ALICE COOPER - Berlin
02.12.2011 | 08:5314.11.2011, Columbiahalle
Nachdem er genug die Werbetrommel für eine "Geiz ist geil"-Elektro-Fachmarktkette gerührt hat, krabbelt ALICE COOPER wieder über die Bretter, die die Welt bedeuten. Wie ist er diesmal drauf?
Montagabend ist nicht unbedingt perfekt, um eine Halle mit Rockfans vollzubekommen - zudem war es lausig kalt und leicht trüb. Anyway, zu ALICE COOPER krochen sie dann doch aus den Kellerwohnungen und warteten geduldig, bis der Meister des Schockrock gegen 21:00 Uhr in der gut gefüllten, wenn auch nicht ausverkauften Columbiahalle sein diesjähriges Gastspiel in der Hauptstadt absolvierte. Doch bevor ALICE COOPER sein Live-Programm aus dem silbernen Hut zaubern konnte, durften die Jungspunde der englischen Band THE TREATMENT, die gerade ihr bestechendes Debüt "This Might Hurts" veröffentlicht haben, auf die Bühne und frisch drauflosrocken. Die Band zockt gekonnt ihre Songs, die in der Schnittmenge von JUDAS PRIEST, AEROSMITH, LED ZEPPELIN, AC/DC und BUCKCHERRY zu finden sind und machen höllisch Spaß. Die knapp 20 Jährigen profitieren auch recht ordentlich ob einer fairen Unterstützung COOPERs, will sagen, THE TREATMENT haben einen Bombensound sowie eine große Lightshow. ALICE COOPER hat eben keine Spielchen nötig, zickt nicht herum, getreu dem Motto: kommt der Support gut an, ist das Publikum bestens angestachelt. Respekt! (Oder der Support-Deal war teuer erkauft.)
Nach der obligatorischen Umbaupause, der Bier-holen-oder-ich-laber-mal-meinen-Nachbarn-zu-oder-Pinkel-Break eben, erlischt endlich das Hallenlicht, das Vincent Price-Intro hallt aus den Boxen in die Finsternis und die Erwartung steigt doch wieder einmal ins Unermessliche. Auch nach vielen Jahren schafft es ALICE COOPER seine Anhängerschar in den Bann zu ziehen, gibt ihnen anfangs prompt 'Black Widow' vom 75er Album "Welcome To My Nightmare". ALICE steht dabei auf einer Art Gerüst oder Altar, sein Halloweenkostüm mit den angenähten Spinnenbeinen ist dabei vielleicht etwas zu infantil. Mit herunter gezogenen Mundwinkeln (wie die Bundeskanzlerin) mustert er uns Würmer da unten im Hallenstaub, arrogant-kühl, eben wie der Hohepriester des Glam-Rock. Es ist schon nach dem ersten Song klar, daß der 63-jährige COOPER immer noch Spaß hat am Rock´n´Roll-Zirkus und knallt sogleich 'Brutal Planet' von seiner gleichnamigen, wohl härtesten Scheibe in die lechzende, bunt gemischte Menge. ALICE lockt - wie der Rattenfänger von Hameln - immer wieder verschiedene Menschentypen und Altersgruppen in seine Shows: Teenies, Kinder, Twens, Fifties, Anzugträger, Ewiggestrige, Punks, Mutti und Vati, alte Rocker mit zuviel Make-up im Gesicht - sie alle vereint die Zuneigung zum Godfather des Schock-Rock. ALICE trägt inzwischen auch viel Abdeckschminke; seine Falten könnten ganze Landkarten illustrieren.
