PORTRAIT: Interview mit Christian Lindell

01.09.2021 | 17:13

Eine geheimnisvolle Aura, ein mystischer, schwermetallischer Touch und dieses gewisse Extra liegen in der Luft. Richtig, die Jungs von PORTRAIT melden sich zurück und haben mit "At One With None" ein ungemein starkes, vielschichtiges Album in den Startlöchern. Grund genug also, Christian Lindell, der bei den Schweden für die Riffgewalt zuständig ist, ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Weshalb es recht mehrdeutig wurde, was die Jungs mit Kevin Bower von HELL zu tun haben und welche Rolle Tommy Hansen spielte, erfahrt ihr in den kommenden Zeilen.

Christian, wie geht es euch?
Uns geht es gut soweit, vielen Dank. Das neue Album steht in den Startlöchern und derzeit tun wir alles dafür, einige Shows für den Herbst und Winter zu buchen.

In den letzten Jahren gab es einen kleinen Dreh am Besetzungskarussell. Magst du mir ein kurzes Update zu Robin und Fredrik geben?
Robin ist nicht mehr Teil von PORTRAIT und das auch schon seit 2018. Fredrik hingegen ist fest bei uns dabei und darüber hinaus werden wir auch bald einen neuen, zusätzlichen Gitarristen bekanntgeben. Ich weiß nicht, ob man das, was 2017 passiert ist, wirklich eine Erweiterung der Bandmitglieder nennen soll. Zwei haben gekündigt und wir haben sie durch zwei Neue ersetzt, weil wir ein komplettes Line-up brauchen, um den Songs live gerecht zu werden.

Aber mit diesem neuen Line-up veröffentlicht ihr nun "At One With None", euer fünftes Studioalbum. Wie lange habt ihr generell an den Songs gearbeitet und hat sich hinsichtlich der Herangehensweise, Songs zu kreieren, etwas verändert?
Wir arbeiten schon lange mit dem Material. Wir haben Anfang 2019 angefangen, es im Herbst 2020 aufgenommen und haben den Songwriting-Stil ähnlich wie immer fortgeführt, was bedeutet, dass wir einfach unserer inneren Inspiration folgen. Wir erzwingen nie etwas, es muss auf natürliche Weise kommen, sonst stimmt etwas nicht. Ich wünschte, einige der älteren Bands würden ähnlich denken, aber egal. Wir hatten viel Inspiration und sind am Ende eigentlich bei zu vielen Songs gelandet, da wir aus persönlichem Geschmack keine Doppel-LP machen wollten. 50 Minuten Spielzeit sind genug. Das restliche Material ist auf einem 7“ im Boxset enthalten und wir haben auch einen Song für die spätere Verwendung gespeichert.

Ich finde den Titel "At One With None" recht bedeutungsvoll. Was kannst du mir über die Idee dahinter sagen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Titel zu erklären. Die beiden offensichtlichsten sind eine zeitliche und eine spirituelle Deutung. Auf einer zeitlichen Ebene erklärt es das Gefühl, ein Fremder in einem fremden Land dieser Welt zu sein. Das Gefühl zu haben, nicht hier unter die Schafe zu gehören und stattdessen frei die Rolle des Ausgestoßenen auf dem Weg ohne Wiederkehr zu übernehmen, der Gesellschaft den Rücken zu kehren und stattdessen in die Dunkelheit dahinter zu treten. Die spirituelle Bedeutung des Titels ist, am Ende des Lebens eins zu werden mit dem Nichts und vor der Schöpfung. Die Texte auf dem Album beschäftigen sich durchgehend mit diesen Konzepten und können als Erweiterung und Weiterentwicklung unserer Themen auf früheren Alben angesehen werden.

Der Typ auf dem Artwork – ist das derselbe wie auf "Burn The World"?
Man kann sagen, dass der kleine Charakter auf dem "Burn The World"-Cover im Wesentlichen der gleiche ist wie der aktuelle; ein Mann, der sich trotzig gegen den Gott der Schöpfung in all seinen Formen auflehnt.

Was würdest du sagen, sind die musikalischen Unterschiede zwischen beiden Alben? Was generell macht "At One With None" größer und was hat das alles mit HELLs Kevin Bower, der auch schon als Gast auf "Burn The World" auftrat, zu tun?
Wie schon angedeutet, haben wir die Musik in ähnlicher Weise geschrieben wie zuvor und hatten nicht wirklich die Absicht, die Dinge stilistisch anders zu machen. Wir wollten uns lediglich nicht wiederholen. Wenn ich die Alben jetzt vergleiche, denke ich, dass das Neue mehr auf Atmosphäre und Melodie ausgerichtet ist, während "Burn The World" etwas schneller und intensiver ist. Beide ergänzen sich auf schöne Weise.

Kevin ist ein großartiger Musiker und ich hoffe wirklich, dass er bald wieder im Spiel ist. Die Welt braucht HELL! Sein Part, den er bei "Burn The World" spielte, hat wirklich viel dazu beigetragen und es war großartig, mit ihm zu arbeiten. Wir sind schon länger mit ihm in Kontakt und haben uns auch gelegentlich getroffen. Wir haben 2015 eine kurze Tour in Großbritannien gemacht und an unserem freien Tag sind wir zusammen mit SAXON in Wolverhampton zu HELL gefahren. Wir landeten in HELLs Backstage-Raum und hörten das Set SAXONs mit einer nicht unerheblichen Menge Guinness. Das waren gute Zeiten!

