerdings keine weitere Rolle für das eigentliche Schaffen spielen. Die Musik selbst war auch der Ausgangspunkt für die Texte, welche aus Gedanken um die Stimmungen der Stücke hervorgingen, dann wiederum aber auch auf die Betonung an einzelnen Stellen der Kompositionen rückwirken konnten, wenn deren zuvor bereits klar angelegte Stimmungen sich durch die ergänzten Worte noch genauer herauskristallisierten, wie Schlagzeugerin M anmerkt. Neben dem Interesse von S an bestimmten Themen spielten auch das Verständnis der übrigen Bandmitglieder davon und ihre Bezüge dazu eine Rolle für das bisherige Schaffen von ALLMACHT, ergänzt sie die Ausführungen des Sängers. Meinungen von außerhalb der Band, so stellt dieser klar, flössen zwar sicherlich auch in die Entscheidung der Musiker mit ein, jedoch lediglich unterbewusst. Die Meinung der Band aber stünde immer an erster Stelle. Die von einigen Rezensenten angeführten Kritikpunkte am Demo könne er "teilweise schon nachvollziehen", jedoch stünde ALLMACHT ja auch noch am Anfang der Bandentwicklung, und es sollte auch immer einen gewissen Raum für Veränderungen beziehungsweise Verbesserungen geben. Kritik ist jedenfalls nichts, was die Musiker von ALLMACHT kategorisch von sich weisen, und S hätte sich aus seinem direkten Umfeld sogar ein bisschen mehr ernsthafte Kritik gewünscht als Gefälligkeitsbekundungen wie "Ja, klingt gut" oder ähnlich Tiefgründiges. M dagegen erhielt aus ihrem Umfeld zu den Demoaufnahmen durchaus einige Kommentare, deren kritischere Anmerkungen den Stimmen einiger Rezensionen ähnelten. Allzusehr zu Herzen nimmt M sich solche Verbesserungsvorschläge jedoch nicht: "Für mich ist Kritik ein Denkanstoß, aus dem man etwas machen kann, aber nicht muss. Ich denke, das Wichtigste ist, dass die Musik beziehungsweise die anderen Punkte sich natürlich und ungezwungen entwickeln und am Ende alles zusammenpasst." Interessant findet sie allerdings das breite Spektrum der Meinungen zu ALLMACHTs Stück 'Vergänglichkeit'.
Dieses kommt nach kurzem Folkintro getragen und schleppend daher und strahlt musikalisch wie textlich einen gewissen Stoizismus aus. In meiner Rezension sprach ich von gewissen, nur spärlich tröpfelnden Doomeinflüssen. Diese kommen hier noch am ehesten zur Geltung und zwar als eine dunkle, aber kraftvolle Grundstimmung, welche sich trotz klar voneinander getrennter Phasen des Stücks durch die gesamte Komposition zieht. Obwohl die Band auch hier unverkennbar mit Elementen des Black Metals gearbeitet hat, scheint bei diesem Stück doch noch eine andere Grundierung durchzuscheinen, die sich nicht so einfach festmachen lässt. Klassischer Heavy Metal oder gar fremde Einflüsse? Aufs Geratewohl nach etwaigen Bezügen zur Shoegazerszene fragend, ernte ich unterschiedliche Reaktionen: S schaut erst einmal bei Wikipedia nach, worum es sich dabei wohl handeln könnte, M erwähnt, dass sie manche Bands wie etwa SLOWDIVE sehr gerne möge (obwohl man das dem hart prononcierten Schlagzeugspiel von 'Vergänglichkeit' nicht gerade anhört), und für A tun sich derlei Bezüge "nur ganz entfernt über stilistische Ähnlichkeiten zu Post-Rock-Projekten, die ich höre, wie ALCEST oder SIGUR RÓS" auf. Er begrüßt es auch, wenn Hörer von 'weit außerhalb' sich für die Musik von ALLMACHT interessieren, und fügt selbstbewusst hinzu: "Ich denke, das wird in zunehmendem Maße der Fall sein, wenn sich unser Stil dann weiter ausdifferenziert hat." Auf die Weiterentwicklung möchte er dann auch den Fokus legen und führt weiter aus: "Gerade nach der kurzen Zeit von einem knappen Jahr steckt eine Band ja stilistisch noch in den Kinderschuhen. Da kann man, denke ich, noch nicht von 'sicheren Stärken' sprechen. So etwas braucht seine Zeit – und bekanntlich ist am Ende ja auch immer der Weg das Ziel."
