SUSPERIA: Interview mit gesamte Band

01.01.1970 | 01:00

SUSPERIA sind eigentlich eine Band, die vor kurzem noch kaum jemand wirklich brauchte. Zu altbacken klangen Alben wie "Vindication". Mit der neuen Scheibe "Unlimited" hat sich dieser Eindruck aber schlagartig geändert. Mit originellem Bay Area-Thrash-Feeling und der Hand für abstrakt-bizarre Ohrwurm-Melodien liefern die Norweger ihr Meisterstück ab. Ob es am neuen Label "Tuba Records" liegt oder an etwas ganz anderem?! Solche Fragen beschäftigen Wiebke Rost und Henri Kramer, als sie beim "Inferno"-Festival in Oslo weilen und die Jungs zu Kaffee und Bier in der RockIn-Kneipe im Zentrum der Stadt treffen. Dort stellt die Band gerade ihr neues Video zu dem Song 'Chemistry' vor, freut sich auf ihren Auftritt am nächsten Tag und will unbedingt noch die Live-Performance von SADUS sehen. Doch vorher müssen sie zum Gespräch, alle fünf setzen sich um einen Tisch herum...

Die ersten Reaktionen auf "Unlimited" sind durchweg positiv. Bei allen Reviews fällt jedoch auf, dass sich die Schreiber schwer tun den Stil von SUSPERIA auf einen Nenner zu bringen, ihn präzise zu beschreiben. Deshalb sollen das die Jungs mal schön selber machen. Es antwortet Ex-DIMMU BORGIR-Drummer Tjodalv: "Es ist schon komisch: Jeder erzählt uns, das Album klingt so und so, ihr spielt das und das. Das finde ich gut, genau so möchten wir klingen. Ich würde unseren Stil als extremen Metal bezeichnen. Wir verarbeiten schließlich viele verschiedene Einflüsse in unserer Musik, deshalb tun sich die Leute auch schwer damit uns einzuordnen..." Sänger Athera fällt dazwischen: "Wir wollen schlicht die Musik machen, die uns auch privat gefällt. Ich finde zum Beispiel PANTERA ziemlich gut, deshalb klingt auch meine Stimme manchmal ein bisschen so." Tjodalv bringt sein Verständnis von SUSPERIA auf den Punkt und spielt gleichzeitig auf den aktuellen Albumtitel an: "We are unlimited – Wir setzen uns keine Limits für das, was wir mit unserer Musik machen wollen. Wir kennen keine Grenzen, keine Kategorien. Die Musik muss nur für uns selber cool klingen." Die geistigen Schwingungen für die kreative Arbeit holten sich SUSPERIA im Wald, wo auch sonst in Norwegen. Tjodalv: "Wir zogen uns im Sommer 2002 in die kleine Waldhütte unseres Bassers Memnock zurück. Dort hatten wir 100 Bierbüchsen und viel Wein rumstehen. So schrieben wir das komplette Album." Insgesamt dauerte die Arbeit rund zwei Jahre, zum Beispiel musste das Quintett noch die vier kleinen Mädchen für den Hintergrundchor bei 'Devil May Care' gewinnen. Athera: "Es war definitiv viel Arbeit, aber auch verdammt schön. Und jetzt sind wir alle mit dem Album sehr zufrieden."

Die Texte spielen in der Vielfalt von "Unlimited" eine nicht unwichtige Rolle, werden jedoch erst nach den fertigen Liedern verfasst. Athera schreibt die Lyrics und erklärt: "Es gibt keine rote Linie, die sich durch "Unlimited" zieht. Es ist kein Konzeptalbum, die Songs stehen mit ihren Texten allesamt für sich." Es geht um Depressionen, um das "Wegwerfen von Leben" wie in 'Home Sweet Hell', aber auch um Themen wie Drogenmissbrauch. Athera selbst hat Freunde an die Rauschgiftsucht verloren, wie er nachdenklich erzählt. Und: "Es geht in den Texten aber nie um Religion, nie um Politik. Ich schreibe kleine Geschichten aus dem Alltag auf, die eventuell die Leute zum Nachdenken bringen. Dieser Ansatz ist auch nicht so eingefahren wie etwa typische Black-Metal-Texte." Diese Idee scheint zu funktionieren. Schließlich bekommt der SUSPERIA-Barde auch schon mal Post von Fans, wie er berichtet: "Einer schrieb mir, dass er ähnliche Probleme hat und sich in den Lyrics voll wieder findet. So etwas freut mich natürlich besonders und ist auch eine Art Bestätigung." So ist denn auch das Thema des letzten Songs 'Untouched' vom aktuellen "Unlimited"-Longplayer nicht weiter verwunderlich. "Steh auf! Mach was aus deinem Leben!", stellt Sänger Athera fest.

Zu einem guten Album gehört auch ein tolles Cover – auf "Unlimited" schreit eine pupillenlose Frau in Nahaufnahme, ihr Gesicht ist fast weiß, rot umrahmt sind die Lippen und Augenhöhlen. Athera erklärt: "Die Idee ist von unserem Freund Rune Tyvold. Er hat auch schon die Cover unserer anderen beiden Scheiben gemacht. Rune gehört schon fast mit zur Band." Und wie wurde die Frau so weiß? "Sie musste ein paar Stunden in eine Badewanne, um so richtig schön aufgedunsen auszusehen", schmunzelt Athera und erzählt weiter: "Sie ist eine Bekannte von Tjodalv und kommt aus derselben Ecke wie er."

