TANKARD: Interview mit Gerre

27.06.2017 | 22:34

"One Foot In The Grave", so heißt zwar das neue TANKARD-Album, doch Gerre und seine Mannen sind vom Ende so weit entfernt wie der US-Präsident von Vernunft. Leider ist der Vergleich nicht allzu weit hergeholt, wenn ich nun das Gespräch mit dem TANKARD-Fronter noch einmal Revue passieren lasse. Was sonst noch bei dem wie immer äußerst unterhaltsamen Interview zustande kam, könnt ihr nun folgend lesen.

Gerre, im vergangenen Jahr war ich etwas erstaunt, als kein TANKARD-Album das Licht der Welt erblickte, wo ihr ja in den vergangenen drölfzig Jahren immer in fabelhaften Zwei-Jahres-Abständen neue Songs veröffentlicht habt.

Ja, das stimmt schon. Aber wir waren halt faule Säcke und man muss nicht an festen Zyklen festhalten, haha. Also wir werden jetzt wahrscheinlich keine acht Jahre bis zur nächsten Platte brauchen, aber es kommt eben wie es kommt.

Das stimmt schon. Aber hinsichtlich Quantität als auch Qualität seid ihr einfach eine Bank. Es gibt nicht viele Bands, die so viele Alben an den Mann gebracht haben, außer vielleicht RUSH oder RAGE.

Oder auch OVERKILL, die haben ja auch eine neue Scheibe am Start. Die finde ich auch ziemlich geil, sowohl im Studio als auch live.

Und von daher ist es schön, dass solch eine Regelmäßigkeit auch aus Deutschland kommt. In diesem Sinne hebt ihr euch ja schon von den anderen drei Thrash-Größen ab.

Ich weiß überhaupt nicht, wen du meinst, haha. Ne, aber die anderen drei haben ja jetzt auch in Abständen wirklich tolle Platten rausgebracht. SODOM war auf dem achten Platz, KREATOR sogar auf dem ersten, das ist ja schon der Wahnsinn mit solch harter Musik den Thron zu erklimmen. Großen Respekt dafür, aber nun ist es auch mal Zeit, dass wir etwas Kleines nachlegen, hehe.

Und das "Kleine" ist auch wirklich mehr als ordentlich geworden. Die Platte ist nun draußen, wie geht es euch denn jetzt, wo ihr scheinbar alles aus den Füßen habt?

Ja, wenn du den fertigen End-Mix gehört hast, denn irgendwann muss auch der Deckel draufgemacht werden, dann ist man echt froh, das alles geschafft zu haben. Natürlich geht die Arbeit bzgl. Promotion jetzt weiter, aber mit Nuclear Blast haben wir diesbezüglich einfach eine Macht im Rücken. Der Flori ist ja auch TANKARD-Fan und versucht zu pushen, wo es nur geht. Das macht es für uns auch einfacher, nicht nur ein gutes Album herauszubringen, sondern auch die nötige Akzeptanz zu finden. Das Artwork finde ich auch sehr gelungen. Als der Buffo mit der Idee für das Cover um die Ecke kam, fand ich das auf Anhieb schon sehr geil. Der Alien, der Rollator, der Grabstein - das Gesamtwerk stimmt einfach - sehr sarkastisch zu dem Albumtitel "One Foot In The Grave". Wir sind also sehr zufrieden und harren der Dinge, die da noch kommen.

Da kann ich dir nur Recht geben.

Also ich finde, dass das Cover zu den besten fünf TANKARD-Artworks gehört, mir gefällt es unheimlich gut.

Der Titel lässt schon Böses erahnen. Doch die Mischung aus ernsthaften Songs und typischen TANKARD-Liedern schubst euch noch einmal in einen totalen Jungbrunnen.

Ja, wir haben aber auch schon auf den letzten Alben diese Mischung verfolgt. Das ist auf der neuen Platte nicht anders. Ich habe die Theorie, dass auch das aktuelle Zeitgeschehen der Grund hierfür ist. Du hast bei einem Text wie von 'Syrian Nightmare' natürlich eine ganz andere Wahrnehmung. Kurz den Fernseher und Nachrichten angemacht und du siehst, wie viel Scheiße momentan auf der Welt passiert. Kriege, Terroranschläge, irgendwelche Wahnsinnigen werden gewählt - das lässt einen nicht kalt. Natürlich haben wir auch wieder lustige Sachen auf dem Album, aber vielleicht wirkt die Platte einfach etwas ernster. Das ist für jemanden, der sehr tief da drinhängt, schwer zu beurteilen. Ich glaube, wenn wir in den lustigen 80ern wären, würden die ernsthaften Texte nicht so viel Beachtung finden wie jetzt.

Also haben all die Katastrophen der letzten Wochen und Monate das TANKARD-Album beeinflusst?

