SCHATTENKINDER: Interview mit Madeleine

15.04.2008 | 12:48

Nach ihren Debüt "Visions Of Nightfall" hat die deutsche Combo SCHATTENKINDER nun das Nachfolgewerk auf den Markt geworfen. "Weißer Regen" heißt es und präsentiert atmosphärische Gothic-Klänge, gespickt mit einigen Überraschungen, die aufhorchen lassen. Grund genug, den Kindern einige Fragen zu stellen, die Sängerin Madeleine per Mail beantwortete.

Ricarda:
Was könnt ihr zur Bandgeschichte erzählen? Wie habt ihr euch gefunden?

Madeleine:
Es begann mit Reiner, der im stillen Kämmerlein viele Songs schrieb und ab und an, sozusagen in Form eines Studioprojekts, Gastmusiker, vor allem Sänger zu sich einlud. Als ich nach Dresden zog, suchte ich ein Projekt, bei dem ich mich musikalisch austoben konnte und entdeckte zufällig einen Zettel auf dem Reiners Telefonnummer stand. So fand sich dann zunächst ein Zweiergespann.

Ricarda:
In welchem Jahr war die Besetzung, so wie sie jetzt ist, komplett?

Madeleine:
Das war 2003, da kamen dann Schlag auf Schlag Sven, Katja und Katharina hinzu. Sven stammt aus dem Metal-Bereich. Er besuchte uns an einem Abend und wir produzierten einen sehr schrägen und bisher unveröffentlichten Song, ein Cover von LEONARD COHEN namens 'Everybody Knows'. Das war sehr lustig und abenteuerlich, weil wir nach der E-Gitarre noch nachts um halb zwölf ziemlich lauten Gesang aufgenommen haben. Direkt nach dem letzten Gesangstake haben die Nachbarn geklingelt und sich wegen Ruhestörung beschwert. Einige Wochen später lernten wir Katja während eines Psycho-Tests an der Uni kennen. Als damalige Studenten in permanenter Finanznot haben wir für Geld Knöpfe gedrückt. Katja überwachte den Test und da sie ihre Geige dabei hatte, sprach ich sie an, ob sie vielleicht Lust hat, in einer Band zu spielen und sie hatte. Zuletzt stieß Katharina zu uns und sorgte für jede Menge außergewöhnliche Texte, unter anderem in altgriechisch. Damit war dann die Besetzung für uns komplett.

Ricarda:
Wie habt ihr euch für euren Bandnamen entschieden?

Madeleine:
Der Bandname existierte schon vor der Band. Reiner hatte ihn für sein Studioprojekt ausgesucht. "Schatten" steht für die Zwischenwelt im Licht und Dunkel, die Grauzone, wenn Schwarz und Weiß aufeinandertreffen; "Kinder" für die kreative Unschuld des Songschreibens und des Träumens, denn wir wollen uns nicht für kommerzielle Ziele oder was auch immer verbiegen. Die Musik ist ein Mix unserer teils sehr verschiedenen Gefühlswelten, stets unberechenbar.

Ricarda:
War es euch von Anfang an klar, welche Art von Musik ihr machen wolltet?

Madeleine:
In diesem Sinne haben wir auch von Anfang an keinen Musikstil geplant. Wir haben uns als Besetzung gefunden und Musik gemacht. Ich denke, die Melancholie war dabei unser stärkster kreativer Motor. Ich hätte mir persönlich keine andere Stilrichtung vorstellen können, melancholische Songs sind für mich die intensivsten und schönsten. Sie lassen viel Raum für Interpretation.

Ricarda:
Ein Bandname kann durchaus auch einschränkend wirken. Habt ihr Sorgen, dass ihr durch euren Namen zu sehr auf Gothic festgelegt seid?

Madeleine:
Nein. Es läßt sich sowieso nicht verhindern, dass man in irgendeine Schublade gestopft wird. Wenn es die mit dem Etikett Gothic ist, nur zu, schließlich haben einige von uns dort ihre Wurzeln. Wer unsere Musik mag, der wird sie finden, egal in welcher Schublade sie steckt.