Neben dem neuen Album hat sich auch der Labelname bei SUSPERIA geändert. Nach dem friedvollen Ausstieg bei "Nuclear Blast" heißt das neue Label "Tuba Records" und sitzt in Oslo. Der Cheffe ist Helge – ein kurzhaariger Sunnyboy mit weißen Klamotten und einem gewinnenden Lächeln. Er schmeißt heute die Party im RockIn und hat Getränkemarken für alle. Das also ist der neue Ansprechpartner für Tjodalv und seine vier Mitstreiter? "Ja. Wir stehen schon länger miteinander in Kontakt und mögen uns auch persönlich. Tuba Records ist zwar ein junges Label, besitzt aber alle wichtigen Kontakte in Norwegen und hat ein paar Bands von hier schon unter Vertrag." Zu Nuclear Blast möchten die Jungs lieber weniger sagen. Tjodalv: "Am Anfang waren wir sehr glücklich über den Vertrag, unser Debüt 'Predominance' wurde gut promotet. Dann kam aber unsere zweite Scheibe 'Vindication' heraus – und sonst passierte nichts weiter. Noch nicht mal auf Tour sind wir gegangen. So fragten wir, ob sie uns aus dem Vertrag entlassen könnten. Eigentlich hatten wir nämlich noch zwei Scheiben offen. Doch Nuclear Blast ließen uns zum Glück ziehen. Wir glauben, dass Tuba Records jetzt unsere beste Wahl ist."

Mit dem neuen Label im Rücken soll es für SUSPERIA auch live öfter zur Sache gehen. Als nächstes steht eine kleine Norwegen-Tour an. Nach Mitteleuropa geht es aber erst im Herbst – zwischen September und Oktober geht es zusammen mit MORTIIS auf Tour. Die Daten stehen schon fest:

29.09.2004 - Heidelberg, Schwimmbad
30.09.2004 - Essen, Zeche Carl
01.10.2004 - Berlin-Friedrichshain, Rockfactory Halford
02.10.2004 - Andernach, JuZ
02.11.2004 - CH-Pratteln, Z7
04.11.2004 - I-Rom, Alpheus
05.11.2004 - I-Mailand, Transilvania
06.11.2004 - Georgsmarienhütte, Tor 3
14.11.2004 - B-Vosselaar, Biebob

Ob es allerdings noch etwas mit Festival-Auftritten im Sommer wird, steht bis jetzt noch in den Sternen. Bassist Memnock freut sich trotzdem auf die anstehenden Konzerte: "Wir lieben es live zu spielen." Doch Athera warnt halb im Spaß: "Je älter wir werden, desto müder sind wir bestimmt. Aber zur Zeit ist noch alles in Ordnung. Wir können auch ohne Probleme über längere Zeit zusammen sein, da wir allesamt beste Freunde sind. Es herrscht zwischen uns eine sehr gute Atmosphäre und Konflikte werden sofort ausdiskutiert."

An die letzte Tour in Deutschland haben SUSPERIA noch besondere Erinnerungen. "Ich bin damals leicht betrunken einen Zaun hochgeklettert und abgerutscht, dabei habe ich mir die Hand aufgerissen. Sie hat ziemlich stark geblutet – wir dachten, wir müssen die Tour abbrechen", kramt Tjodalv in seinem Gedächtnis. Athera lächelt verschmitzt: "Beim Konzert in Stuttgart bin ich beim letzten Song einfach umgefallen, kollabiert. Ich hatte richtige Krämpfe. Es lag daran, dass ich vollkommen dehydriert war, also kein Wasser mehr in mir hatte. Jaja, wir leben und sterben eben für unsere Musik, haha."

Kurz vor Schluss des sehr entspannten Interviews steht endlich das Video zu 'Chemistry', dem ersten Song auf "Unlimited" an. Das Filmchen ist eine Mischung aus "sich-den-Arsch-aufreißender" Band vor blendend weißem Hintergrund und einem hässliche Familienstreit in melancholischem Braun, es geht um die Eltern eines missbrauchten und verstoßenen Kinds. Gedreht hat es die norwegische Schmiede "Groovy Entertainment". Warum gerade dieses Stück? Athera: "Eigentlich enthält das gesamte Album nur tolle Songs, wir haben jetzt keinen bestimmten Favoriten. Also haben wir uns einfach betrunken und dann einen Song für das Video ausgesucht." Tjodalv macht sich aber keine Illusionen: "MTV ist uns zu teuer und das Video ist für sie wohl auch zu lang. Aber unser Label hat weltweit Exemplare herumgeschickt. Wir werden sehen, ob es etwas bringt."

Es folgen die letzten Worte von Tjodalv an die Fans: "Kauft euch unser Album, it definitely kicks asses!!" Spricht’s und erhebt sich mit den anderen vier Jungs. Am nächsten Tag legen sie einen überzeugenden und viel umjubelten Gig beim Inferno-Festival hin, bei dem auch ein Versprechen von Tjodalv wahr wird: "Wir werden unsere komplette Gage für Pyros verpulvern!" Vielleicht stehen die Flammenwände bei diesem Auftritt auch für das Feuer, dass in den Musikern von SUSPERIA gärt – lasst Euch vom grenzenlosen Sound von "Unlimited" wegblasen.

Redakteur:
Henri Kramer

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