COOPER lebte eben schon viele Leben, inklusive früher Erfolge, Suff, Abstürze, guter Platten, mittelprächtiger Alben, dann seine Wiederauferstehung Mitte der 80er Jahre. Es ist also keine Überraschung, daß auch 2011 die Setlist mit den uralten Perlen bestückt ist (sogar 'Clones' aus seiner schwierigsten Zeit um 1980 findet ins Bühnenrepertoire) und sicher fehlen mir persönlich Granaten aus der COOPERschen Metal-Ära 1986/1987 wie sie unlängst sein - aus damaliger Zeit - muskelbepackter Gitarrist Kane Roberts auf dem Firefest in Nottingham gespielt hat ('Freedom' und 'Prince Of Darkness'). Aber gut, das Publikum möchte die Klassiker der 70er-Dekade und so folgen 'I´m Eighteen', 'Under My Wheels', 'Billion Dollar Babies' (wo ALICE COOPER Dollarscheine ins Publikum schleuderte als gäbe es keine Finanzkrise), 'No More Mr. Nice Guy', 'Hey Stoopid' (1991 nervte der Song, heute gern wieder gehört). Zu 'It´s My Body' kramt der Meister die Boa Constrictor aus der Kiste, die aber sehr ruhig wirkt; wahrscheinlich zu viele Tranquilizer gespritzt. Wäre doch mal lustig, wenn er diese ins Publikum schmeißt. Ohne Beruhigungsmittel natürlich. Holla! Was für ein Spaß.
Seine recht junge Begleitband spielt sich dann beim 'Halo Of Flies' kollektiv warm und darf etwas brillieren, bevor der Meister mit dem einzigen Song 'I´ll Bite Your Face Off' vom neuen Album zurückkehrt. Schnell reicht er dann noch den Oldie 'Muscle Of Love' nach, bevor die ansehnliche und junge Gitarristin Orianthi (selbst Solokünstlerin mit drei guten CD-Veröffentlichungen) ihre Sechssaitige lustvoll solistisch quält und beweist, daß COOPER bei der Auswahl seiner Musiker/innen stets ein glückliches Händchen besitzt. 'Only Women Bleed' schließt nahtlos an, gefühlvoll vom Frauenversteher ALICE vorgetragen. Millionenmal gelauscht, dennoch nicht lästig geworden. 'Cold Ethyl', 'Feed My Frankenstein' und besagtes 'Clones (We Are All)' rauschen angenehm ins Blut und führen vermehrt zum Fußstampfen und heftigen Kopfnicken, auch Alters-Headbanging genannt. Es wird 'Poison' angemischt und auch dieses, vielleicht COOPERs durchgespieltestes Stück (kaum eine 80er-Rock-Mix CD kommt an diesem Hit ernsthaft vorbei) gefällt mal wieder. Es fehlen noch die Gimmicks der Show, diesmal doch weitaus spärlicher in oder um die Songs gestreut als früher.
Her mit der Guillotine! Ab die Birne!
Gesagt, getan. 'Wicked Young Man' ist der Fallbeil-Song und ALICE verliert schnell seinen Kopf, intoniert possenhaft dazu (natürlich) 'I Love The Dead' und das Finale 'School´s Out' mit Schnippseln aus PINK FLOYDs 'Another Brick In The Wall' beendet ein gutes, unterhaltsames, aber auch vorhersehbares Konzert COOPERs. Sicher nach dem Gusto der meisten Fans, ich fand aber ALICE COOPER auch anno 1990 super, wo seine Bühnenshow weitaus glamiger, trashiger, Las-Vegas-stylisher war und zudem andere Modalitäten für Rockberichterstatter vorherrschten. Bei ALICE konnte man seinerzeit das gesamte Konzert lang im Fotograben Bilder schießen, heutzutage ist nach (immerhin) vier Songs Schluß (Durchschnitt bei Konzerten sind drei Titel). Acts wie COOPER leben (meiner Meinung nach) vom Abbilden aller ihrer Effekte, Gags etc., der gesamten Show eben. ALICE COOPER ist auch 2011 noch ein Gesamtkunstwerk, das Konzert war demzufolge eine durchaus runde, ehrliche Sache; die anschließende Heimfahrt fröhlich, beschwingt. Das schaffen bei mir lediglich Künstler vom Schlage eines ALICE COOPERs.
DER muß noch nicht in Rente gehen!
- Redakteur:
- Dirk Ballerstädt