U.D.O.: Interview mit Udo Dirkschneider und Fitty Wienhold
27.08.2009 | 10:37Auf sage und schreibe zwölf Studioalben können U.D.O. mittlerweile zurückblicken. Und die jüngste Scheibe, das vor wenigen Tagen erschienene, sehr gelungene Album "Dominator", könnte die Band weiter nach oben bringen, wie der Titel "Album des Monats" im Soundcheck von POWERMETAL.de beweist. Im Rahmen des Bang Your Head-Festivals 2009 bot sich POWERMETAL.de die Möglichkeit eines Gesprächs mit Metal-Legende Udo Dirkschneider und mit Fitty Wienhold, seines Zeichens langjähriger Bassist von U.D.O. Erfahrt mehr über das Erfolgsrezept der Band, Udos Haltung zur "Wiederbelebung" von ACCEPT und und und... Viel Vergnügen!
Martin:
Hallo Udo! "Dominator" ist nun schon das zwölfte U.D.O.-Album. Würdest du bitte die neue Scheibe mal mit dem Vorgängeralbum "Mastercutor" vergleichen?
Udo:
Ich würde sagen, dass "Mastercutor" ein eher kompaktes Album war. Wir haben darauf viele Sachen ausprobiert, die man nun in ausgereifter Form auf "Dominator" findet. "Dominator" ist auch vom stilistischen Spektrum her wesentlich breiter gefächert als "Mastercutor". Ich glaube, dass "Mastercutor" für uns ein Album war, um viele Sachen auszuprobieren. Auch soundmäßig. Es gab auch moderne Arrangements. Und das findet sich nun in ausgereifter Form auf "Dominator" wieder.
Martin:
Eure EP "Infected", die vorab erscheint, enthält ja zwei Songs mit russischen Texten. Ist sie als Tribut an die zahlreichen russischen Fans gedacht?
Udo:
Ich finde, wenn man eine EP macht, dann sollten da auch Dinge drauf sein, die man in dieser Form noch nicht kennt. Tja...Russland – Tribut an Russland? U.D.O. sind in Russland ziemlich angesagt. Uns verbindet schon ziemlich viel mit Russland, aber "Infected" ist jetzt nicht als Tribut an die russischen Fans gedacht. Aber die Nummern kommen vielleicht in Russland als Bonustrack auf das Album, keine Ahnung.
Martin:
Das neue Album wird durch 'Whispers In The Dark' geschlossen, eine starken Halbballade mit E-Piano-Einsatz, die eine tolle Gesangsleistung von dir bietet. Seid ihr insbesondere durch positive Resonanzen auf das Stück 'One Lone Voice' vom letzten Studioalbum dazu gekommen, auch auf dem neuen Album eine Ballade zu platzieren?
Udo:
Nein, das kann man jetzt nicht so sagen, dass die Nummer deshalb platziert wurde, weil eine ähnliche Nummer auf dem letzten Album gut angekommen ist. 'Whispers In The Dark' wurde hauptsächlich von Fitty [Wienhold, Bassist – Anm. d. Verf.] komponiert und es war schön, diese Nummer zu machen. Es ist nicht so , dass wir uns hinsetzen und sagen: Wir müssen jetzt eine Nummer machen wie auf diesem oder jenem Album. Wenns kommt, kommts und wenn das Ganze in den Rahmen hineinpasst, dann machen wir das auch. Aber nicht bewusst so, dass wir das ganz gezielt machen. Das machen wir nie.
Martin:
Was hat euch denn bei 'Speed Demon' geritten?! Das Stück erinnert mich absolut an die Zeit von "Mean Machine" und "Timebomb".
