Vorbericht M'era Luna 2016

05.08.2016 | 14:34

Der Flugplatz Hildesheim lädt erneut zur großen schwarz-düsteren Party

Nun schon zum 17. Mal findet das große Zusammentreffen der schwarz-gotischen Szene im nordischen Hildesheim statt. Am nächsten Wochenende werden, ob bei Sonne oder Regen, die Freunde gepflegt-düsterer Musik zu Größen wie DIE KRUPPS, COMBICHRIST, LACRIMOSA oder SISTERS OF MERCY feiern können. Aber nicht nur harte und melancholische Klänge werden über den Flugplatz hinweg ziehen, sondern mit APOCALYPTICA, IN EXTREMO, FAUN und LETZTE INSTANZ sind hochkarätige Vertreter für allerlei mittelalterliche und metallische Unterhaltung anwesend.
Doch schauen wir uns das Ereignis einmal etwas genauer an. Die Anreise ist ab Freitag um 13 Uhr möglich. Das Auto wird auf einem eigenen Platz abgestellt, so dass ihr euer Gepäck ein kleines Stückchen hin zum eigentlichen Campingplatz tragen müsst. Dort angekommen könnt ihr dann euer kleines Zeltlager aufbauen. Lest dazu am besten in den Infos des Veranstalters nach, welche Richtlinien für das Mitbringen von z.B. Pavillions und Aggregaten vorgesehen sind.
Am Abend schon könnt ihr euch dann von eurem Zelt auf den nicht allzu weiten Weg zum eigentlichen Festivalgelände machen, um auf der Disko Hangar-Bühne der Lesung von MARK HEITZ ("Die Zwerge") beizuwohnen. Der studierte Germanist und Historiker liest aus seinem Fantasy-Epos "Wedora-Staub & Blut".  
Direkt im Anschluss liest ab 20:40 Uhr LUCI VAN ORG aus ihrem aktuellen Buch "Schneewittchen und die Kunst des Tötens", sowie einige Passagen aus ihrem im Frühjahr 2017 erscheinenden Buch "Hausbuch der nordischen Sagen". Bei dieser Lesung kommen alle Oktaven ihrer grandiosen Stimme zum vollen Einsatz, inkusiver Gesangseinlagen. Spaß ist also vorprogrammiert.
Mehr Spaß und Texte gibt es dann von CHRISTIAN VON ASTER ab 21:25 Uhr. Ausziehen und Singen kostet extra. Ich kann leider nicht sagen, ob sich der finanzielle Mehraufwand lohnt. Also geht hin, und entscheidet selbst vor Ort. Oder lest unsere Bewertung nachher in unserem Festivalbericht.

