SUCH A SURGE: Interview mit Oliver Schneider & Carsten

13.02.2006 | 18:05

Nach 14 Jahren Musikgeschichte beenden die Crossover-Veteranen von SUCH A SURGE nun ihre facettenreiche Karriere. Beim Zwischenstopp der Abschiedstour in der Frankfurter Batschkapp hatte ich Gelegenheit, ein sympathisches und sehr offenes Interview mit Olli und Antek zuführen. Und selbst, oder gerade wegen des vielleicht letzten Interviews in ihrer Laufbahn hatten die Jungs noch einiges zu erzählen, über die Gründe der Auflösung, über deutsche Musik, über Labelwechsel und Zukunftsängste.

Dennis:
Euch gibt, oder vielmehr gab es jetzt 14 Jahre. Mich hat das Ende etwas überrascht, weil "Alpha" so ein bisschen vermittelt hat: 'Hey, SUCH A SURGE sind wieder da und jetzt geht es nochmal richtig ab'. Und jetzt ist Schluss - warum?

Olli:
Es gibt sehr viele Gründe. Es ist eine lange Geschichte. 2003 ist Dennis ausgestiegen, unser Gitarrist, und zu dem Zeitpunkt stand es eigentlich schon auf der Kippe, ob wir weitermachen. Wir hatten dann das Glück, dass Lutz in die Band eingetreten ist, und dass wir dann halt doch noch eine Platte gemacht haben. Wir haben einfach jetzt nach der Platte und nach dem, was mit der Platte passiert ist, einfach gesagt, dass wir nicht glauben, dass es noch viel Sinn macht jetzt nochmal eine Platte aufzunehmen. Es gibt halt so viele Gründe, die dafür sprechen für uns, aufzuhören. Wir haben alle eigentlich das Verlangen mal was Neues zu machen. Wenn man so lange, 14 Jahre lang, mit den gleichen Leuten Musik gemacht hat, hat man einfach auch mal Bock auf was Neues. Es geht bei jedem halt in sehr unterschiedliche Richtungen.

Antek:
Es ist von der Kreativität her im Übungsraum mit Sicherheit schwieriger als noch vor zehn Jahren, wenn wir jetzt zu Fünft da sind und sehr unterschiedliche Musikgeschmäcker haben. Das kann man auch ruhig zugeben, ist einfach so. Es dürstet uns einfach danach mal zu sagen: 'Nee, ich mache das jetzt so wie ich das will'.

Dennis:
Ihr habt gesagt, es dürstet euch nach etwas Neuem. Etwas musikalisch Neues, oder etwas vollkommen anderes?

Olli:
Das ist genau, was ich meine, es ist bei jedem unterschiedlich. Axel, unser Basser, sagt zum Beispiel, er will gar nicht mehr in einer anderen Band spielen. Bei Michel, dem anderen Sänger, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass er noch groß die Motivation hat in einer anderen Band was zu machen. Und bei dem Rest ist es schon so, dass wir sagen: Entweder professionell, wenn es geht, aber da wollen wir uns auch nichts vormachen. Es gehört eine Menge Glück dazu, sowas professionell mit Plattenvertrag und Geld verdienen zu machen. Es ist schon so, dass wir weiterhin Musik machen werden, weil es einfach in uns drin ist, und man kann nicht einfach aufhören mit so einer Passion.

Dennis:
Zu SUCH A SURGE gehört ja noch mehr als die Band selber, PAIN IN THE ASS usw. Kommt in der Richtung nochmal was oder stirbt das quasi mit?

Antek:
Es stirbt mit. PAIN IN THE ASS ist ja SURGE. Es wäre ein bisschen seltsam zu sagen, dass wir mit PAIN IN THE ASS noch touren. Weil die Probleme sind die selben wie bei SUCH A SURGE.

Dennis:
Wie seid ihr eigentlich damals an Lutz herangekommen?

Olli:
Lutz war mit uns jahrelang unterwegs als Backliner, als Roadie, und Braunschweig ist ja auch relativ klein.

Antek:
Ich mache seit 1996 Musik mit Lutz. Ich habe REVOLVER mit ihm gemacht, und er ist wie gesagt als Crewmitglied immer mitgefahren.

Olli:
Es lag halt nahe. Er kannte die Songs, er wusste, was bei uns live passiert, er kannte die Band, weil er mit uns unterwegs war - wie gesagt, es war naheliegend. Es wäre, glaube ich, komisch gewesen, wenn wir eine Ausschreibung gemacht hätten nach einem neuen Gitarristen, der völlig neu in so eine verrückte Bande reinkommt.