Udo:
Tja...wie ich eben schon gesagt habe, was kommt, das kommt. Oder wie man so schön auf Kölsch sagt: "Wat kütt, dat kütt" (lacht). Da gab es keinen Plan vorher. Das kam einfach so und das Stück passte in den Rahmen des Albums. Und da geht es schon heftig zur Sache, das ist richtig. Aber das ganze Album "Dominator" ist auf der einen Seite härter als "Mastercutor", finde ich, hat aber trotzdem mehr Melodien. Wir spielen melodischere Sachen und es sind auch melodischere Gesangspassagen. Und trotzdem ist da eine gesunde Härte bei dem Album angesagt. "Mastercutor" war ein wichtiger Punkt, um da hinzukommen, wo wir jetzt sind.
Martin:
Ich persönlich ärgere mich oft darüber, dass Japan-Bonustracks den europäischen Fans im Prinzip nicht zugänglich sind und man einen teuren Import kaufen muss. Die Japan-Bonustracks werden ja zumeist von den Plattenfirmen eingefordert, da in Japan die CD-Preise höher sind. Wäre es nach zwölf Studioalben und diversen EPs nicht mal an der Zeit, eine Raritäten-Compilation von U.D.O. zu veröffentlichen, die solche Stücke enthält?
Udo:
Japan-Bonustracks haben wir ja schon einige verbraten. Auf einer DVD, glaube ich. Weil die Rechte an den Titeln nach einiger Zeit verfallen, haben wir sie da drauf gepackt. So ein Album mit Non-Album-Tracks könnte man schon mal machen. Aber wir haben ja auf der "Infected"-EP auch zwei Non-Album-Tracks drauf. Und ich finde die Songs eigentlich auch sehr gut und es ist schade, dass eigentlich nur 2.222 Leute die Songs hören [Die EP "Infected" ist auf lediglich 2.222 Einheiten limitiert – Anm. d. Verf.].
Martin:
Auf jeden Fall. Die Stücke hätten auch ohne weiteres auf "Dominator" platziert werden können.
Udo:
Wir werden sicherlich einen Weg mit unserer Plattenfirma AFM Records finden, um diese Nummern dann in irgendeiner Form auch der breiten Masse zugänglich machen.
Martin:
Wo siehst du dich denn mit U.D.O. heute im Jahr 2009 - gerade im Hinblick auf den kommerziellen Erfolg und die Wertschätzung der Fans und der Presse? Mal etwas provokant gefragt: Bist du mit U.D.O. möglicherweise auf dem Zenit deines Schaffens angelangt?
Udo:
Nein, das glaube ich noch nicht (lacht). Nee, nee. Da sind wir mit Sicherheit noch nicht. Da gibt es noch viele Sachen, die möglich sind. Sagen wir mal so: Wir befinden uns auf einem guten Weg. Aber "oben angekommen"? Das ist halt auch so eine Frage. Was heißt "oben ankommen"? Wenn man jetzt so große Festivals wie das Bang Your Head als Headliner spielt, dann könnte man sagen, dass man oben angekommen ist. Aber gibt es noch viel zu viele Sachen, die bei U.D.O. noch ausstehen.
Martin:
Deine früheren Bandkollegen aus ACCEPT-Zeiten, Peter Baltes und Wolf Hoffmann haben ACCEPT ja reformiert mit einem relativ unbekannten Sänger: Mark Tornillo von T.T. Quick.
Udo:
(zu Fitty gewandt) Hahaha....! Reformiert..! Haha, der ist ist gut!
Martin:
Wohl aus Business-technischen Gründen lassen die Herren das unter dem Namen ACCEPT laufen, was den Fans gegenüber nicht ehrlich ist. Ich denke, dass sie es verdammt schwer haben werden, mit U.D.O. konkurrieren zu können. Insbesondere mit eurem neuen Album "Dominator".