Am Samstag und Sonntag wechseln sich die Bands auf den beiden Bühnen, Main Stage und Disko Hangar, ab. Es sieht allerdings auf der Homepage so aus, als wären minimale Überschneidungen zu erwarten. Am besten schaut ihr nochmal auf die Infos vor Ort.
Bereits um 11 Uhr am Samstag gibt es das rundum-sorglos-voll-auf-die-Ohren-wach-werde-Paket mit SHAARGHOT. Die Franzosen sind an indutrieller Härte und Kompromisslosigkeit kaum zu überbieten und Fans von COMBICHRIST, ZEROMANCER oder PSYCLON NINE werden hier ihre wahre Freude haben. Also raus aus dem Schlafsack, Gasmaske an und ab zur Party.
Da VLAD IN TEARS schon um 11:20 Uhr anfängt, werde ich dort wohl den Anfang verpassen. Denn auch, wenn sich die Band weiter in die metallische Richtung entwickelt hat und die Gothic-Zeiten eher der Vergangenheit angehören, erreichen sie eindeutig nicht das Zerstörungspotential, das ich an einem Samstag Morgen gerne hätte. Also steht hier gemütliches Rüberschlendern an, um dann ebenso gemütlich den sexy Berlinern aus einiger Entfernung auf der Bühne zuzuschauen. Vielleicht kombiniert mit einem Crepes zum Frühstück?
Auch beim Rückweg werde ich nicht unbedingt rennen müssen: ERDLING ist eher was für die Generation nach mir. Poppige Rhythmen für die heutigen jungen Fans von EISBRECHER, RAMMSTEIN, CHRIS POHL und SONIC SYNDICATE. Die Jungs sollten mit ihren Clubhits aber zumindest restlos all die Langschläfer aus ihren Kojen locken können, denn Spaß macht die Musik auf jeden Fall.
A LIFE DIVIDED ist die Art Kuschel-Rock, die ich seit den 90ern mit BON JOVI kennen und mit SUNRISE AVENUE lieben gelernt habe. Seichte Musik, seichte Gefühle, seichte Melodien. Ein bisschen elektronische Elemente, aber nur ganz verhalten. Wenn auch nicht zum Tanzen groß geeignet, ist die stimmliche Leistung des Sängers es allemal wert, um 12:10 Uhr an der Hangar Stage zu stehen.
Kann es sein, dass ich GOTHMINISTER 2004 als Vorband von LACRIMOSA gesehen habe? Ich kann mich nicht mehr ganz erinnern, aber wie dem auch sein, ich werde die Combo aus Norwegen nun auf dem M'era Luna live sehen. Stromgitarren und ein schnelles Schlagzeug sorgen für gute Tanzlaune und werden Fans von DEATHSTARS und TIAMAT glücklich machen.
Wieder etwas poppiger geht es mit CHROM um 13:15 Uhr weiter. Das Duo ist bekannt als Garant für hochkarätigen Tanzspaß zu Synthie-Pop mit EBM-Einlagen. Das dürfte nun vor allem die stomp-freudigen Anzugträger zu einem ersten, leichten Aufwärmtraining bewegen.
Nicht so STAHLMANN. Die Gothic-Rock-Formation hat ein völlig anderes Zielpublikum, eines das eher jünger sein dürfte und vielleicht auch mal die Haare kreisen lassen würde. Meine Chance, das Projekt auf dem 2015er Amphi-Festival zu sehen, habe ich grandios verschlafen. Nun, die diesjährige Chance werde ich wohl besser nutzen.
Aber pünktlich um 14:20 Uhr werde ich mit geputzter Tanzhose und geschnürten Turnschuhen bei NOISUF-X stehen. Die erste sportliche Herausfordeung des Tages und das zur Mittagssonne. Frei nach dem Motto "Deutschland braucht Bewegung" sollten hier alle "antanzen", die bei schnellen Cyber-Industrial-Rhythmen nicht still sitzen können. Jenseits von 190 bpm fängt das Cardiotraining ja erst an.