Dennis:
Jetzt wo es SURGE nicht mehr gibt, bleibt für mich zumindest musikalisch eine Lücke. Ihr zieht ja seit Jahren konsequent dieses Crossover-Ding durch, und da gibt es ja nicht mehr allzu viel, deutschsprachig schon gar nicht. Glaubt ihr, dass die ganze Musikrichtung ausstirbt?

Antek:
Die Richtung ist ja eigentlich schon lange tot. Das hat uns aber nie so wirklich interessiert, weil es ja noch funktioniert.

Olli:
Die "Rotlicht"-Platte zum Beispiel, von der kann man halten was man will, ich finde es ist eine unserer besten Platten. Aber die klingt ja nicht wie eine Crossover-Platte von 1995, weil wir hatten ja dann schon irgendwann unseren eigenen Sound entwickelt. Und die Lücke... ja ich wüsste auch nicht, wer die stopfen soll. Wer weiß, ob die Lücke überhaupt jemand findet, oder vermisst. Vielleicht ist es auch gar keine Lücke.

Dennis:
Wie seht ihr überhaupt die Zukunft deutschsprachiger Musik? Glaubt ihr, dass der Sektor sich nach und nach auflöst?

Antek:
Auf keinen Fall. Momentan ist es ja fast schon schlimm - jeder singt deutsch, und dann auch noch mit so einer Bedeutungsschwere.

Olli:
Es wäre mal interessant zu analysieren, warum es so wenig deutschen Metal gibt. Weil ich glaube, dass es dann ziemlich schnell abrutscht in irgendwelche Genre-Sachen. Ich meine, das was OOMPH! machen ist ja auch kein Metal. Was ist das, Gothic? Oder RAMMSTEIN, weiß nicht... Aber wirklich mal eine deutschsprachige Metal-Band...

Dennis:
Wo wir schon beim Thema "Rotlicht" waren - bei euch hat ja über die Jahre definitiv eine musikalische Entwicklung stattgefunden. Habt ihr das bewusst gemacht, oder kam das einfach so aus euch raus?

Olli:
Beides. Wir haben das schon bewusst gemacht, man will sich ja nicht wiederholen und auch andere Sachen ausprobieren und gucken, was man sonst so kann. Man entwickelt sich ja auch weiter. Ist doch klar, dass man sich irgendwann nicht mehr limitieren will und sagt 'Wir machen jetzt nur Rap-Gesang'. Und traut man sich auch mal, Melodie oder Melodieeinflüsse in den Rap mit reinzubringen. War glaube ich auch gut so, sonst hätten wir auf der Stelle getreten, und dann hätte sich "Rotlicht" womöglich genauso angehört wie "Under Pressure".

Dennis:
Es hat sich vorhin so angehört, als ob aus "Alpha" nicht viel geworden ist. Mir hat die Platte eigentlich sehr gut gefallen, weil es wirklich dieses Wir-treten-allen-nochmal-ordentlich-in-den-Arsch-Image war, aber die große Erfolgschiene seid ihr damit nicht gefahren, oder?

Olli:
Wir haben gar nicht soviel weniger verkauft als von "Rotlicht".

Antek:
Die Fans haben es gekauft. Für alles andere fehlen dir einfach die Eckpfeiler. Im Radio stattfinden, im Fernsehen, wo wir nicht stattgefunden haben, obwohl wir ein sehr gutes Video gemacht haben... und wenn dir solche Sachen fehlen, wenn die Leute gar nicht wissen, dass es so etwas gibt, dann gehen auch nur die Fans los. Und es werden auch nicht mehr über die Jahre, es werden weniger.

Olli:
Man darf das auch nicht falsch verstehen, dass wir uns jetzt auflösen, weil wir frustriert sind, weil "Alpha" so wenig Erfolg hatte, sondern es ist eher so, dass uns die Perspektive fehlt, wie es jetzt weitergehen soll. Wir haben jetzt einfach nicht mehr so diesen Wind in den Segeln, dass wir sagen: Wir versuchen es aber nochmal und wir machen noch eine geilere Platte! Daran glauben wir einfach jetzt zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Und deswegen macht es Sinn die Band aufzulösen und was Neues zu machen. Denn wenn dir das fehlt, wenn du selber nicht mehr an dich glaubst und sagst: 'Die nächste Platte wird noch viel geiler'... Die "Alpha" ist super, wir finden die Platte schon gut, die wir da gemacht haben. Aber wenn da so eine Perspektivlosigkeit am Start ist, macht es für eine Band keinen Sinn noch weiterzumachen. Sonst fängst du glaube ich an, noch vielmehr zu konstruieren und dir noch mehr Gedanken zu machen. Und dann wird es irgendwann zur Farce.

Dennis:
Ihr seid ja noch recht kurzfristig vor dem "Alpha"-Release zu Nuclear Blast gewechselt. Als ich das gelesen habe, bin ich aus allen Wolken gefallen, weil ich mir dachte 'Das passt ja nun gar nicht!'

