THRESHOLD: Interview mit Richard West

19.08.2012 | 16:05

Mit "March Of Progress" hat THRESHOLD zum neunten Mal im neunten Anlauf einen absoluten Prog-Leckerbissen abgeliefert. Nach der fünfjährigen Pause zeigt man sich mit dem neuen alten Sänger Damian Wilson wieder in absoluter Topform und spielt ein Album ein, das beinahe mühelos an die vielen Höhepunkte in der bisherigen Karriere der Briten anknüpft. Im ersten Teil des Interviews sprechen wir mit Keyboarder und Songwriter Richard West, im zweiten Teil dann mit Gitarrist & Songwriter Karl Groom.

Dass "March Of Progress" nicht nur das "Album des Monats" im aktuellen August-Soundcheck geworden ist, sondern zudem auch das am höchsten bewertete Album bislang ist, sorgt natürlich gleich für begeisterte Reaktionen. Zumindest mit britischen Maßstäben gemessen. "Es ist natürlich toll zu hören, dass die Leute unsere Musik immer noch mögen. Das macht uns sehr stolz. Auch wenn Damian nicht wirklich neu für unsere Fans ist, wussten wir natürlich nicht, wie unsere Fans ihn dieses Mal aufnehmen würden. Ich weiß noch, dass unsere Plattenverkäufe sich halbiert hatten, als wir das erste Album mit Mac (Andrew "Mac" McDermott, im letzten Jahr verstorbener Sänger der Band von 1998 bis 2007 - PK), weil wir durch den neuen Sänger einen neuen Sound hatten und die Leute da immer etwas skeptisch sind. Erst mit "Hypothetical" hatten wir sie wieder zurückgewonnen. Von daher ist das viele tolle Feedback, das wir jetzt auf "March Of Progress" bekommen natürlich schon vielleicht ein Indikator, dass es dieses Mal nicht wieder so läuft.", erzählt Richard.

Und obwohl Richard und Karl mittlerweile ein eingespieltes Songwriting-Duo sind, gab es durch die Neubesetzung am Mikro zumindest für einen der beiden einige Änderungen in der Herangehensweise, wie Richard erzählt: "Nun, Damian hat eine etwas softere Stimme, die technisch einen größeren Bereich abdecken kann, während Mac kraftvoller singt. Das ist schon ein Unterschied, an den ich mich beim Schreiben der Melodien gewöhnen musste. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich da gedanklich auf Damian eingestellt hatte. Nun, offensichtlich hat es fünf Jahre gedauert.", lacht Richard.

Was sich auf jeden Fall auch geändert hat, ist die Performance von Damian auf der Bühne. 1997 auf Tour stand da noch ein verschüchterter Mann, der mit leerem Blick seine Parts sang, während er seit der Rückkehr im Sommer 2007 mit enormer Präsenz besticht. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. "Haha, davon waren wir genauso überrascht wie Du, als wir das erste Mal wieder mit ihm auf die Bühne gingen.", lacht Richard und hat dafür aber auch eine gute Erklärung parat: "Bei der Tour 1997 hatte Damian noch nicht besonders viel Bühnenerfahrung und war schon noch sehr nervös und hat sich dann sehr auf seinen Gesang konzentriert. Als er uns dann verlassen hatte, hat er zwei Jahre am Musical gearbeitet und hatte dort eine Rolle in "Les Miserables". Dies und seine Tourneen mit Rick Wakemann (YES-Legende, PK) haben ihm die nötige Erfahrung und das nötige Selbstbewusstsein gebracht, um sich zu einem echten Entertainer zu entwickeln. Beim "Night Of The Prog"-Festival haben wir unseren 60. Gig zu "Dead Reckoning" gespielt, so eingespielt waren wir noch nie und ich denke, das hat man auch gemerkt." Das kann der Verfasser dieser Zeilen als Augen- und Ohrenzeuge nur bestätigen.


Ein Song, der schon beim ersten Durchlauf heraussticht, ist 'The Hours', der permanent von einer simplen, catchy Melodie unterlegt ist, die beständig fließt und den Hörer nicht mehr loslässt. "Es freut mich sehr, das zu hören, denn der Song ist mir auch sehr ans Herz gewachsen. Und ja, am Anfang stand die simple Pianomelodie, die den Song trägt und dann kam unser Bassist Steve Anderson mit einem Riff, das da perfekt reinpasst, um den Song in metallische Gefilde zu führen und auf einmal war ich in diesem Songwritingmodus und aus dem kurzen Pianothema wurde ein längerer und längerer Song, der aber immer spannend zu schreiben bleibt, denn auch, wenn die Melodie ganz einfach ist, sind die Dinge, die dahinter noch so passieren, ziemlich tricky. Wenn ich also diesen Modus erst einmal erreicht habe, weiß ich immer, dass der Song etwas Besonderes wird und so war es auch dieses Mal. Die Melodie ist also wie der Leim, der den Song zusammenhält, denn ohne sie, würde der ganze Song überhaupt keinen Sinn ergeben."