Da muss sich LACRIMAS PROFUNDERE vielleicht ein bisschen gedulden, bis ich da eingetrudelt bin. Auch wenn dieser gothisch-rockige Mix mich seit Jahren unglaublich fasziniert und ich schon zu meiner Jugend ein großer Fan war, fällt es mir sehr schwer, mich zwischen den beiden Acts zu entscheiden.
Nur wird es sehr punkig. CASSANDRA COMPLEX bringt frischen Wind in das doch recht einheitliche Line-up. Wer also aus dem gleichförmigen Trott mal ausbrechen möchte und die 80er Jahre wieder erleben möchte, ist hier genau richtig. Ein bisschen Batcave ist neben dem Electropunk auch drin und bietet Ringelsöckchentanzspaß der besonderen Art.      
Um 15:50 Uhr wird OOMPH! das tun, was OOMPH! immer tut: die Bühne rocken, bis kein Stein mehr auf dem anderen steht. Weder mehr, noch weniger.
HÄMATOM ist ebenfalls dafür bekannt, dass Deutsch rockt. Wer also beim vorherigen Act Spaß hatte, sollte sich nun beeilen, zur anderen Bühne zu rennen. Ein bisschen ausgefallener und interaktiver wird es jedoch werden. Irgendwann hab ich die Jungs mal nachts im Zelt auf dem Wacken Open Air gesehen und fühlte mich zumindest gut unterhalten.
Nun kann man sich getrost wieder etwas mehr ausruhen. DIARY OF DREAMS ist ruhiger Gothic-Rock mit leichten Elektro-Einlagen und sowohl für zarte Tanzeinlagen als auch zum stillen Genießen geeignet.
Für noch zärtere Tanzeinlagen und noch stilleres Genießen folgt um 17:40 Uhr DIORAMA.
Dann folgt der Act, den ich in dem Kontext eines Gothic-Festivals gar nicht einordnen kann: APOCALYPTICA. Ich habe die Finnen schon unzählige Male gesehen: Auf Solo-Tour, als Headliner oder von 2-3 Uhr nachts auf Metal-Festivals und auch als Vorband von anderen Bands. Die Sets waren jedes Mal so unterschiedlich wie Tag und Nacht und mal war ich begeistert und mal gelangweilt, mal hin und weg und mal bin ich auch einfach nur weg. Ich werde mich überraschen lassen.
SITD. Muss ich mehr sagen? Genial. Schon immer. Jedesmal. Gänsehaut. Grandios. Punkt.
Danach betritt dann LACRIMOSA um 19:30 Uhr die Bühne. Ich fürchte, dass die Lieder, wegen denen ich die schweizer Band verehrt habe, live nicht mehr gespielt werden. Unvergesslich, wie ich auf einem Konzert 'Das Schweigen' erleben durfte. Aber das ist sehr lange her. Heute klingt alles etwas moderner. Aber vielleicht sollte ich mich auch hier überraschen lassen.
DIE KRUPPS und VNV NATION garantieren erstklassige Tanzmöglichkeiten mit Gänsehaut-Garantie und unvergesslichen Konzerterlebnissen. Taschentücher sollten mitgebracht werden. Ich spreche aus Erfahrung. Und es gibt nur eine Person, mit der ich 'Illusion' zusammen live sehen möchte und werde. Letztes Jahr haben wir das zweimal zusammen hinbekommen. Nun folgt Nummer drei. Ihr alle solltet das nicht verpassen.
Und da soviel Herzschmerz auf Dauer nicht gut ist, sorgt der mexikanische Act HOCICO für harte Abwechslung. Industrial, der alles zerstört, was sich ihm in den Weg stellt.
Um 22:45 Uhr betritt dann als letzte Band für den Samstag THE SISTERS OF MERCY die Bühne. Ihr fragt euch "Wer"? Äh, ich glaube ihr lest gerade den falschen Artikel. Zum Headbangers Open Air-Vorbericht geht es da lang.

