Wir, die Szene: Das Dresdner Original Enrico "Enni" Haagen

03.12.2019 | 23:19

Er fällt auf durch eine sympathische Offenheit und Direktheit, durch sprachliche Eleganz und ein enormes Fachwissen, durch Erlebnisse in Jahrzehnten an der Musiker- und Veranstalterfront. Enrico "Enni" Haagen, ein Urgestein der Dresdner Metal-Szene hat sich Zeit genommen und unsere Fragen in seiner ausführlichen Art beantwortet. Wenn die Szene von solchen Leuten lebt, dann lebt sie richtig: "Vielleicht sagt man später mal 'Er hat sie alle vereint!' Das wäre doch was für einen Nachruf, aber keine Sorge, ich lasse mir Zeit."

Hallo Enrico, wie geht es dir? Was machst du eigentlich, wenn du dich nicht mit Musik beschäftigst, um nicht kahlkühl zu sagen "beruflich"?

Um es salopp zu sagen; momentan alles und nichts. Ich bin EU-Rentner aufgrund einer Abfolge von Krankheiten. Ein Herzinfarkt und ein Unfall mit Schulter- und Schädelverletzung (alles 2014) haben Einschränkungen meiner Leistungsfähigkeit und Teilamnesie hervorgerufen. Daraus erwuchsen massive Depressionen und ich bekomme diese trotz Medikamenten nicht in den Griff. Der SkullCrusher, meine Familie, gute Freunde und das gewaltige Netzwerk, welches in den Jahren gewachsen ist, erhalten mich aber am Leben und geben mir noch immer das Gefühl, gebraucht zu werden. Nebenbei schreibe ich an einem Buch mit Anekdoten aus meinem Leben. Das alles hilft mir gerade mehr als Tabletten und mehrwöchige Aufenthalte in Reha-Einrichtungen, obwohl in Kürze erneut ein längerer Klinikbesuch bevorsteht.

Mein erlernter Beruf ist Baufacharbeiter, ich habe aber auch als Logistiker gejobt, eine Weile in einem Kulturbüro gearbeitet und war sogar mal Leiter in einem Buchverlag, in welchem u.a. der Bildband von Paul Speckmann (MASTER u.a.), unter meiner Mitarbeit, entstanden ist. Dann kam der Infarkt... Aber dank SkullCrusher habe ich eigentlich mehr als genug zu tun. Sind ja nicht nur die Konzerte als solches, sondern auch die Kalkulationen dafür, die Pressearbeit, die Werbung, die Planung für Monate im Voraus usw. Das passt schon.

Da musstest du ja schon einiges wegstecken. Wann hat dich denn das Fieber gepackt, in die Rockmusik und damit irgendwann in die Metalszene einzutauchen?

Oh, ich glaube das war schon sehr zeitig und daraus wurde ein klassischer Weg wie ihn vermutlich Viele in meinem Alter beschritten haben. Ich bin ca. im 11. Lebensjahr (geb. 1965) auf die Rockmusik gekommen. Die ROLLING STONES (da bin ich heute noch großer Sammler) ebneten da den Weg über einen Onkel, welcher mich mit den entsprechenden Platten aus dem Westen versorgte. Dazu gesellten sich schnell die Bands der Glitter Ära, also SLADE, SWEET, T-REX usw. und mit 13 entdeckte ich dann LED ZEPPELIN und DEEP PURPLE für mich.

Die Initialzündung zum Heavy Metal gab es dann, als ich mit 16 nach Berlin getrampt bin. Dort lief bei einem Bekannten die "Live At Last" von BLACK SABBATH, danach war nichts mehr wie vorher. Dank Platten-Tauschringen und Tapetrading ging dann alles sehr schnell und so bekam ich auch rasant Einblick in alle damals entstehenden Sparten des Heavy Metal, welche ich heute noch unter dem großen Sammelbegriff vereine. Ich denke also nicht in Sparten wie Black- oder Thrash Metal, sondern ordne sie nur zu, um sie zu erklären.

Das macht Sinn und zeigt ja auch die Vielfalt. Was bedeutet denn für dich überhaupt (Metal)-Szene?