Kommen wir noch einmal zum neuen Album, Christian. Ein Song hat mich ziemlich beschäftigt: 'Phantom Fathomer'. Worüber handelt er und was genau ist diese unsichtbare Kraft inmitten unserer Gesellschaft?
Der Song handelt davon, wie wichtig es ist, unsere wahrgenommene Realität auf allen Ebenen zu hinterfragen. Viele Leute halten es für selbstverständlich, dass die offizielle Erzählung der Mainstream-Medien die einzige Wahrheit und es selbstverständlich das Beste für alle Bewohner der Erde ist. Die Dinge sind immer auf eine bestimmte Weise ausgerichtet und die Menschen müssen aus der Vergangenheit lernen. Die unsichtbare Macht, die du hier siehst, ist der demiurgische Impuls, der sich auf der zeitlichen Ebene durch die Autoritäten dieser Welt manifestiert, die nach Kontrolle und Tyrannei streben.

Speziell in diesen Zeiten ungemein wichtig! Ein weiterer Song, den ich hervorheben möchte, ist 'A Murder Of Crows' – was kannst du mir über die Bedeutung von Krähen, deren Bedeutung im Hinblick auf Atmosphäre, sagen?
Das Lied handelt von den Tugenden der Corvus-Arten in magischen Umgebungen und der Titel ist ein Wortspiel, denn "Mord an Krähen" ist der Name eines Krähenrudels, aber in diesem speziellen Fall handelt es sich um Verwünschungsriten, wobei dem Mord eine andere Bedeutung zukommt.

Recht vielschichtig. Der Untertitel von 'Curtains' lautet 'The Dumb Supper'. Was genau steckt dahinter?
Das stumme Abendmahl ist der Name eines heidnischen Rituals, bei dem die Toten als Gegenleistung für Gefälligkeiten geopfert werden. Es wird im Titel und im Text verwendet, um die Herdenmentalität des Menschen und sein blindes Vertrauen in die Autoritäten darzustellen. Der Lebende nimmt hier die Rolle des "Toten" ein, während die Behörden ihr Lehrer sind, der sie dazu bringt, seinen Anweisungen zu folgen.

Und so schließt sich der konzeptionelle Kreis, zu dem auch die mystische Aura passt. Ich liebe diese dunkle und unheilvolle Atmosphäre des Albums. Das hat mich schon auf den letzten PORTRAIT-Alben in den Bann gezogen. Wie wichtig ist für euch diese Aura und habt ihr euch von anderen Bands dahingehend beeinflussen lassen?
Ja, es ist ein sehr wichtiger Teil unseres Stils und Sounds. Spezielle Inspirationsquellen gab es in der Hinsicht nicht, da wir viele verschiedene Dinge hören: von progressiven Sachen wie JETHRO TULL bis hin zu technischem Death Metal, Black Metal usw. Und natürlich klassischem Heavy Metal. Ich denke, alles, was wir gerne hören, inspiriert uns auch auf die eine oder andere Weise. Aber der wichtigste Teil ist, die Inspiration von innen heraus zu kanalisieren, damit das Endergebnis etwas Originelles und Persönliches wird.

Und das wurde es. Als Produzent fungierte Tommy Hansen. Was macht seine Arbeit so speziell, worin liegen die Vorteile, mit einem erfahrenen Mann wie ihm zusammenzuarbeiten?
Naja... wir wollten einfach mal was anderes ausprobieren. Wir hatten mit Tore Stjerna (NECROMORBUS) drei Alben in Folge zusammengearbeitet und das Gefühl, dass wir jemand anderen ausprobieren wollten. Wir waren jedoch in keiner Weise mit Tores Arbeit unzufrieden, das muss ich unterstreichen. Tommy hat einen beeindruckenden Backkatalog und wir sind mit dem Ergebnis der Produktion sehr glücklich. Eines der wichtigsten Dinge, die wir ihm zu verdanken haben, ist Fredriks Bassspiel, das nun etwas mehr im Vordergrund steht. Wir wollten, dass der Bass auf diesem Album klar und deutlich herauszuhören ist, denn Fredriks Spiel bringt unserer Meinung nach alles auf neue Höhen.

Ein kleiner Blick in die nebelige Glaskugel? Was steht bei PORTRAIT in diesem Jahr noch an?
Wir tun gerade alles, um einige schwedische Shows zu buchen. Wir spielen zwar lieber in Deutschland, aber die Situation ist uns jetzt mit den Einschränkungen zu kompliziert. In Schweden können wir Indoor-Gigs für mindestens 50 Leute machen und wir können leichter verfolgen, was in Bezug auf Einschränkungen usw. Woche für Woche vor sich geht. Ich persönlich bezweifle, dass die geltenden Beschränkungen jemals aufgehoben werden, wenn wir nicht offen gegen sie vorgehen und unsere Stimme erheben. Wir werden sehen, was zu tun ist, aber ich denke, wir sind uns alle einig, dass eine Welt ohne Live-Shows ziemlich lahm ist, oder? Also lasst uns aufwachen und den Kadaver riechen.

Damit hast du auf jeden Fall Recht. Christian, vielen Dank für dieses Gespräch. Was möchtest du noch loswerden und unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Denkt dran, dass ihr, sobald ihr Macht abgebt, sie wahrscheinlich nicht kostenlos zurückerhaltet! Gebt niemals auf!

Redakteur:
Marcel Rapp

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