Am Sonntag startet es dann um 11 Uhr gemütlich mit ESSENCE OF MIND. Ein fröhlicher, elektronischer Mix, zu dem es mal wieder noch kein Frühstücks-Crepes für mich geben wird. Denn die Jungs aus Norwegen machen einen ebenso grandiosen Wach-mach-Job wie tags zuvor die netten Herren aus Frankreich. Und so muss ich erstmal zu dieser Kombination aus Elektro, Drum'n'Bass und DubStep tanzen. Wer hier still stehen bleiben kann, hat noch die Ohropax von letzter Nacht drin.  
Mit ME THE TIGER kommt nun eine Band auf die Bühne, zu der still stehen ebenfalls nicht gut möglich ist. Sei es die gut aussehende Sängerin mit der unfassbar süßen Stimme, oder diese verträumten Beats, die mich auf eine andere Wolke entführen, aber hier stimmt einfach alles. Also raus aus euren Zelten und ab vor die Bühne.
AEVERIUM liegt irgendwo zwischen SONIC SYNDICATE, EVANESCENCE und alten NIGHTWISH-Sachen. Ein bisschen härter und unterteilt in "Frau singt hoch und lieblich" und "Mann singt tief und böse". Das Konzept funktioniert ganz gut, auch wenn ich da irgendwie immer noch lieber alte THEATRE OF TRAGEDY-Sachen höre. Aber live sieht das sehr vielversprechend aus. Ich bin dabei. Und ihr so?
Nachdem tags zuvor schon HOCICO gespielt hat, ist nun RABIA SORDA dran. Das punkige Side-Projekt ist ebenso tanzbar und sollte auf keinen Fall verpasst werden. Immer wieder super.
AGENT SIDE GRINDER ist eher wieder etwas ruhiger und weniger zum Tanzen als zum Hören gedacht. Die Schweden schaffen es auch nach über zehn Jahren Bandgeschichte noch gute Lieder zu schreiben, gespickt mit Punk, Wave und Industrial-Elementen, wenn auch alles nur äußerst dezent eingesetzt wird.
Danach folgt HELDMASCHINE. Deutschrock zum Mitsingen. Wahlweise kann man aber auch rüber zu den Mittelalter-Rockern von LETZTE INSTANZ gehen, die mit ihrer etwas härteren, eigenständigen Interpretation der Szene die Bretter zum Wackeln bringen dürften.
Und dann kommt die für mich ungünstigste Überschneidung des Festivals überhaupt. CENTHRON und COMBICHRST. Für mich ist jetzt schon klar, wer gewinnt. Auch wenn mich CENTHRON in der Disko auf jede Tanzfläche zieht und ich quasi alle Lieder mitsingen und tanzen kann und das Live-Quartett immer enorm viel Spaß macht, bei der Schlacht gewinnt Andy LaPlague um Längen. Es gibt kaum eine Band, die so gute, vielseitige, kompromisslose Musik im Industrial macht und sich dabei auch Seitenblicke auf den Punk, Rockabilly, DubStep, Drum'n'Bass und Metal erlauben kann, wie die Jungs aus Norwegen. Ja, und wer den netten jungen Mann einmal "oben ohne" vor sich auf der Bühne sieht, kann eh nicht anders, als hinschauen. Gerade erst in Frankfurt gesehen, nun in Hildesheim. Ein absolutes Muss und mein persönliches Highlight, an welchem mich auch kein Crepes der Welt hindern wird.
Sowohl BEBORN BETON als auch SPOCK sind leichter, fröhlicher Synthie Pop für fröhlichen Nachmittagstanz und Kaffee. Wer DEPECHE MODE mag, wird auch hier voll auf seine Kosten kommen. Unterbrochen wird das Ganze nur kurz von FAUN, die einen ebenso fröhlichen und harmlosen Mittelalter-Sound präsentieren, zu dem man ordntlich Ringelpiez mit Rumhüpfen zelebrieren kann.
THE LORD OF THE LOST ENSEMBLE. Ich fürchte, hier gibt es nachher weder Text noch Bilder im Bericht, weil meine liebe Fotografin und ich einzig mit Schmachten beschäftigt sein werden. Verdient haben es die Hamburger allemal. Die Alben haben von uns Höchstpunkte bekommen, auf der Tanzfläche verhalten wir uns wie zwei kreischende Teenies und bevor wir da jemanden interviewen könnten, fallen wir in Ohnmacht. Ja, so sieht professioneller Journalismus halt aus. Ihr müsst wohl selber zum Auftritt hin und euch überzeugen.
ZEROMANCER ist eine große Überraschung für mich. Seit Jahren hab ich nichts mehr von meinem Jugendschwarm gehört und schwups: Da tauchen die Norweger auf dem Line-up auf. Die Vorfreude ist groß. Die Erwartungen auch.
Die NDH-Größe EISBRECHER muss ich wohl keinem mehr vorstellen. Hingehen, ansehen und mitreißen lassen.
Bei SUICIDE COMMANDO jedoch ist die fröhliche Stimmung und das Schmachten der vorangegangenen Bands wieder vorbei. Tanzen lautet hier das Motto. Bei Songs wie 'Bind, Torture, Kill' kommen jetzt auch nicht so die Kuschelgefühle auf. Hart, härter, Hellelectro.    
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich bei IN EXTREMO auf dem Stand von 2003 bin. Bis dahin fand ich alles super. 'Küss mich' fand ich zu poppig, und so habe ich mich fortan abgewendet. Nun werde ich für euch vor Ort live berichten, wie die Urgesteine des Mittelalter-Rocks sich in der letzten Dekade so geschlagen haben.
Zum Abschluss des diesjährigen M'era Luna Festivals wird es nun ruhig und besinnlich. Nach den sanften Klängen von IAMX beschließt WITHIN TEMPTATION mit einer grandiosen Show das diesjährige Festival. Metal und Gothic-Rock kombiniert mit kraftvollem Gesang katapultierten die Niederländer an die Spitze des melodischen Bombast-Opern-Metal. Ein würdiger Endgegner für ein großartiges Line-up.

Redakteur:
Yvonne Heines

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