Ja, auf jeden Fall, wir rennen ja nicht komplett blind durch die Gegend. Wir haben zwar immer noch unseren ganz eigenen Humor, nehmen uns selbst auch nicht ganz so bierernst. Aber wir bekommen natürlich mit, was in der Welt passiert und das macht einen nicht nur nachdenklich, sondern macht einem auch Angst und Bange, wo das alles noch hinführen soll. Ich denke, wenn es den nächsten Flächenbrand gibt, ist dann auch Schluss mit lustig. Ich denke zwar nicht, dass wir unmittelbar vor dem Dritten Weltkrieg stehen, aber es ist schon alles sehr erschreckend. Wir haben letztes Jahr im Frühjahr mit dem Songwriting begonnen und 'Syrian Nightmare' war einer der ersten Songs für das Album. Zwischenzeitlich war die Thematik zwar ein wenig von der Bildfläche verschwunden, aber nun wieder aktueller denn je. So viele Länder haben ihre Hände mit im Spiel und ihre eigenen Interessen, aber die normale Bevölkerung leidet so unendlich unter der ganzen Sache. Ich denke auch, dass 'Syrian Nightmare' der Song mit den aggressivsten Vocals auf der Platte ist und in Anbetracht der Lage kommt dies auch nicht von ungefähr, da es einen nicht nur traurig, sondern vor allem wütend macht. Beim Titeltrack ist es beispielsweise anders: Da sind die Vocals ein klein wenig softer und wir haben versucht, da ein wenig Traurigkeit und Melancholie durchschimmern zu lassen, dass wir jetzt schon so alte Säcke sind.

Zumindest ein Hauch von Wehmut ist mit im Spiel.

Ja, das trifft es. Der Song ist auch mein Liebling auf der Platte, da hat sich bis heute nichts geändert. Jetzt müssen wir uns auch langsam mal zusammensetzen und gucken, welche Songs wir denn live spielen werden.

'Pay To Pray' beispielweise ist ein ziemlich cooler Opener.

Ja, das war meine Idee, den direkt an den Anfang zu setzen. Vielleicht sollten wir es mal wagen, Shows mit einem neuen Song zu beginnen.

Das wäre eine Idee. Also richtet sich der Titel "One Foot In The Grave" primär an euch selbst?

Ja, der Titel ist ziemlich selbstironisch zu sehen. 35 Jahre TANKARD, ich selbst wurde dieses Jahr 50, das gibt einem schon zu denken, hehe.

Du hast vorhin Buffo angesprochen, der mit 'Sole Grinder' diesmal sein Fett wegbekommt. Steckt eine bestimmte Geschichte dahinter?

Ach, der wusste gar nichts von dem Song, bis er dann die Texte gelesen hat. Das war die Idee unseres Bassers Frank, der ja auch drei Songs zu dem Album beigesteuert hat. Er kam auf die Idee, einen Song über unser Management zu schreiben. Wir sind total happy, dass wir Buffo haben, jemanden, der mit sehr viel Herzblut und Engagement arbeitet; es ist schon sehr wichtig, dass wir ihn haben. Aber auch er muss irgendwann mal sein Fett wegbekommen, hehe.

Ein weiterer Song, der sich abhebt, ist 'Northern Crown'. Was steckt dahinter?

Nun, das ist auch etwas sarkastisch und ironisch gemeint und richtet sich augenzwinkernd an alle Bands, die von nordischen Göttern, Schwertern etc. singen. Ich will jetzt wieder keine Namen nennen, aber der Zaunpfahl ist eindeutig. Aber ich denke, dass es wieder der bunte Mix auf dem Album ist, der den Reiz ausmacht. 'Arena Of True Lies' ist für unsere Verhältnisse schon sehr melodisch, man hat dann aber beispielweise mit 'Don't Bullshit Us' auch wieder richtige Thrasher am Start.

Mit 'Arena Of True Lies' bekommt die Social-Media-Welt auch einen ordentlichen Seitenhieb von dir.

Ja, hauptsächlich geht es um Fake-News. Ich ertappe mit ja auch immer wieder beim Surfen übers Handy - heute habe ich es zwar mal beiseitegelegt, aber trotzdem erwischt man sich selbst immer wieder. Und manch verbreitete Lüge bleibt dann doch bei dem einen oder anderen Mal hängen. In einer Textzeile heißt es "Talking face to face is retro" - das sagt eigentlich schon alles aus, wenn 48 E-Mails lieber hin und hergeschickt werden als einfach mal zum Hörer greifen und das binnen weniger Augenblicke zu klären. Zum 1. April haben wir uns ja auch einen kleinen Aprilscherz erlaubt, dass uns Facebook verklagt hätte und manche Leute haben das wirklich geglaubt und uns daraufhin geschrieben und Anwälte vermitteln wollten. Das war im Übrigen Floris Idee, die wir alle ziemlich lustig fanden und entsprechend umgesetzt haben.