Szene ist für mich immer gleichbedeutend mit Vernetzung und die Metalszene war da zu ihren Anfangstagen sehr wegweisend. Ich kenne aber solche Strukturen schon aus der damaligen Blues- und Rockszene der DDR und erlebte solche Dinge auch später im Punk- und Gothic-Bereich. Global gesehen führt aber die Metalszene dort um Längen. Völkerverständigung unter dem, für Außenstehende, Begriff "Lärm". Das war und ist mein Credo seit Jahrzehnten. Es ist meine zweite Familie. Ich könnte und will nicht ohne diese Szene sein.

Das ist ein Statement. Und um ins Detail abzurutschen: Was zeichnet die Szene des Dresdner Umlands und der Stadt eigentlich besonders aus? Was ist bedenklich, was hervorstechend?

Da sprichst du einen wunden Punkt an. Die "Dresdner Szene" zeichnet sich nicht sonderlich aus, im Gegenteil, sie rostet ein, auch wenn sich auf den ersten Blick viel zu bewegen scheint. Die Stadt Dresden hat z.B. mindestens fünf Vereine, welche sich mit Heavy Metal befassen und die Szene überdehnt sich so. Statt vorhandene Strukturen zu stärken und zu nutzen, kann man beobachten wie sich die anfänglichen Fehler z.B. unseres Vereins (SkullCrusher Heavy Metal Dresden e.V., seit 1999 bestehend) bei den anderen wiederholen. In heutiger Zeit noch das "5 (regionale) Bands = 5,- Euro Eintritt"-Prinzip zu veranstalten, ist eher schädlich für aufstrebende Bands und die Protagonisten drumherum. Es ist ein Ausbeutungsprinzip, bei welchem meistens die Musiker und Tontechniker draufzahlen, auch wenn der Veranstalter dabei nichts verdient.

Dass solche Veranstalter dann meistens auch keine GEMA oder Steuern abführen, kommt unlauterem Wettbewerb gleich und hat mit "true Underground" nicht wirklich viel zu tun. Das Umland denkt da globaler und auch internationaler. Da werden Bands mit bekannteren Namen gebucht und dann so die regionalen Bands ins (Bühnen-)Licht gehoben und eben auch vernünftig bezahlt. Das "Hellfest Meißen" z.B. agiert so und auch das schon traditionelle "Break The Silence". Mit solchen Leuten arbeiten wir sehr gern zusammen, bieten auf deren Anfrage Hilfe in Logistik und Technik an und besuchen deren Aktivitäten dann auch in großer Zahl. Andersherum besuchen diese Leute uns natürlich auch und da sind wir wieder bei der "Familie". DAS sollte man versuchen zu erhalten, nicht zu ignorieren.

Enrico Haagen

Ein gut gewobenes Netzwerk, ganz klassisch auf Vertrauen und auf der Faszination DIY begründet, scheint es. Du bist ja undiskutiert ein Hauptprotagonist in Dresden. Was tust du genau?

Puh?! Als "Hauptprotagonist" sehe ich mich noch immer nicht, auch wenn ich vielleicht von außen so gesehen werde. Ich sehe mich eher als Multiplikator. Die Zusammenarbeit mit dem SkullCrusher Dresden enstand ja anfangs durch meine Kontakte zu bekannteren Bands, welche ich in ihren Entwicklungsphasen noch als Schreiberling beim G.U.C.-Zine kennenlernte. Diese Kontakte habe ich dann in eben diesen, bereits funktionierenden Verein getragen und so hat man sich gegenseitig befruchtet. Der SkullCrusher bekam größere Namen als Zugpferde für besser besuchte Konzerte, ich konnte endlich selber "veranstalten" und viele Freunde und Musiker unter diesem Dach vereinen.

Mitglied im SkullCrusher bin ich dann erst knapp zwei Jahre später geworden. Ich bin also keinesfalls der Erfinder oder Gründer dieses Vereins, verdanke aber die so kommenden Entwicklungen all den Jungs und Mädels da, welche noch heute mit mir diesen Traum leben. Der nächste Schritt kam dann mit der Gründung der losen Vereinigung "B East bastards", unter deren Dach sich sehr viele Netzwerker der ostdeutschen Szene wiederfinden, welche mit ähnlich identischer Hingabe ihre Konzerte durchziehen. Zum Beispiel die Chronical Moshers, das Protzen Open Air, Brutz & Brakel sind unter diesem Oberbegriff vereint, aber auch die Freundschaften zum Way Of Darkness und dem Primus der Szene, dem Party.San, sind so entstanden. Vielleicht sagt man später mal "Er hat sie alle vereint!" Das wäre doch was für einen Nachruf, aber keine Sorge, ich lasse mir Zeit.