Ricarda:
Nach eurem Debüt "Visions Of Nightfall" habt ihr nun den Nachfolger "Weißer Regen" veröffentlicht. Wie unterscheiden sich die zwei Alben? In welcher Hinsicht hat sich die Band weiterentwickelt?

Madeleine:
Das erste Album bestand zu einem großen Teil aus musikalischen Ideen, die Reiner am Computer komponierte. Darauf haben wir dann aufgebaut, verschiedene Instrumente dazugespielt und Texte geschrieben. Das zweite Album ist ein Werk, auf dem sich jeder von Anfang an intensiv ausleben konnte, das heißt, jeder konnte persönliche Songideen von der ersten Note an beisteuern. Dadurch wurde es meiner Meinung facettenreicher. Letztlich haben wir uns musikalisch und gesanglich weiterentwickelt. Unter anderem beherrscht Katja mit der chinesischen Erhu ein weiteres nicht gerade einfach zu handhabendes Streichinstrument.

Ricarda:
Welche Bedeutung versteckt sich hinter dem Albumnamen "Weißer Regen"?

Madeleine:
Weißer Regen ist die Sehnsucht nach einer surrealen Welt, in der Dinge geschehen, die der Verstand eigentlich von vornherein ausklammern würde. Aber unsere Seele lebt gerade von den wundersamen Ereignissen. Für diese steht symbolisch der weiße Regen, der in einem magischen Moment auf die Erde fällt und einem das Herz öffnet, der uns staunen und alle Sorgen und Pflichten vergessen lässt. Es ist der Augenblick Mensch zu sein, ohne im Getriebe der Gesellschaft funktionieren zu müssen.

Ricarda:
Könnt ihr etwas über die Aufnahmen erzählen? Wo habt ihr das Album aufgenommen? Wie lang hat es gedauert? Wer ist für die Produktion/das Mixing verantwortlich?

Madeleine:
Eigentlich hätten wir schon 2006 unser zweites Album veröffentlichen können. Nachdem aber das Label pleite ging, nahmen wir uns die Zeit an den einzelnen Stücken ausführlich zu feilen, einige Passagen neu zu überdenken und alles reifen zu lassen. Gesang und Geige haben wir dann noch einmal im Ami-Studio in Dresden aufgenommen. Produktion und Mix lagen dabei immer in Svens und Reiners Hand.

Ricarda:
Die Lieder werden auf deutsch, englisch und französisch präsentiert. Wie kam es zu dieser Idee und plant ihr, dies auch in Zukunft fortzusetzen?

Madeleine:
Es war keine geplante Aktion, zu sagen, jetzt schreiben wir mal französische Texte oder englische. Katharina fühlt sich in der französischen Sprache besonders wohl und so schrieb sie einige Texte in dieser Sprache. Andere Gedanken verlangten wiederum nach anderen Worten. Es ist schön, auf die ungeheuerliche sprachliche Vielfalt zurückgreifen zu können und ihre unterschiedlichen Klänge und Bedeutungen auszukosten. Deutsch, englisch und französisch sind auch nicht die einzigen Sprachen in unserer Musik und werden es auch nicht bleiben.

Ricarda:
Das Stück 'On The Shore' ist auf dem Album auch als Akustik-Track vorhanden. Könntet ihr euch vorstellen, ein komplettes Akustik-Album aufzunehmen?

Madeleine:
Wir haben schon öfter darüber nachgedacht. Einmal von elektronisch auf komplett akustisch zu wechseln ist eine verlockende Vorstellung. Vielleicht machen wir sie mal wahr.

Ricarda:
Die Sängerinnen Katharina und du, ihr habt beide sehr intensive, wunderschöne Stimmen. Wer entscheidet, wer welchen Part singt?

Madeleine:
Meistens der, der den Text geschrieben hat. 'Traum der Spieluhr' stammt zum Beispiel von Katharina, war als Song aber mir sozusagen auf den Leib geschrieben. Oft probieren wir auch aus, welche Stimme an welcher Stelle am besten wirkt und wer sich wo am wohlsten fühlt.