Auch S ist Fortschritt "in erster Linie" wichtig. "Ich habe ein Interesse daran, meine Stärken als Musiker weiter zu entwickeln und mich selbst vor neue Herausforderungen zu stellen", erläutert er seine Position. M ergänzt, dass auch ohne klare Zielvereinbarung der Schwerpunkt bei ALLMACHT darauf liege, bestehende Stärken sowohl der einzelnen Musiker als auch der Band und der Zusammenarbeit zu perfektionieren, und merkt an: "Ich bin wirklich stolz auf das, was wir da innerhalb eines Jahres geschafft haben." S ist mit den bisherigen Stücken der Band insgesamt ebenfalls zufrieden: "Das Demo ist meiner Meinung nach ein guter Ausgangspunkt für unser weiteres musikalisches Schaffen." Dieses basiere sicherlich auf bestimmten Wurzeln, sei aus seiner Sicht aber nicht einer Tradition verpflichtet, sondern sollte immer von persönlichen Entscheidungen bestimmt und nicht durch irgendwelche Regeln eingeschränkt sein. Der Fokus solle immer auf neuen Ideen liegen. Stücke nach ihrer Fertigstellung noch einmal komplett zu überarbeiten, wie einige Bands das bisweilen tun, kann S sich dementsprechend nur als Zeitvertreib vorstellen und nicht als ernsthafte Veröffentlichung. M pflichtet ihm bei: Sie kann sich nicht vorstellen, von einem bereits bestehenden ALLMACHT-Stück eine Neueinspielung zu veröffentlichen. Zwar könne man manchmal durch Umarrangieren etwas bemerken, was man an einem Song hätte besser machen können, und ihm dadurch auch neue Stärke verleihen - doch letzendlich habe man sich für eine Aufnahme, so wie sie ist, ja entschieden, weil sie bereits gut war. Auch Coverversionen steht man bei ALLMACHT skeptisch gegenüber. S und M sind beide der Meinung, dass es mit Nachspielen allein nicht getan sei, sondern man einem Stück besser eine eigene Note beziehungsweise einen eigenen Stil verleihen sollte, und A drängt sich manchmal der Eindruck auf, es könnte bei einigen Coverversionen eventuell nur darum gehen, ein Stück in einem möglichst gegensätzlichen Stil nachzuspielen: "Gerade wenn das Ausgangsstück seinen Fokus auf die Atmosphäre legt, finde ich es schwer bis unmöglich, die Stimmung dieser Urversion mit all ihren Facetten und Details (und nicht zuletzt auch den kleinen, aber charakteristischen Ungereimtheiten) in ein völlig stilfremdes Gewand zu stecken, ohne dass dabei etwas verloren geht oder es insgesamt seltsam beziehungsweise seelenlos wirkt. In Ausnahmefällen mag das natürlich funktionieren."
S scheint generell nicht viel von Dingen zu halten, die vom eigentlichen Wesen eines Musikstücks ablenken. In Zeiten, in denen nicht nur die unterschiedlichsten Medien miteinander verschränkt, sondern neuerschlossene Möglichkeiten solcher Verschränkungen regelrecht gefeiert werden, weist er darauf hin, dass diese Verbindungen von Musik und anderen Elementen die eigene Fantasie einschränken können und dies seiner Meinung nach zu sehr tun: "Jeder reagiert anders auf Musik und lässt eigene Bilder dazu im Kopf entstehen. Diese Bilder wären durch visuelle Ausdrucksformen ja schon vorgegeben. Insofern denke ich nicht, dass das für uns in Frage kommt." M gibt ihm im Grunde recht, würde dies jedoch nicht kategorisch ausschließen. Auch A könnte sich - sofern der Kontext stimmt - vorstellen, dass sich da irgendwann einmal etwas ergeben könnte; wobei er sich in Verbindung mit Musik, eingedenk von Live-Shows wie etwa bei TOOL, unter der Atmosphäre dienlichen Kunstformen eher Malerei oder Diaprojektionen vorstellen könnte, als Bühnenexperimente mit Theater oder Ähnlichem, dem gegenüber er sich nicht für offen genug hält.
Offener ist A wohl für unterschiedliche Spielarten des Metals. So war er vor ALLMACHT knapp drei Jahre lang bei der inzwischen aufgelösten Progressive-Death-Metal-Band OPHIEL tätig, die später jedoch auch leicht in Richtung Black Metal tendierte. Außerdem spielt er seit etwa anderthalb Jahren auch bei ISOLATION, deren Weg inzwischen von Depressive Black Metal in Richtung Stoner Rock und Post Rock führt (und deren Gitarrist und Sänger Johannes Schmid auch für Aufnahme, Mix und Mastering des ALLMACHT-Demos verantwortlich zeichnet). Ein weiteres Projekt von A mit anderen Musikern, bislang noch ohne klare Konturen, befindet sich in der Entwicklung. M, von der übrigens auch das schöne Artwork zu "In namenlosen Tiefen" stammt, betreibt als Vinterstorm, gleichberechtigt zu ALLMACHT, noch ein Black-Metal-Solo-Projekt namens NOZGHOT, mit dem sie im Laufe des Jahres 2011 wieder etwas zu veröffentlichen hofft. "Das sind halt ziemlich unterschiedliche Welten", erläutert sie. "Bei NOZGHOT bin ich darauf angewiesen, alles allein zu machen oder mir vielleicht mal einen Gastmusiker zu suchen. Das ist zwar auf der einen Seite angenehm, weil man die Dinge einfach machen kann, wie man will, ohne sich mit jemandem einigen zu müssen, aber auf der anderen Seite ist es auch wirklich anstrengend. Bei ALLMACHT fühle ich mich musikalisch und thematisch genau so "zu Hause" wie bei NOZGHOT und genieße es, in einer Band mit festen Musikern zu spielen."
Bleibt zu hoffen, dass von dieser zweiten Heimat mit festen Musikern in den kommenden Jahren auch noch viel handfeste Musik zu erwarten ist.
- Redakteur:
- Eike Schmitz