Das freut mich sehr. Und dann biste auch noch kürzlich Opa geworden! Glückwunsch! Was ändert sich jetzt für dich? Wirst du ruhiger? Entspannter? Angespannter?

Ja, und das neulich noch während eines Konzertes im SkullCrusher, da gab's natürlich auch am frühen Morgen noch Freibier für einen Teil der Musiker. Danke für die Glückwünsche. Im Grunde wünsche ich mir schon seit vielen Jahren ein Enkelkind, aber nun wo es da ist, bin ich natürlich etwas aufgeregter als normal. Ich freue mich riesig für meine Tochter und den Schwiegerstrolch, aber auch für meine liebe Lebensgefährtin, welche mit mir nun schon 37 Jahre durch "dick und dünn" geht und mein Hobby toleriert und unterstützt, obwohl sich musikalisch, außer bei den alten Blues- und Rocknummern keine Parallelen finden lassen. In Erinnerung, dass ich auch als Vater etwas "untypisch" war, sich alles aber positiv auf den Werdegang meiner Tochter ausgewirkt hat, sehe ich keinen Grund ruhiger werden zu müssen. Ich könnte es auch nicht.

Schwiegerstrolch gefällt mir! Familie und Kinder bedeuten dir also sehr, sehr viel in deinem Leben. Das von euch durchgeführte Festival "Metal für krebskranke Kinder" hat ja einen sehr ernsten Hintergrund. Wie kam es denn zu diesem Arrangement und Engagement?

2004 veranstaltete die Allstar-Metal-Band DIE PATEN mit Musikern von u.a. DISBELIEF und CREMATORY das Konzert "Metal gegen Krebs" in den alten Bundesländern, was Peter Schulz von SADISTIC BRAINSLAUGHTER und Power Rocker Records inspirierte, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Der damalige Vorstand des Dresdner SkullCrusher e.V. war davon leicht zu überzeugen, ein regionaler Empfänger für die Spenden schnell ermittelt, und das BENEFIZ METAL-FESTIVAL DRESDEN startete 2005 in seine erste Runde.

MFKK

Dort lernte ich, damals noch als Gast, erstmalig die Leute vom SkullCrusher kennen, bot meine Hilfe an und ab dem 2. Festival übernahm ich dann die Sponsorensuche, Werbung und einen Teil der Pressearbeit. Wir belohnten uns dann quasi selbst, via erstmals ausverkauftem Haus und versprachen uns weiter zu machen. Leider ließ Peter es dann an Professionalität fehlen und sein Konsum an weniger legalen Drogen spielte uns allen Streiche. Inzwischen ist Peter leider verstorben, die Querelen vergessen und das Booking komplett in den Händen von mir und ich setzte ab Festival Nummer drei schon auf internationale Kontakte. Wir danken Peter trotzdem sehr für diese Idee, und irgendwie lebt er ja dadurch auch weiter.

Vom ersten Festival 2005 bis 2015 ging das Geld stabil an den Sonnenstrahl e.V., und es kamen da schon ordentliche fünfstellige Summen zusammen. Der Überschuss von 2016 (3.000,- Euro) wurde dann erstmalig gesplittet, und so ging dieser Betrag je zur Hälfte an den Sonnenstrahl e.V. und ein hiesiges Kinderhospiz. Die Anregung mit dem Kinderhospiz haben wir durch unsere Vize-Präsidentin Peggy, welche schon seit einiger Zeit zu einem in Dresden Kontakt hat. Schöner Zufall, dass es da zu unseren Freunden vom Party.San Open Air, dessen Partner wir seit vielen Jahren sind, Parallelen gibt. In Zukunft werden wir vermutlich einige Jahre nur dieses Hospiz unterstützen. Das ist der Tatsache geschuldet, dass unsere Initiative bezüglich Sonnenstrahl e.V. inzwischen eine Eigendynamik entwickelt hat und somit viele Veranstaltungen im Umfeld unseres Treibens eigene Spendenaktionen für diesen Verein ins Leben gerufen haben. Zeit, sich neuen Aufgaben zu stellen. Ein Metal-Festival zugunsten von kranken Kindern soll es aber, vom Namen her, auch in Zukunft bleiben.