Was war denn die bis dato größte Lüge, die man über dich bzw. TANKARD verbreitet hat oder verbreiten wollte.

Also eine Lüge über mich habe ich bisher noch nicht mitbekommen. Was ich allerdings nicht so lustig fand, war die Tatsache, dass irgendjemand in meinem Namen eine Facebook-Seite eröffnet hat. Ich selbst habe keinen Account - aber wie soll ich dagegen vorgehen oder mich wehren? Aber die meisten Sachen ziehe ich mir auch gar nicht rein. Was ich allerdings mitbekomme, sind natürlich die ganzen Reviews über uns.

Darunter fallen ja auch sicherlich Live-Reviews. Und auf dem letztjährigen Rock Hard Festival gab es eine TANKARD-Vollbedienung am Freitag. Und den habt ihr auch auf der limitierten Version des neuen Albums verewigt, nicht wahr? Welche Erinnerungen verbindest du mit dem Festival-Freitag?

Ja, ich hatte an diesem Tag auch Geburtstag. Mein 29., haha. Ich kann mich noch an die Dame vom WDR erinnern, die ich dann hochgezogen habe. Die Stimmung war wie immer super, wir waren ja nun auch schon öfters auf dem Rock Hard Festival. Es hat total Spaß gemacht, was gibt es auch Schöneres, als seinen Geburtstag auf dem Festival zu feiern? Generell trifft man während der Festival-Saison immer coole Leute, befreundete Bands und Musiker. Und gerade das Rock Hard Festival hat dabei noch etwas total Familiäres, was es für uns zu etwas Besonderem macht.

Zusammen mit dem eigentlichen Album also ein Rundum-Sorglos-Paket aus dem Hause TANKARD?

Ja schon, von dem Album selbst gibt es auch verschiedene Ausführungen. Es wird auch eine Picture-Disc geben, die wir gefühlte hundert Jahre nicht mehr hatten. Und für die Sammler gibt es auch noch schwarzes und grünes Vinyl. Ich selbst bin ja auch ein absoluter Sammler und werde mir auch alle Variationen des Albums zulegen, hehe.

35 Jahre TANKARD, Gerre. Was waren in den letzten dreieinhalb Dekaden deine Highlights?

Puh, natürlich absolute Highlights waren die bereisten Länder, in denen wir zuvor noch nie waren oder gespielt haben - beispielsweise spielen wir dieses Jahr das erste Mal in Malaysia, das wird sicherlich ein richtiges Highlight. Richtige Sachen kann ich nicht hervorheben. Was aber wichtig war, dass wir Ende der 90er Jahre, als Thrash Metal ziemlich am Boden lag, nicht aufgehört, sondern immer weitergemacht haben. Es gab selbst Jahre, in denen wir jeweils nur drei oder vier Shows gespielt haben und die gerade mal vor knapp 100 Leuten - aber da sind wir eben nicht zurückgeschreckt und das war die wichtigste Entscheidung, wenn ich auf die letzten 35 Jahre zurückblicke.

Eine wirklich sehr gute Entscheidung, die ihr da getroffen habt, ohne die es Alben wie "One Foot In The Grave" wohl so gar nicht geben würde. Was ist jetzt nach dem Release in Planung?

Also wir haben einen Tourplan, wenn man ihn so nennen kann. Wir spielen in verdammt vielen Clubs, für nächstes Jahr sind auch schon viele Termine gebucht und wie schon erwähnt geht es dieses Jahr nach Malaysia, das wird mit Sicherheit sehr interessant. Wir versuchen also so oft zu spielen wie es geht, um damit natürlich auch noch ein wenig die Platte zu pushen.

Noch eine letzte Frage sei mir gestattet: Wie ist denn dein momentaner Kontakt zu Bobby? Immer noch so innig wie vor einigen Jahren?

Ja, wir haben immer noch regelmäßigen Kontakt - zwar nicht mehr so häufig wie damals, aber wir sehen uns dennoch so oft es geht.

Dann grüß ihn demnächst nochmal. Gerre, herzlichen Dank für das wie immer sehr nette Gespräch und euch alles erdenklich Gute mit dem Fuß im Grab.

Dann möchte ich mich auch zurück-bedanken für deinen Support. Schön, dass dir die Platte gefällt, wir harren der Dinge, die da jetzt noch passieren, sind aber frohen Mutes, dass es gut laufen wird. Wir haben alle unser Bestes gegeben und das ist schließlich die Hauptsache. Und liebe Leser, vielen Dank für euren Support der letzten 35 Jahre. Ohne Fans wäre TANKARD natürlich gar nichts, wir sehen uns hoffentlich demnächst in einem Club und starten eine kleine Thrash-Metal-Party.

Redakteur:
Marcel Rapp

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