THORN.ELEVEN: Interview mit David

01.01.1970 | 01:00

THORN.ELEVEN gehören wohl zu den vielversprechendsten deutschen Nachwuchsbands, die es zur Zeit gibt. Mit "A Different View" ist ihnen nach dem recht harten "Selftitled Album" ein durchwachsenes und mitreißendes Rockalbum gelungen, das durch seine Ruhe und gelassene Spielweise beeindruckt.
Ich hatte die Möglichkeit, dem Frontmann David Becker online ein paar Fragen zu stellen, und gewann den Eindruck eines nachdenklichen Menschen, der nicht auf die Tastatur gefallen ist.

Michael:
Der Titel eures neuen Albums "A Different View" scheint Programm zu sein. Ihr betrachtet eure Gitarren musikalisch aus einer ganz anderen Perspektive als auf eurem Vorgängerwerk "Thorn.Eleven". Wie kommt Ihr zu dieser musikalischen Umorientierung von fast "nu-metalesquen" Gitarrenriffs und aggressiveren Songs in Struktur und Text zu melodischeren Elementen und vor allem ruhigerer Spielweise?

David:
So genau kann man das eigentlich gar nicht sagen. Zumindest war es kein Prozess, den wir ganz bewusst vollzogen oder angestrebt haben. Wir haben einfach – genau wie beim Vorgängeralbum - nur das gemacht, auf was wir gerade Lust hatten. Dass dabei ein gewisser Richtungswechsel herauskommen würde, war nicht abzusehen und einen regelrechten Bruch in unserer Musik haben wir ja auch nicht vollzogen. Wir sind einfach ein bisschen rockiger geworden, denke ich. Es sind ja noch immer einige aggressivere Songs auf der Platte.
Außerdem ist in meinen Augen die Tatsache, dass Melodien plötzlich mehr in den Vordergrund treten, ein Wandel, den jede Band vollzieht, wenn sie sich in ihrem Songwriting verbessert und sich wirklich weiterentwickelt – selbst bei den härtesten Kombos fällt einem das immer wieder auf.

Michael:
Was ist in der Zeit zwischen euren Alben passiert, womit könnt ihr die Veränderung in eurer Musik erklären?

David:
Wie schon erwähnt, gibt es eigentlich nichts, das die Veränderungen in unserer Musik hinreichend erklären könnte – mal abgesehen von den persönlichen Veränderungen, die jeder in den zweieinhalb Jahren seit Veröffentlichung des Debütalbums durchgemacht hat. Wir haben uns von nichts anderem als unserem Gefühl und der Stimmung beim Songwriting leiten lassen und am Ende nur die Songs für "A Different View" ausgewählt, hinter denen jeder von uns hundertprozentig stand. In der Hinsicht sind wir einfach total demokratisch, auch wenn das zuweilen sehr anstrengend ist – unserer Musik ist es meiner Meinung nach auf jeden Fall nur zuträglich.
Was sich bei uns aber definitiv sehr verändert hat, ist die Herangehensweise an die Songs und vor allem an die Aufnahmen. Im Nachhinein erschien uns das erste Album einfach zu unterkühlt und perfektionistisch; daher haben wir diesmal wesentlich mehr Wert auf Wärme und Feelings gelegt als auf eine völlig saubere und sterile Produktion. Und auch die Sicht dem Musikbusiness gegenüber hat sich massiv verändert – einfach deshalb, weil man sich stellenweise fast mehr mit geschäftlichem und Marketingstrategien auseinandersetzen muss als sich auf das eigentlich Wesentliche, nämlich die Musik, zu konzentrieren.

Michael:
Nachdem THORN.ELEVEN mit dem Demo "Inside" und dem darauf folgenden Album "Thorn.Eleven" in die Riege Deutschlands viel versprechendster Newcomer aufstieg, ist die Erwartung an euer neues Album natürlich dem entsprechend hoch. Wie begegnet ihr dieser Erwartungshaltung? Macht ihr einfach euer Ding, nehmt die Dinge wie sie kommen oder arbeitet in die Richtung, die euch am erfolgträchtigsten scheint?

David:
Wir versuchen immer wieder, sämtliche Erwartungen, die man an ein Album knüpft, zu unterdrücken, da die meisten davon ja doch immer enttäuscht werden. Das klappt stellenweise ganz gut – zum Beispiel, wenn es um das Songwriting geht. Wir richten uns nur nach dem, was unser Bauch uns sagt, wenn wir neue Songs schreiben, ohne dabei gleich an das komplette Album zu denken oder ganz bewusst Songs zu schreiben, die radiotauglich oder gut zu vermarkten sind. Im Endeffekt steckt dann aber doch zu viel Herzblut von jedem einzelnen Mitglied der Band in einer Platte und man kann sich von bestimmten Erwartungshaltungen dann eben doch nicht ganz frei machen. Einfach, weil einem die Platte persönlich zu wichtig ist, als dass man einfach dabei zuschauen könnte, wie sie untergeht und niemand etwas davon mitbekommt. Unter Druck setzen lassen haben wir uns aber definitiv von niemandem und zu keinem Zeitpunkt – höchstens von uns selbst. Von daher spielt unser eigener Anspruch an unsere Musik eine wesentlich größere Rolle als die Erwartungshaltung von Plattenfirma, Fans oder Medien.