Wie hat sich das Konzertwesen in deiner Wahrnehmung über die Jahrzehnte hinweg geändert?

Sehr vieles hat sich verändert. Ins Auge stechen zuerst die massiven Erhöhungen bei den Eintrittspreisen für die großen Bands der Szene. Da geht es um viel Geld und nur ein Bruchteil fließt dort in die Produktion, sondern in die Taschen von Agenturen und Mittelsmännern. Diese Spirale wird sich so lange weiter drehen, wie wir bereit sind für Tickets 100 Euro und mehr auszugeben. Im gleichen Atemzug sind immer weniger Fans bereit 15 - 20,- € für ein hochwertiges, internationales Billing auszugeben. Das ist aber die Sparte, in welcher wir uns bewegen und die Headliner von morgen entstehen. Es ist heute schlicht nicht möglich ein Paket wie z.B. GOD DETRHONED, HYPNOS, ATOMWINTER und MUSICAL MASSACRE für 10,- € Abendkasse anzubieten, die Bands würdig (und das meine ich genau so!) zu bezahlen, mit einem ordentlichen Ton und Backline auszustatten, zu versorgen und nach der Show in einer wertigen Pension zu parken.

Auch spielen die modernen Hörgewohnheiten der Konzertbesucher eine große Rolle. Im Vergleich zu diesen modernen Mp3-Junkies, sind wir noch Jäger und Sammler, werden aber auch belächelt, als ob wir aus der Steinzeit kämen. Die Bands verkaufen somit weniger Tonträger und erhöhen, um überhaupt noch wirtschaftlich zu agieren, ihre Gage. Das hat dann Auswirkungen auf die Veranstalter, welche ja den meisten Agenturen feste Angebote für die Bands machen müssen. Ein Teufelskreis.

Darüber gibt es immer wieder Diskussionen, weil die Ansätze so unterschiedlich sind, ja. Würdest du in der Rückschau etwas anders machen wollen, bzw. hast du etwas, wovon du richtig angefressen warst?

Mmmhh, das ist schwer. Ich glaube, ich hätte mich viel früher in der Musikszene engagieren sollen, statt als Maurer oder Logistiker mein Brot zu verdienen. Aus heutiger Sicht vertane Zeit. Angepisst bin ich selten, aber wenn dann von der politischen Attitüde, welche in unsere Szene getragen wird. Heavy Metal war mal Sprachrohr "von unten". Da wurde provoziert, was das Zeug hält und dabei denke ich z.B. an die alten Bands aus den Staaten wie WEHRMACHT, SLAYER oder CARNIVORE. Heute geraten leider Bands wie z.B. INFIDEL REICH ins Kreuzfeuer der linken Szenepolizei und machen eigentlich nichts anderes als genauso spitzzüngig Misstände zu benennen oder Fiktionen zu besingen. Auch die Sippenhaft für Black Metal kotzt mich an, nur weil ein paar Idioten es elitär finden, sich auf das Dritte Reich zu berufen und die Geschichte darum glorifizieren. Alles Arschlöcher, sorry.

Da gibt es viel Aufregung, weil es auch immer wieder um Verallgemeinerungen geht. Und da geht Vielen das gegenseitige Verständnis ab. Du scheinst einen anderen Ansatz zu haben: Der persönliche Kontakt ist dir sehr wichtig, denke ich, wenn ich da an das Sächsische Schwarzbierfleisch für die anwesenden Mucker denke. Hast du selbst mal Musik gemacht?

Da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Zu 99% kennen und lieben wir die Bands, welche bei uns spielen, oder wenigstens deren Musik. Wir sind also selber an den Menschen hinter Band und Musik interessiert und bauen bereits beim Booking ein freundschaftliches Verhältnis auf. Du kannst dir sicher vorstellen mit welchen Gefühlen man zu ringen hat, wenn plötzlich Bands im Klub auftauchen, deren Platten man in den 80er und 90er Jahren gefeiert hat. Speziell bei SODOM, ASPHYX, POSSESSED, IMPALED NAZARENE oder MASTER durchflutet einen da ein wohliger Schauer und wir hatten in unserer 20-jährigen Laufbahn eine Unmenge solcher Bands hier.