Dass die Melodien der Leim sind, wie Richard so schön sagt, ist etwas, was man über "March Of Progress" auch insgesamt sagen kann. Es ist sicher die melodischste und - von den Gitarren her - auch das härteste Album der Band. "Dass es das melodischste Album ist, denke ich auch, aber "Dead Reckoning" war vielleicht noch ein bisschen härter.", meint Richard. "Andererseits, wenn du es nur auf die Gitarren beziehst, liegst du vielleicht gar nicht so falsch, denn Karl haut schon ein paar ordentliche Riffs raus. Und im Grunde ist es das ja auch, was wir mit THRESHOLD erreichen wollen. Wir wollen melodisch, heavy und progressiv zugleich sein und aus deinen Worten entnehme ich, dass uns das gelungen ist.", freut sich der sympathische Brite.

Eine weitere Nummer, die heraussticht ist der zehnminütige Abschlusstrack 'The Rubicon', der nicht nur musikalisch ein Epos ist, sondern textlich auch die Geschichte von THRESHOLD erzählt. "Ja, das hat du ganz richtig erkannt. Die Idee dazu mit einem Text unseren Fans zu danken und unsere Geschichte zu erzählen, hatte ich schon eine lange Zeit, aber ich hatte nie die richtigen Worte gefunden und irgendwas hat einfach gefehlt. Als ich die Idee mit dem Rubikon hatte, wusste ich, dass es das richtige Bild dafür ist, was ich sagen wollte, ohne es zu plakativ und kitschig werden zu lassen. Dass wir nie den großen Erfolg hatten, ist natürlich damit beschrieben, dass wir nie den Rubikon überqueren, unseren Fans danken wir beispielsweise mit der Passsage 'dependant on the kindness of those who stand behind us' (abhängig von der Gunst derer, die hinter uns stehen - PK), den Willen trotz aller Rückschläge immer weiterzumachen, zeigt die 'and so we carry on'-Zeile (und wir machen weiter - PK). In dem Schlusspart schaue ich dann noch einmal auf unsere Karriere zurück und baue von jedem unserer Alben eine Textzeile ein.", erzählt Richard nicht ohne stolz. Ihr könnt ja dann einmal die passenden Songs dazu raussuchen. Überhaupt ist dies eine Spielerei, die Richard unglaublich viel Freude bereitet: "Ich lege sehr großen Wert auf die Texte und sie beanspruchen immer sehr viel Zeit. Ich habe es immer geliebt, wenn Bands kluge Lyrics hatten. Das muss nicht einmal inhaltlich klug sein, sondern auch einfach die Art und Weise wie sie verfasst werden. Das Einbauen der alten Textzeilen war für mich wie ein kniffliges Kreuzworträtsel, denn ich musste ja nicht nur die passenden Zeilen finden, sondern sie mussten auch noch anders phrasiert werden, damit sie zu 'The Rubicon' passen. Das war wirklich alles andere als einfach. Meist bleiben solche Spielereien zwar von den Hörern unentdeckt, aber es macht mir einfach Spaß. So habe ich zum Beispiel beim Song 'The Destruction Of Words' von "Subsurface' versucht, mit dem jeweiligen Schlüsselwort der Zeile das Alphabet durchzugehen, also 'allusion, blame, collusion, drown, everything, fusion, grey...'. Das hat nicht zu 100% in der Reihenfolge geklappt, aber bis auf das 'X' wurde jeder Buchstabe zerstört.', lacht Richard.


In der Tat eine bemerkenswerte Akribie, die heutzutage leider meist nicht mehr beachtet wird. "Ja, die Art wie Musik gehört wird, hat sich mit all der Technik ganz massiv geändert. Ich würde es immer noch bevorzugen, wenn Musik wie früher in den Siebzigern und Achtzigern veröffentlicht wird. Man hatte meist nur 40-45 Minuten Musik auf einer Schallplatte mit vielleicht fünf Songs pro Seite, die man dafür in- und auswendig kannte, das ist heute mit 80 Minuten für ein Album fast nicht mehr möglich. Für uns ist "March Of Progress" daher auch ein Doppelalbum, weil 70 Minuten doch enorm viel Musik ist. Und weil es - zum ersten Mal in der Geschichte THRESHOLDs - auch als Doppelvinyl veröffentlicht wird. Darauf haben wir 20 Jahre gewartet und jetzt ist es endlich so weit."

Für 2013 ist dann auch die nächste Headlinertour geplant. "Ja, es sieht derzeit so aus, als das wir im März nächsten Jahres auf Tour gehen. Was ganz gut ist, denn das ist dann der "March Of Progress".", lacht Richard und ergänzt: "Zuerst wollten wir schon im Oktober auf Tour gehen, aber das hat zeitlich nicht bei allen gepasst, weil ja die meisten von uns noch andere Bands und Projekte haben, an denen sie arbeiten. Jetzt arbeiten wir daran, dass es etwas im März 2013 wird, was den Vorteil hat, dass wir uns dann noch viel besser vorbereiten können."

Im zweiten Teil wird uns Karl Groom dann seine Sicht auf "March Of Progress" erzählen, wobei wir auch intensiver auf die Funktion von Karl & Richard als Produzenten eingehen werden.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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