Michael:
In einem Interview meintest du, dass die Touren mit Crossover-Acts wie THUMB oder EARTHTONE9 viel angenehmer für die Band waren als die "Tattoo The Planet Tour" mit Bands wie SLAYER. Lag das an dem musikalischen Umfeld der anderen Bands und den damit verbundenen Vorlieben der Fans oder einfach an der Organisation einer so großen Tour wie der TTP?

David:
Zum größten Teil lag es einfach an den Bands, mit denen wir unterwegs waren – alles sehr nette und intelligente Zeitgenossen, mit denen man wunderbar auskommen und teilweise auch Freundschaften knüpfen konnte. Das Publikum war auch auf diesen Tourneen nicht immer nur freundlich zu uns bzw. begeistert darüber, uns im Vorprogramm der jeweiligen Band zu sehen. Bei einer Tour mit SLAYER geht man allerdings schon mit dem Gefühl auf die Bühne, dass man einfach nur froh sein kann, wenn man heil wieder von der Bühne kommt und nicht ständig ausgebuht wurde – mal ganz abgesehen davon, dass wir musikalisch einfach nicht zu Bands wie SLAYER, CRADLE OF FILTH und BIOHAZARD passen und die "Tattoo The Planet Tour" auch ein totales organisatorisches Fiasko für uns war.

Michael:
Die musikalischen Vorlieben der Band sind ziemlich breit gestreut, so kommen laut Homepage von ALICE IN CHAINS über DEPECHE MODE und METALLICA zu THE PRODIGY verschiedene Einflüsse zum Tragen. Wie bringt ihr diese Einflüsse unter einen Hut, und wie seht ihr ihre Wirkung auf euch bis heute?

David:
Es ist einfach so, dass jeder von uns einen anderen musikalischen Hintergrund hat und wir alle mit unterschiedlicher Musik groß geworden sind. Was uns aber alle verbindet, ist, dass wir etwa zu der Zeit aktiv mit dem Musikmachen angefangen haben, als Grunge gerade in Mode war – unser größter gemeinsamer Nenner waren also schon immer Bands wie ALICE IN CHAINHS oder die STONE TEMPLE PILOTS. Alles andere fließt in unsere Musik ein, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen würden. Ich kann jetzt nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass ich noch immer durch meine ersten Lieblingsbands sehr geprägt bin. Das trifft aber für jeden von uns zu, denke ich. Es kommt in letzter Zeit eigentlich auch immer häufiger vor, dass ich aus meiner Plattensammlung eher die Klassiker herauspicke, anstatt mir CDs neueren Datums anzuhören – zum größten Teil, weil sie einfach besser sind und mich mehr bewegen.

Michael:
Was gehört zu den Dingen, die ihr musikalisch schon immer mal machen wolltet, wozu ihr im Zuge von THORN.ELEVEN aber noch nicht dazu gekommen seid? Wie breit seht ihr die Spielbreite eurer Band? Wäre da mal ein absoluter Stilbruch möglich, oder seht ihr die Entwicklung der Band in eine klare Richtung gehen?

David:
Obwohl wir vieles von dem, was wir uns zu Anfang der Band erträumt hatten, mittlerweile erreicht haben, gibt es noch unzählige Sachen, die wir gerne noch erleben möchten. Ganz weit vorne steht da zum Beispiel, endlich mal auf ein paar der größeren Sommerfestivals zu spielen, weil uns diese bisher meist versagt geblieben sind, oder eine eigene kleine Headliner-Tournee durch Deutschland zu machen.
Wir würden natürlich auch gerne mal mit einigen unserer absoluten Idole zusammenarbeiten oder mit bestimmten Produzenten eine Platte aufnehmen, aber das will schließlich jede Band. Mit Roberto Laghi zu arbeiten war z.B. so ein weiterer Traum, der sich erfüllt hat und mit Martin Emil von den leider verschiedenen ELEVEN PICTURES hatten wir ja auch schon einen unserer Lieblingssänger als Gastvokalist mit im Studio...
In welche Richtung es bei uns musikalisch künftig gehen wird, kann ich dir wirklich nicht sagen. Mag sein, dass wir melodiöser und poppiger werden, mag aber auch sein, dass wir wieder zu unseren Wurzeln finden und einfach drauflosschrubben.
Eine Marschroute gibt es bei uns ganz sicher nicht.

Michael:
Abgesehen von eurer Tour mit 4LYN, was werden die Dinge sein, die bis zum nächsten Album bei euch Priorität haben? Welche Träume wollt ihr euch erfüllen?