Ricarda:
Ihr webt ab und an sehr ungewöhnliche musikalische Elemente (wie zum Beispiel aus dem Trip Hop) in eure Kompositionen ein. Ist das bereits bei der Entstehung das betreffenden Songs geplant oder kommt sowas spontan?

Madeleine:
Unsere Songs sind nie durchkonstruiert, das ist unserer Meinung nach nicht die Intention, Musik zu machen. Wenigstens die Musik sollte eine Nische bleiben, in der man sich geben kann, wie man gerade sich gerade ehrlich fühlt. Das heißt, die Kompositionen entwickeln sich aus den Situationen heraus.

Ricarda:
Wer ist für das Schreiben der Musik und der Texte verantwortlich?

Madeleine:
Wir sind eine sehr demokratische Band, es gibt keinen, der die Peitsche schwingt und sagt, wie etwas zu klingen hat. Dafür kommt es öfters zu Diskussionen, die aber letztlich bewirken, dass jeder Dinge, die ihm wichtig sind, einbringen kann. Es gibt aber auch bei uns eine Rollenaufteilung, so komponieren hauptsächlich Sven, Reiner und Katharina die Songs. Bei den Texten wiederum sind Katharina, Reiner und ich vor allem die Ideengeber.

Ricarda:
Welchen musikalichen Hintergrund/Ausbildung haben die einzelnen Mitglieder?

Madeleine:
Katja ist mit der klassischen Musik groß geworden und hat eine professionelle Ausbildung auf der Violine hinter sich. Für die Erhu nahm sie extra Unterricht bei einem chinesischen Lehrer. Sven ist Autodidakt. Als Kind wurde er zwar in die Musikschule geschleift, hat aber dort Horn und Posaune zerbeult und erst mal eine Aversion gegen alles, was tönt, entwickelt. Später gründete er die Metalband MORBID BUTCHER, mit der er auch heute diverse Underground-Schuppen erbeben lässt. Reiner sitzt mit Vorliebe am Piano und improvisiert. Katharina und ich haben Gesangsausbildungen hinter uns und auch Katharina frönt hobbymäßig dem manischen Klavierspielen. Ich habe mich außerdem jahrelang mit spanischer Gitarre beschäftigt - ein Aspekt, der bei SCHATTENKINDER bisher nicht zum Tragen gekommen ist.

Ricarda:
Es ist sehr einfach, SCHATTENKINDER in die Heavenly-Voices-Schublade zu stecken. Stört euch das?

Madeleine:
Nein.

Ricarda:
Gibt es Idole aus dem Heavenly-Voices-Feld? Andere musikalische Vorbilder?

Madeleine:
Reiner hat ein großes Faible für DEAD CAN DANCE. Ansonsten sind unsere musikalischen Vorlieben sehr weit gestreut. Angefangen mit klassischer Musik (Katja), über Metal und Jazz (Sven), Industrial und Geräusche (ich) bis zu Elekro, Weltmusik (Reiner) und es endet bei allem was schräg ist, zum Beispiel Russen-Pop (Katharina).

Ricarda:
Wie sieht es mit Live-Gigs aus? Gibt es Pläne für eine Tour oder Festivalauftritte?

Madeleine:
Unsere Auftritte sind immer ein Gesamterlebnis aus Ton und Bild. Jeder Song enthält eine Geschichte, die per Video im Hintergrund wiedergegeben wird. Wir treten nicht häufig auf, da wir nicht einfach nur das Repertoire herunterspielen wollen, sondern immer ein multimediales Erlebnis inszenieren. Auf der anderen Seite ist die Organisation von Konzerten etwas aufwändig, da wir alle beruflich tätig sind.

Ricarda:
Grüße an unsere Leser von POWERMETAL.de?

Madeleine:
Auf jeden Fall! SCHATTENKINDER grüßen euch und wünschen jedem von euch ein Leben, welches Platz für Träume lässt.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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