Verein

Selber habe ich nie Musik gemacht, aber ich habe mich einst an der Gitarre versucht. Leider fehlte es an Zeit und Geduld meinerseits und ich hab es gelassen. In den 90ern habe ich mal eine Weile die Band TROJAN betreut, und ich sage bewusst betreut, weil ich das Wort managen zu hochtrabend fand. Ich war damals auch weniger fit in solchen Dingen als heute, aber wir sind ganz gut rum- und angekommen. Aus TROJAN gingen später u.a. BEISSERT und GORILLA MONSOON hervor.

Schon damals merkte ich, wie wichtig es ist, wenn ein Musiker gut versorgt wird. Das färbt auf die Stimmung und Spiellaune ab. Deshalb wird bei uns im Klub ganz großer Wert auf sehr gutes Essen und eine wirklich große Auswahl an Bier und allen möglichen Getränken gelegt. Das hat auch was Psychologisches, wenn der Veranstalter selber noch am Herd steht, wenn die Bands einchecken. Es schafft Vertrauen und die Bands merken, dass sie dir viel wert sind. Das kommt immer wieder zurück und wir stehen bei vielen Bands in Sachen Wohlfühlfaktor ganz weit oben.

Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Weil du ja im Sozial-Medium Facebook recht präsent bist, habe ich gesehen, dass du dir sehr gern untergrundige Festivals und Konzerte gibst. Schnauze voll von großen Acts? Freundlichere Atmopshäre? Weniger Herz im großen Pulk?

Ja, ich bin mit der Seite vom SkullCrusher e.V. und auch privat sehr viel in Facebook unterwegs. Zum einen, um Werbung für unsere Sache zu machen, zum anderen um zu sehen, was die anderen Veranstalter so treiben und auch welche Bands gerade im Kommen sind. Der Underground ist voll mit Perlen und das mit Bands aus allen Sparten des Metal. Die kleineren Konzerte liebe ich, weil sie noch persönlicher sind und man gut an die aufstrebenden Bands ran kommt. Außerdem sind z.B. Black- und Death-Metal-Bands in einem Klub viel atmosphärischer zu erleben, statt hinter einem Fotograben, welcher das Publikum auf zehn Meter Abstand hält. Die größeren Konzerte mag ich zwar noch immer, aber manchmal sehne ich mich währenddessen nach ruhigen Ecken, um mich auch über das Erlebte mitteilen zu können. Dank meines Rufes darf ich ja bei nahezu allen Konzerten, welche ich besuche, auch Backstage und so ergeben sich selbst bei größeren Konzerten diese Momente. Der Idealfall für micht ist eigentlich das Party.San. Dank unserer jahrelangen Freundschaft darf ich dort nahezu in jeden Winkel und kann meistens Bands direkt nach ihren Auftritten schon für den SkullCrusher begeistern und diverse Planungen machen. Kaum ein anderes Festival bietet dir solch ein Flair an Freundschaftlichkeit, Bandnähe und trotzdem vielen Besuchern an. Ok, die Chronical Moshers und das Protzen Open Air liegen auch in solch einem Fahrwasser, sind aber kleiner aufgestellt.

Du hast ja als Szenegestalter schon viele, viele Bands erlebt. Wen würdest du denn gern mal live erleben, und gesteigert, am liebsten in deinem Club?

Da hab ich noch ganz viele Wünsche, aber manche scheitern am Geld, manche weil sich eben die Zeiten geändert haben und sich die Bands musikalisch verändert haben. Für manche Dinge ist der SkullCrusher mit seinen limitierten Plätzen für 250 Besucher einfach zu klein, um dann noch einen vertretbaren Eintrittspreis zu kalkulieren. OVERKILL wäre z.B. solch eine Band. Deren Song 'SkullKrusher' auf unserer Bühne... Ich würde durchdrehen vor Freude.

DESTRUCTION wäre auch so eine Band. Die komplette "Infernal Overkill" am Stück und alles wäre schöner, als es im Himmel sein könnte. Leider kommen wir in wenigen Details wie Fotograben etc. nicht zusammen. DIE APOKALYPTISCHEN REITER, mit denen mich einen Freundschaft seit ihren Anfangstagen verbindet, wäre auch so etwas. Nur die Songs der ersten drei Platten, und und und... Aber ich denke, wir sind auch in Zukunft noch für manch eine Überraschung gut. Lasst uns mal machen.

Lass ich. Apropos Club: Wie seid ihr denn eigentlich bei Skullcrusher organisiert und aufgestellt?