Olli:
Ja, wir auch (lacht).

Antek:
Ich glaube Markus, der Chef von NB, hatte einfach Bock auf uns. Vielleicht hat er es auch auf eigene Faust durchgezogen. Vielleicht war es auch so eine Art Spielwiese für ihn. Er hat ja auch SUBWAY TO SALLY gesignt. Nuclear Blast ist ja eine sehr erfolgreiche Independent-Metalfirma. Okay, jetzt ist es kein Indie mehr, schon einiges mehr. Aber so hat es angefangen. Vielleicht wollte er einfach auch mal was auf dem Alternative-Sektor ausprobieren und hat sich die Bands geschnappt, die quasi gerade auf dem Markt waren. Für uns war das cool. Für mich als langjährigen Kunden sowieso. Und von der Zusammenarbeit gibt es da nichts zu meckern.

Olli:
Ein Labelwechsel kurz bevor man eine Platte macht, ist schon geil. Es gibt einem schon nochmal einen neuen Windschlag in die Segel, wenn man sieht: neue Platte, neues Label, neues Team - cool!

Dennis:
Antek, du kommst ja jetzt schon eher aus dem Metal-Bereich. Wie ist das bei den Anderen?

Olli:
Bei mir gar nicht. Ich habe mit Metal überhaupt nichts zu tun gehabt, wirklich nicht. Es fing dann durch Antek an, dass ich irgendwann gezwungen wurde SLAYER oder PANTERA im Nightliner zu hören. Aber ich fand das geil, mir hat es gefallen, aber ich bin viel, viel später zum Metal gekommen, ganz klar.

Dennis:
Die erste Platte war 1995 "Under Pressure". Da gab es zwei Versionen von 'Gegen den Strom'. 2002 habt ihr dasselbe nochmal mit 'Koma' gemacht. Ist das dieser Gedanke, dass man es eigentlich besser kann als man es damals gemacht hat, oder ist es der Wunsch einfach mal eine neue Schiene zu versuchen?

Olli:
Eher Ersteres. Zumindest bei 'Koma' war es ganz klar so, dass wir gesagt haben 'Mensch, das war eigentlich ein saustarker Song - wie würden wir den heute machen?'. Und dann traut man sich das, und die zweite Version von 'Koma' ist, glaube ich, so, wie wir es damals hätten machen wollen.

Antek:
Live gibt es dann noch eine dritte Version.

Dennis:
Jetzt mal zum Konzert selbst. Die Tour ist zur Hälfte vorbei - wie haben die Leute bisher reagiert?

Olli:
Es ist unglaublich. Es ist eine Mischung aus Euphorie, und... ja eigentlich wirklich nur Euphorie.

Antek:
Es ist so, bis der letzte Ton gespielt ist, ist es wirklich Euphorie, aber wenn man die Leute dann am Merchandise trifft und mit ihnen spricht, ist es schon schwierig. In Nürnberg hatte ich mehrfach Menschen, die gesagt haben: 'Mensch, das geht doch nicht!'. Das macht einen schon stolz, aber ist auch schwierig. Man muss sich wirklich darauf einstellen. In jeder Stadt gehst du auf die Bühne, und nach zwei Stunden singen die Leute, das Konzert ist vorbei und es ist jedes Mal sehr emotional. Und das ist der Moment wo man doch ins Schwanken kommt und sich fragt: 'Ist das richtig?'.

Olli:
Es ist halt wirklich in jeder Stadt das letzte Konzert. Und jeden Abend beendet man was. Auch hier, ich meine da an der Tür ist noch eine Zeichnung von mir von 2000! Wir haben schon so oft gespielt in dieser Hütte, hatten richtig geile Shows und heute ist klar, dass es definitiv das letzte Mal ist, dass wir hier spielen. Wir sind auch keine Band, die jetzt schon an eine Reunion-Tour 2007 oder so was denkt - das ist Bullshit! Insofern ist das schon ein hartes Brett. Wenn dann Leute zu dir kommen, mit einem T-Shirt, das wir 1996 verkauft haben, die auch schon über 30 sind und dann ankommen und dir sagen: 'Alter, danke für 14 Jahre geile Mucke', dann nimmt dich das schon mit. Klar macht dich das stolz, aber in Köln zum Beispiel war es so extrem, dass unabhängig voneinander zehn verschiedene Leute zu mir gekommen sind und mehr oder weniger dasselbe gesagt haben, alle super nett, dass ich irgendwann nicht mehr konnte und gesagt hab: "Ich muss hier raus". Die kamen alle an, haben sich bedankt für geile Platten, und was ihnen unsere Texte bedeutet haben, dass man irgendwann nur noch denkt: "Wow!" Ich meine, wir sind ja auch nur ganz normale Typen. Ich bin aber auch froh, dass es nicht mehr ist. Ich habe ja damals auch die Bilder gesehen von der "Adios"-Tour von den ONKELZ, wo dann die ganzen Glatzen in der ersten Reihe heulen und so. Da bin ich froh, dass es bei uns nicht so ist. Die Leute sind da um zu feiern, die sind gut drauf, und die akzeptieren die Entscheidung. Sie respektieren das, und einige sagen auch 'Hey, ist ganz gut wenn sie jetzt aufhören. Ich hätte eh nicht gedacht, dass die das 14 Jahre durchhalten'.

