THE OTHER: Interview mit Rod Usher

18.10.2017 | 15:15

Wenn der Horror real wird: Wir sprachen mit THE OTHER-Frontmann Rod Usher über neue Herausforderungen für den Horrorpunk und deutsche Lyrik-Poeten.

Dieses Jahr stehen die Gestirne genau in der richtigen Reihenfolge, haben die Nornen des Schicksals die Fäden besonders kunstvoll verwoben oder welch' Zufall auch immer hier seine Finger im Spiel hatte: Jedenfalls bekommen die Fans der Horror-Punk-Band THE OTHER am 20. Oktober zum ersten Mal in der Band-Geschichte das "Full Package". An diesem Tag beginnt nicht nur die "Hell Nights"-Tournee von Sänger Rod Usher und seinem Gruselgefolge, auch der Silberling "Casket Case" erblickt das Licht der Welt. Was den Liebhabern der Kölner höchstens zum freudvollen Erbeben bringt, löst in Rod Usher himself schon ein leichtes Knieschlottern aus, wie der Sänger und Bandoberhaupt uns gleich zu Beginn des Gesprächs gesteht. "Ja, ein wenig nervös bin ich schon", so Rod. Schließlich müsse an diesem Tag, dem ersten Release-Konzert auf den Punkt genau alles klappen. "Außerdem bin ich gespannt, wie die Leute auf uns ansprechen. Wir sind ja bei diesen Hell Nights der Headliner, was auch nicht immer der Fall war", erläutert er, der auch für die Organisation der musikalischen Horror-Party, die quer durch Deutschland tourt, zuständig ist.

 

Dabei kündigte das Ende aller Tage zunächst den Anfang an: Mit der Single-Auskopplung 'End Of Days' begann der Countdown zu "Casket Case" - einem düster-schaurigen Song, mit dem THE OTHER einem vollkommen realen Horror auf die Spur geht. Anders als beispielsweise 'Dreaming Of The Devil' handelt es sich um ein reines Performance-Video. Doch es ist nicht minder aussagekräftig. "Wir beschäftigen uns hier nicht mit surrealen oder abstrakten Horrorgestalten, sondern mit dem Terror, der momentan durch Gestalten wie Trump und Co. in unserer Welt wirklich abgeht", erklärt Rod. So endet der Song auch entgegen der gewöhnlichen THE OTHER-Manier mit einem Happy End. "Schließlich lösen wir das Stück dahingehend auf, dass es nur eine Phase ist, durch die wir derzeit gehen."

Schön wäre es, denn das Weltgeschehen hinterlässt selbst an den Größen des Horrorpunks seine Spuren. "Ich bin da schon dünnhäutiger geworden", so Rod Usher selbstreflektiert. "Inzwischen schaue ich mir lieber vollkommen surreale Geisterfilme wie 'Conjuring' oder 'Insidious' an. Schließlich sind Massaker und Morde von geisteskranken Killern à la 'Hostel' und Co. leider mittlerweile auch in unserer Realität angekommen." Sich davor zu verschließen, falle auch immer schwerer, so Rod weiter. "Früher konntest du einfach den Fernseher ausmachen. Heute wirst du ja auf allen Kanälen über den Horror in unserer Welt auf dem Laufenden gehalten. Ob das nun Facebook, das Fernsehen oder Push-Nachrichten auf deinem Smartphone sind - der Terror ist allgegenwärtig."

 

Wo anderen schon lange die Worte wegbleiben, findet THE OTHER sie im Angesicht des Grauens gleich in zwei Sprachen. 'Morgen ohne Grauen' heißt der einzig deutschsprachige Song auf "Casket Case". "Es ist bei uns beinahe Tradition, dass wir auf jedem Album einen Titel in deutscher Sprache veröffentlichen", erzählt Rod und lässt dabei durchblicken, dass man auch überlege diesen Anteil in Zukunft zu steigern. "Bisher kamen die Nummern immer sehr gut an." Auch die Interviewerin hat direkt beim ersten Lauschangriff auf die Platte an der lyrischen Gestaltung von 'Morgen ohne Grauen' Gefallen gefunden, so lässt sie beinahe den Gottvater der Schwarzen Romantik, Edgar Allan Poe, als Vorbild vermuten. Darauf angesprochen muss Rod leider verneinen. "Das Schwierige bei deutschen Songs ist der Balanceakt zwischen Bedeutung und Kitsch", erläutert der Sänger. "Auf Englisch klingen 'Coffin', 'Night' und 'Graveyard' immer gut. Aber im Deutschen gerät man ruckzuck ins Kitschige." Als Referenzen für hochwertigen deutschen Grusel sieht er Bela B. aber auch Til Lindemann. "Bela B. schafft es, mit seinen Titeln eine Art 'John Sinclair'-Atmosphäre des trashigen Achtziger-Jahre-Horrors zu erschaffen, das mag ich sehr gerne", verrät Rod. "Til Lindemann geht da ja eher in die Schocker- oder Ekelrichtung, was dann jedoch wiederum weniger meinen Geschmack trifft."

 

Dennoch kann er der eigenständigen, individuellen Musik der beiden erwähnten Herrschaften mehr abgewinnen als manch anderer zeitgenössischen Band. "Derzeit haben wir einfach wahnsinnig viele Kopien auf dem Markt, die im Fahrwasser von großen Namen schwimmen", bedauert Rod. "Die meisten von ihnen kalkulieren ihren Erfolg geradezu." Was er damit meint? Zum Verständnis führt der THE OTHER-Frontmann seinen Gedankengang weiter aus. "Viele Bands im Gothic- und NDH-Bereich versuchen nicht mehr, eigenständig zu klingen, sondern möglichst breit. Alle mitzunehmen vom kleinen Gothic Girl in der ersten Reihe bis hin zum Altmetaller. Und das Schlimme ist, dass das immer wieder aufs Neue auch noch funktioniert", macht er seinem Ärger über die Entwicklung der Schwarzen Szene Luft. Musikalische Vielfalt und Weiterentwicklung schaut eben anders aus, darin stimmt ihm auch die Interviewerin zu. "Natürlich sind das alles wichtige Fragen und ich stelle sie genauso", schiebt er dann jedoch hinterher. Doch der Blick über den Tellerrand hinaus macht das Ganze jedoch noch einmal plastischer und spannender. Der Horror hat eben viele Gesichter.

 

Redakteur:
Leoni Dowidat

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