Auf den ersten Blick etwas hierarchisch, also mit Präsident, Vize-Präsidentin, Schatzmeister, Logistikchef und Booker. Klingt nach Bikerclub, ist auch dort abgeschaut, aber wir haben z.B. keine Prospects für "niedere Arbeiten". Klar sollte und muss es eine "Führungsriege" geben, aber die wird bei uns demokratisch, für jeweils zwei Jahre gewählt. Jedes Mitglied übernimmt dann Aufgaben, um die Veranstaltungen, aber eben auch um unsere Klubräume in Schuss zu halten. Angemerkt sei noch, dass wir zwar ein e.V. sind, aber keinerlei Gemeinnützigkeit haben, da wir (O-Ton Finanzamt) "einfach zu viel Alkohol verkaufen und ja damit die Leute eher krank machen würden."

Wir brauchen diesen Umsatz zwar, um die meisten Konzerte quer zu finanzieren, aber was soll's?! Kein Mitglied bei uns verdient auch nur einen Cent bei seiner Arbeit hier, alles ist rein freiwillig. Außerdem zahlt jedes Mitglied einen monatlichen Beitrag von 15,40 €, um die Miete für unsere Räume zu deckeln. Dafür hat man aber auch den schönsten Rückzugsort der Welt, mit kaltem Bier und der Möglichkeit, Musik in ohrenbetäubender Lautstärke zu hören.

Ein Traum! Wie lange willst du das noch machen?

Wenn es meine Gesundheit zulässt, bis in alle Ewigkeit. Ich hatte kurz vor meinem 40. Geburtstag vor, mir die Haare abzuschneiden und die Sache "Heavy Metal" für mich zu beenden. Ich habe das auch, direkt als ich damals vom Party.San zurückkam, meiner kleinen Familie erklärt, den Backstagepass auf den Tisch gelegt und gesagt: "Das war mein letztes Festival bzw. Konzert." Meine Tochter hat sich das tatsächlich schriftlich geben lassen. Dieses Schriftstück bekam ich dann zu meinem 40. Geburtstag zerrissen zurück und meine Tochter kommentierte das mit den Worten: "Ich verzichte auf die Einlösung dieses Versprechens. Das ist mein Geschenk an Dich, denn sonst wärst Du nicht mehr DU." Das war vor 14 Jahren. Nun besucht meine Tochter selber Heavy-Metal-Konzerte und natürlich auch den SkullCrusher. Da kann man eigentlich nur stolz sein und weitermachen.

Aber sowas von! Deine Äpfeline ist also nicht weit vom Stamm gefallen. Und das hört sich nach viel Unterstützung durch deine tollen Frauen an. Dann bleibt jetzt neben meiner Empfehlung, sich in Dresdens Metal-Kellern herumzutreiben, noch sehr gern Platz für dein ganz eigenes Endplädoyer!

Zuerst einmal vielen Dank an POWERMETAL.de und dich, Mattes, für euer Interesse und auch eure sehr gute Arbeit für unsere Szene und... Ja (!), besucht alle Kneipen, Keller, Klubs und Locations, wo der Metal noch am Leben ist. Völlig egal, ob ihr die Bands im Vorfeld kennt. Genießt die Live-Amtosphäre und die Gespräche drum herum. Kauft CDs und Shirts bei den Musikern selbst und gebt ihnen jede mögliche Unterstützung. Motzt nicht immer, wenn ihr mal 20 Euro für 4-5 wertige Bands bezahlen sollt und dann aber bei einer Kinokarte für 13,- Euro in Jubel ausbrecht. Der Underground von heute liefert die Headliner von morgen. Mit eurer Hilfe funktioniert das dann auch.

Stay Heavy!

Enrico, Schlusswort royale. Ich wünsche dir und euch in Dresden und allen Freunden im Netzwerk alles, alles Gute. Ich hoffe, wir sehen uns bald mal auf eine gemeinsame Brause.

Wer Kontakt zu Enrico "Enni" Haagen und seinem engagierten Verein in Dresden aufnehmen möchte, hier die Daten:

Enrico "Enni" Haagen / Booking for Skullcrusher, Heavy Metal Dresden e.V.

www.facebook.com/skullcrusher.dresden und metalfestival-dresden.de

Direktkontakt: 017645829883 und 03512500013

 

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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