Udo:
Also die beiden haben mich und Stefan Kaufmann [U.D.O.-Gitarrist und früherer ACCEPT-Drummer - Anm. d. Verf.] gefragt, ob wir nicht eine Reunion machen wollen. Zunächst mich und dann Stefan Kaufmann. Da ist auch lange drüber gesprochen worden. Und dann haben ich und Stefan ihnen gesagt, dass eine Reunion wenn (überhaupt), dann nur unter bestimmten Umständen passieren könnte. Und diese Umstände haben ihnen nicht ganz gefallen, wollen wir es mal so ausdrücken. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mir das Risiko zu hoch war, da eine Reunion zu machen. Denn U.D.O. ist ausreichend eigenständig, um ohne den Namen ACCEPT auszukommen. Wir spielen sowieso ACCEPT-Sachen. Das Risiko, U.D.O. jetzt deswegen sterben zu lassen, um vielleicht noch ein Studioalbum mit ACCEPT aufzunehmen und eine Tour durchzuführen, um dann festzustellen, dass das wieder nicht funktioniert... Da habe ich nein gesagt. Ich muss auch sagen, dass die sich da – so wie du so schön sagst "reformiert" haben – cooles Wort übrigens, hervorragend (lacht), das hat uns auch überrascht. Da haben wir nicht mit gerechnet. Wir dachten: "Hä, was kommt da jetzt?". Und ich sag mal ganz ehrlich – ich meine das jetzt wirklich nicht ironisch: Ich wünsche ihnen viel Glück. Ich hoffe, sie tun das Richtige. Alt genug sind sie ja.
Martin:
Empfindest du diese "Wiederbelebung" von ACCEPT jetzt nicht als eine Art "Nestbeschmutzung", dass diese beiden früheren Bandmitglieder mit einem anderen Sänger ACCEPT wieder laufen lassen? Und dass sie glauben, damit erfolgreich sein zu können?
Udo:
Was heißt denn beschmutzen? Erstens kann ich es nicht verhindern. Zweitens – was ich eben schon gesagt habe: sie sind alt genug. Ich hoffe, dass sie wissen, was sie tun.
Fitty:
Du darfst auch nicht vergessen: Eine Band wird immer am Sänger gemessen! Nimm JUDAS PRIEST. Oder IRON MAIDEN. Egal, wen du da nimmst . Da kannst du machen, was du willst, wenn du den Original-Sänger nicht hast. Der Sänger kann gut sein und alles gut machen. Es sind sicherlich auch gute Musiker. Aber es ist wohl nicht das, was du erwartest.
Das hat bei anderen Bands nicht funktioniert und wird auch in der Zukunft nicht funktionieren. Sie haben das Recht am Namen ACCEPT und das können sie ausschlachten, bis es nicht mehr geht. Das ist ja auch legitim. Nur, ob das funktioniert, das zeigt sich dann draußen.
Martin:
Ihr habt zum neuen Stück 'Black Or White' am 17.06.2009 einen Videoclip gedreht. Was kannst du mir über die filmische Umsetzung...(Fitty und besonders Udo brechen in heftiges Lachen aus) ...des Clips sagen?
Udo:
Dazu werde ich jetzt nichts verraten und auch nichts dazu sagen. Das wird sehr interessant sein (lacht). Ich kann nur folgendes dazu sagen: Damit wird kein Mensch rechnen. In dieser Form wird es das erste Mal bei U.D.O. vollkommen anders sein.
Fitty:
Da werden alle sagen: Hä?
Udo:
Damit werden viele Leute Spaß haben (lacht noch immer).
Martin:
Udo, du hast ja vor einigen Jahren das Rauchen aufgegeben. Ist dir das schwer gefallen oder bist du mal rückfällig geworden?
Udo:
Nein, überhaupt nicht. Ich habe da überhaupt keine Probleme gehabt, gottseidank. Es sind jetzt knapp fünf Jahre, dass ich das Rauchen aufgegeben habe. Keine Probleme..toi, toi, toi. Ich habe aufgehört und Feierabend.
Martin:
Glückwunsch! Du bist ja als Musiker schon fast 40 Jahre aktiv. Zumindest 35 Jahre. Hast du eigentlich, bevor du Berufsmusiker wurdest, einen Ausbildungsberuf erlernt? Welcher Beruf war das?