David:
Zurzeit sind wir einfach heiß darauf, nach der langen Wartezeit zwischen den aufnahmen zu "A Different View" und der Veröffentlichung endlich auf Tour gehen zu können und wieder live zu spielen. Wir werden wohl so ziemlich alles spielen, was uns unter die Finger kommt (mit gewissen Einschränkungen natürlich). Wie oben schon erwähnt, wäre es an der Zeit, dass wir endlich auch mal die Chance bekommen würden, auf ein paar größeren Festivals zu spielen.
Der größte Traum ist zurzeit allerdings der, die Chance zu bekommen, noch ein drittes Album unter professionellen Bedingungen aufzunehmen und zu veröffentlichen. Denn obwohl wir bei diesem Album fast alles genauso gemacht haben, wie wir es wollten und mit dem Ergebnis noch immer sehr zufrieden sind, sind wir mit THORN.ELEVEN noch lange nicht am Ende und können sicherlich noch einen draufsetzen.

Michael:
Beinahe täglich hört man vom Hickhack zwischen Plattenlabels und MP3-Nutzern, bzw. Onlinetauschbörsenusern. Wie sieht euer Verhältnis zum Web aus?

David:
Das ist noch immer eine der schwierigsten Fragen, die einem gestellt werden können. Obwohl die Tauscherei im Internet gerade kleineren Bands wie uns Schaden zufügt, bin ich niemand, der mit dem erhobenen Zeigefinger wedelt und die Leute zu bekehren versucht. Schließlich hat man so ja auch die Möglichkeit, noch mehr Leute zu erreichen und auf seine Musik aufmerksam zu machen. Vielleicht werden auf Dauer ja auch Plattenfirmen völlig überflüssig – es gibt ja schon einige Bands, die mit wohldurchdachten Konzepten ihre Musik im Internet vermarkten. Allerdings braucht es für all diese Konzepte immer erst einmal einen gewissen Bekanntheitsgrad, der sehr schwer zu erreichen ist.
Am Ende ist es ja auch so, dass genau diejenigen jetzt am lautesten schreien, die sich die Suppe selbst eingebrockt haben. Es ist einfach ein bisschen schwierig, die Ausrüstung zum Brennen und die nötigen Abspielgeräte teilweise zu Spottpreisen unters Volk zu bringen und daran gut zu verdienen und sich anschließend hinzustellen und den Leuten verbieten zu wollen, diese Möglichkeiten tatsächlich zu nutzen. Die Industrie hat einfach zu lange geschlafen und später nur lamentiert anstatt zu handeln, dass sich die meisten Internetbenutzer mittlerweile einfach daran gewöhnt haben, dass man für Musik nichts zahlen muss, wenn man nicht will. Außerdem wird für so viel Schrott und Selbstbeweihräucherung (hat jemand mal die schlimme Echoverleihung gesehen?!?) ja immer noch massig Geld zum Fenster rausgeschmissen (obwohl ja angeblich keines mehr da ist), das anders sicherlich besser investiert wäre.

Michael:
Wenn ihr auf die bisherige Laufbahn von THORN.ELEVEN zurückblickt, wo seht ihr die Band in zwei Jahren? Was stellt für euch das Ziel dar, wenn es eins gibt, das ihr mit eurer Band erreichen wollt? Was gehört zu den Dingen, die THORN.ELEVEN sofort machen wird, wenn sich die Möglichkeit ergibt, wie z.B. eine Tour mit einem eurer Vorbilder?

David:
Diese Frage kann ich leider nur genauso schlecht beantworten wie die Frage, wo es bei uns musikalisch in der nächsten Zeit hingehen wird. Wir haben unsere Ziele mittlerweile etwas niedriger angesetzt, weil es momentan grundsätzlich verdammt schwer ist, auf dem Markt Fuß zu fassen, wenn man kein großes Budget zur Verfügung hat oder zumindest einigermaßen regelmäßig in den Medien vertreten ist.
Dennoch bleibt unser größtes Ziel natürlich, irgendwann einmal von der eigenen Musik leben zu können – man muss eben doch immer ein schier unerreichbares Ziel haben, für das es sich zu kämpfen lohnt...
Fest steht jedenfalls, dass es uns in zwei Jahren definitiv noch geben wird, weil uns der Spaß am Musikmachen so schnell nicht verloren geht! In welcher Form wir dann unterwegs sein werden, wird sich zeigen.
Es gibt einige Bands, mit denen wir gerne mal auf Tour gehen würden – als Beispiel fallen mir spontan INCUBUS, OUR LADY PEACE und PACIFIER (ehem. SHIHAD) ein. Keiner von uns würde auch nur eine Sekunde lang zögern, falls jemals ein Angebot in dieser Richtung bei uns landen sollte. Aber zurzeit muss man ja schon froh sein, wenn sich einem überhaupt eine Möglichkeit zum Touren bietet...

Michael:
Das war's soweit. Ich danke euch noch mal für eure Bereitschaft, diesen Fragebogen durchzugehen, und wünsche euch viel Erfolg und Spaß für die kommende Tour und alles was danach kommt!!!

David:
Ebenfalls vielen Dank für das Interview und die guten Wünsche! Ich hoffe, ich habe nicht zu viel gejammert.

Redakteur:
Michael Kulueke

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