Dennis:
So ging es mir auch. Ihr habt in 'Silver Surger' diese Textzeile "Warum denkt ihr sind wir nach acht Jahren noch hier", und das ist ja jetzt auch schon wieder sechs Jahre her.

Olli:
Für uns ist es auch ein Riesenschritt gewesen. Wir waren unsere eigenen Chefs und feuern uns jetzt selbst. Das widerstrebt schon ein wenig der Natur, Sachen am Leben zu erhalten. Ich meine, welche Band hat schon die Gelegenheit es so zu beenden, wie wir das heute Abend tun. Viele Bands erkennen nicht den Zeitpunkt, fahren es tot und sind dann frustriert, wenn sie irgendwo im Bierzelt spielen. Keiner von uns weiß, was jetzt danach kommt, es ist für uns alle ein Sprung ins kalte Wasser. Es ist ein bisschen... ja, der Kapitän geht mit dem Boot unter. Ich wollte jetzt fast Märtyrertod sagen, aber das wäre total übertrieben (lacht).

Dennis:
Wie ist das jetzt bei euch? Fallt ihr jetzt in ein großes Loch?

Olli:
Ja, alle eigentlich, mehr oder weniger.

Antek:
Wenn du zehn Jahre lang so ein Leben geführt hast, wo man Zeit hat auch andere Dinge zu tun, weil das Geld über die Konzerte reinkommt, wo du nicht buckeln musst... es ist einfach dieser Zeitluxus. Wir sind ja alle nicht reich! Ich habe nichts auf der Kante. Wenn das zu Ende ist, habe ich kein Geld mehr. Wir sind halt alle am Überlegen, Musik weiterzumachen.

Olli:
Es ist auch bei jedem anders. Lutz, unser Gitarrist, ist sehr viel mit anderen Bands unterwegs als Gitarrentechniker, der wird sein Geld verdienen. Axel ist in Sachen Musikbusiness mittlerweile sehr am Start, kennt sich gut aus, der wird da auch relativ schnell Fuß fassen. Ansonsten ist es nicht so, das man jetzt einfach nahtlos in eine gesicherte Existenz übergehen kann. Ist auch ein komisches Gefühl, wie Antek schon gesagt hat. Es war auch unser Beruf, und wir hatten halt das Glück, dass wir davon leben konnten und nicht nebenbei noch Pizza ausfahren mussten. Und das bricht ja jetzt weg, quasi dann vom 23.02. an, das ist das Braunschweig-Konzert, und danach stellt sich die Weiche in ein arbeitsloses Leben.

Dennis:
SURGE-Music war ja eigentlich immer nur für eure eigenen Projekte. Ist euch mal der Gedanke gekommen, auch andere Bands damit zu unterstützen?

Antek:
Der Gedanke ist für zwei, drei Jahren mal aufgeflackert. Das hätte ja eigentlich Axel machen müssen, weil wir damit nicht soviel zu tun hatten. Also ich hätte, glaube ich, keine Plattenfirma gewollt. Es ist ja auch keine, viele denken das immer noch. Es ist vielmehr nur ein Logo.

Olli:
Das ist wirklich Axel. Er ist immer die Musikbusiness-Fraktion in SUCH A SURGE gewesen, kein anderer. Alle anderen waren ganz froh, dass sie damit so wenig zu tun hatten. Wir haben immer nur unterschrieben, was er uns vorgelegt hat. Es war geil, weil wir ihm als Bandmitglied halt vertrauen konnten und auch kein anderer Bock hatte da am Schreibtisch zu sitzen. Und bei Axel war, oder vielmehr ist es ja schon so, dass er sich viel um andere Künstler kümmert. Er ist beim Scoop-Music-Verlag, hat seine Produzenten, die er managed, er managed BOSSE, mehr so eine Indie-Geschichte... er macht schon echt viel.

Dennis:
Dann bleibt mir nicht mehr viel außer euch alles Gute für eure Zukunft zu wünschen und mich auf einen schönen Abschied zu freuen.

Antek:
Danke! Wir freuen uns auch schon.

Redakteur:
Dennis Hirth

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