Udo:
Ich habe zwei Berufe erlernt: Wasserinstallateur und Werkzeugmacher. Werkzeugmacher deshalb, weil meine Eltern eine Firma haben, die Werkzeuge herstellen. Und dort habe ich die Lehre gemacht. Wenn ich nicht Musiker geworden wäre, dann hätte ich wahrscheinlich die Firma übernommen. Mein Bruder hat dann die Firma übernommen.
Martin:
Was ist es denn für ein Gefühl für dich - wie gestern hier auf dem Bang Your Head - vor 20.000 Menschen zu stehen, die beispielsweise jede Zeile von 'Princess Of The Dawn' mitsingen? Bewegt dich das heute noch so, wie beispielsweise in den Achtzigern, als du mit ACCEPT erstmals auf großen Bühnen aufgetreten bist oder ist das heute mehr oder weniger für dich so etwas wie eine Art "Routine"?
Udo:
Das bewegt eigentlich noch mehr als damals. Wenn man sieht, dass man Lieder geschaffen hat, die so etwas auslösen können, da kriegt man schon eine Gänsehaut. Das ist heute immer noch so. Manche Stücke sind ja schon so alt, da waren ja einige Leute noch gar nicht geboren! Man muss diese Stücke nicht mehr proben. Du könntest uns nachts um vier Uhr wecken und wir spielen dir das Stück. Auf der Bühne ist das aber immer wieder toll. Mehr kann man dazu auch nicht sagen.
Fitty:
Es gibt ja auch Bands, die spielen ihre Klassiker routinemäßig herunter. Und wundern sich dann, dass sie keine Reaktion auf eben dieses Klassiker-Stück hin bekommen. Bei uns ist es so - ich spiele die Stücke jetzt ja auch schon 13 Jahre - dass wir von Nummern wie 'Man Or Machine' oder 'Holy' und viele mehr noch immer so begeistert sind, dass wir sie mit so einer Intensität spielen. Wenn wir da raus gehen auf die Bühne, da kommt etwas vom Publikum zurück. Das ist wie so ein Tennis-Match. Und jeder will den Matchball hauen. Von Routine ist da keine Spur.
Udo:
Ja, das kann man so sagen.
Martin:
Was sagt ihr denn zu der Ankündigung der GEMA, die die Gebühren für Livekonzerte um sage und schreibe 600 % bis zum Jahr 2014 anheben möchte?
Udo:
Ja, ich glaube, die haben den Schuss nicht gehört. Sie werden damit noch mehr kaputt machen im Live-Sektor. Es gibt auch eine Unterschriften-Aktion gegen die Erhöhung der GEMA-Gebühren, die wir unterstützen. Die Sache wird auch als Petition in den Bundestag gehen. Also die GEMA wird damit ganz viel zerstören, wenn sie damit durchkommt.
Fitty:
Ich verstehe eines nicht. Wir sind ja auch aus der Generation. Warum lernt man nicht aus den Fehlern, die man in der Vergangenheit gemacht hat? Warum werden daraus keine Lehren gezogen? Als seinerzeit das Internet aufkam, haben wir alle gesagt: kein Internet! Da haben alle pikiert reagiert, um die Künstler zu schützen. Wegen der Piraterie und so weiter. Da könnte man doch jetzt mal sagen: Ja, wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht. Wir denken erst einmal nach. Man könnte sich doch jetzt in einer großen Runde zusammensetzen mit alteingesessenen Künstlern, Musikern und Produzenten, um zu überlegen, was man nun tun kann. Aber da wird gesagt: Das wird jetzt so gemacht!
Martin:
Udo und Fitty, wir sind leider am Ende des Interviews angelangt. Möchtet ihr noch eine kleine Message an die U.D.O.-Fans und die Leser von POWERMETAL.de richten?
Udo:
Ja, ich hoffe, dass euch das neue U.D.O.-Album gefällt und dass wir uns auf Tour sehen.
Martin:
Herzlichen Dank für dieses Interview an euch beide.
Udo:
Kein Problem.
- Redakteur:
- Martin Loga