Till Burgwächter packt aus: Nein, wir wollen nicht!

19.11.2008 | 15:37

Till Burgwächter schreibt über die Schattenwelt des Heavy Metal. Vollmundiger als Joey DeMaio, großkotziger als Ted Nugent und so erschreckend belanglos wie die letzten Alben von ICED EARTH. Exklusiv bei POWERMETAL.de.

Vorsicht: Dieser Text könnte Jungvermählten die Schamesröte ins Gesicht treiben.

... und der Rachegott sprach: Ihr, die ihr liederliche Heavy Metal-Konzerte besucht, statt gemeinnützige Arbeit zu verrichten, sollt leiden. Ich schicke euch teure Bierpreise, einen miesen Sound und Band-Absagen in allerletzter Minute. Doch das Konzertvolk lachte nur: All das können wir vertragen. Wir gehen trotzdem zu Konzerten, weil wir die Musik lieben. Da wurde der Rachegott so richtig sauer und sprach: Nun denn, ihr habt es nicht anders gewollt! Hier habt ihr die schlimmste Plage, die ihr euch nur vorstellen könnt. So soll es sein!

Leider ist historisch nicht belegt, wann genau der oben aufgeführte Dialog zwischen Rachegott und Konzertvolk stattfand. Aber die Auswirkungen spüren wir alle bis heute. Und die sehen wie folgt aus: Eine beliebige Band unserer Wahl spielt einen Clubgig oder auf einem Festival. Die Combo hat sich eingegroovt, die Stimmung steigt, und plötzlich: Eine Unterbrechung. Der Frontmann bittet mit süßsaurem Lächeln einen Fan beliebigen Geschlechts auf die Bühne und reicht ein Mikrofon. Das in der Regel unansehnliche Wesen, das soeben hunderte, wenn nicht gar tausende Menschen aus allen Rock 'n' Roll-Träumen reißt, beordert seinen nicht minder ranzigen Lebensabschnittsgefährten auf die Bühne. Dann folgt die tödlich langweilige Lebensgeschichte der beiden und ein bisschen ungelenkes Gesülze, von wegen Liebe des Lebens, Schmetterlinge in der Lunge und ähnliches Geschwafel, das selbst den Machern von „Sissi“ zu schnulzig gewesen wäre. Als krönender Abschluss kommt dann die Frage, die keiner mehr hören kann: Willst du mich heiraten? Der überraschte Teil des Paares stammelt irgendwas Zustimmendes durch die PA, und alle sind glücklich.

Alle? Wohl kaum! Der überfallene Partner, so fern nicht kalt wie Hundeschnauze, muss unter dem Druck so vieler Augenpaare der lebenslangen Verurteilung zustimmen, auch wenn er/sie sich vielleicht vorgenommen hatte, die Beziehung aufgrund von penetrantem Mundgeruch direkt nach dem Konzert zu beenden. Die Band wird für einige Minuten zu dämlich grinsenden Statisten degradiert, die sich nach der Zwangspause wieder einspielen dürfen. Und das Publikum, das sich nicht die Bohne für die beiden Turteltrümmertauben interessiert, sieht sich um mindestens einen Song betrogen. Deshalb an dieser Stelle die Aufforderung an alle Verliebten und Verlobten mit Öffentlichkeitsdrang: Schaltet den Fernseher ein, geht auf die Videotextseite von Sat1 und belästigt Kai Pflaume mit euren Absichten. Der wird dafür bezahlt! Oder lasst euch zur Abwechslung mal was Originelles einfallen. Oder lebt einfach still und leise in eurer Höhle vor euch hin und pflückt Beeren. Aber unterlasst es ab sofort, zahlende Konzertbesucher mit eurem Privatleben zu belästigen! Denn ansonsten steht zu befürchten, dass dieser Trend immer seltsamere Blüten treiben wird und Menschen demnächst Geburten, Scheidungen, Operationstermine und Umzüge von den Bühnen dieser Welt verkünden. Und das kann nicht mal der Rachegott gewollt haben!       

Redakteur:
Elke Huber

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