ALTER BRIDGE - München

26.11.2011 | 18:13

16.11.2011, Kesselhaus

Herzhaft duftender Kirschstreusel aus den Südstaaten gepaart mit der aktuell besten Alternative-Rock-Kommandobrücke: das kann nur ein gelungener Abend werden. Oder treten schon die ersten Abnutzungserscheinungen auf?

Ein Jahr ist es, dass ALTER BRIDGE mit ihrem “AB III”-Album in Deutschland tourtechnisch die Clubs gerockt haben. Immer noch mit dem selben Album, jedoch einer anderen Vorband im Gepäck, hat sich das Kleeblatt erneut wieder München als Haltestation ausgesucht. In diesem Jahr will die Truppe das "Kesselhaus" zum rocken animieren. Immerhin kann die Location mit 800 Parkplätzen aufwarten und bietet schätzungsweise 2000 Fans Platz, sich auszutoben. Trotz der Umstände, dass die Truppe ähnlich wie MACHINE HEAD mit ein und dem selben Album mehrmals tourt, kann mal als Veranstalter nichts falsch machen. Die Truppe ist eine Bank (was man in Zeiten der drohenden Europleite nicht unbedingt als Kompliment auffassen kann) im positiven Sinne, denn auch heute abend ist der Club ausverkauft.

Einen großen Anteil daran dürften auch die Südstaatenrocker BLACK STONE CHERRY haben, denn allen voran das jüngere Publikum hat sich trotz eisiger Temperaturen auf den Weg gemacht, um das Quartett livehaftig zu bestaunen. Zwanzig Minuten vor Showbeginn ist das "Kesselhaus" sehr gut gefüllt, was man der bekannten Vorband zuschreiben muss. Wobei diese als “Special Guest” fungiert und sich nicht mit einer dreißigminütigen Spielzeit abspeisen lassen muss. Um Punkt 20 Uhr erlischt das Hallenlicht und die Truppe rockt härter als man es von den CDs her gewohnt ist. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass ich lediglich mit dem aktuellen Output "Between The Devil And The Deep Blue Sea" vertraut bin. Auch wenn man bisher noch keinen Ton von den Jungs gehört hat, ist es schwer, still stehen zu bleiben. Die Bedingungen dafür sind optimal, denn soundtechnisch ist alles gut abgemischt und jedes Instrument kommt zur Geltung. Frontmann und Gitarrist Chris Roberts wirkt mit seiner Mütze wie Spanky von den “kleinen Strolchen” und hat immer wieder ein spitzbübiges Grinsen auf seinen Lippen. Den weiteren Aktivposten hat Drummer John Fred Young inne, der, auch wenn es abgedroschen klingen mag, am ehesten mit Keith Moon (THE WHO) respektive dem Tier aus der "Muppet Show" zu vergleichen ist, da auch seine Bewegungen und das Stageacting sehr ausladend sind.

Die Setlist ist ausgewogen und kann mit den besten Tracks der letzten drei Alben glänzen. Von den aktuellen Tracks kommen besonders der Albumopener 'White Trash Millionaire', 'Blame It On The Boom Boom', 'Change' und das getragene 'In The Blood' am besten zur Geltung. Sowohl Gitarrist Ben Wells als auch Tieftöner John Lawhon sind weitere Aktivposten, die den ihnen zur Verfügung gestellten Freiraum voll ausschöpfen und sich die Bühne vom einen bis zum anderen Ende erlaufen. Nach einer sehr kurzweiligen Stunde verabschieden sich die sympathischen Rocker und hinterlassen ein grinsendes Publikum zurück. Fazit: Der Auftritt bestätigt die Fans der Band in ihrem Glauben und diejenigen, die zum ersten Mal in den livehaftigen Genuss gekommen sind, werden sich wohl näher mit der Diskografie auseinandersetzen, um beim nächsten Mal noch treffsicherer die Chöre zu trällern.

Nach einer gefühlten halben Stunde Umbaupause entert der Headliner ALTER BRIDGE die Bretter, um genauso wie beim letztjährigen Auftritt mit 'Slip To The Void' zu starten. Von Anfang an fällt die höhere Lautstärke und der zu bassbetonte Sound im Vergleich zur Vorband auf. Dies tut der Stimmung zwar keinen Abbruch, vermindert jedoch die Klangqualität. In dem Soundbrei ist es für Ungeübte schwer herauszuhören, welcher Song gerade gespielt wird. Ich persönlich bin mit der Performance sehr zufrieden, was auf meine Freundin nicht zutrifft. Immer wieder nimmt sie ihre Ohrstöpsel heraus, um zu schauen, ob der Klanggenuss durch die selbigen getrübt wird, oder ob der Soundmann einen schlechten Tag erwischt hat.

Auch wenn hier unsere Meinungen auseinander gehen, in einem sind wir uns einig: Myles Kennedy hatte schon bessere Tage erwischt. Das lange Touren (u.a. auch mit SLASH) ist nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Die Tatsache, dass SLASH mit Myles Kennedy im Frühjahr nächsten Jahres ein neues Soloalbum am Start haben will, welches ausschließlich von ihm eingesungen wird, lässt darauf schließen, dass er in absehbarer Zeit noch des öfteren seine Stimmbänder strapazieren muss. Doch zurück zum Ort des Geschehens: Da lässt die erfahrene Truppe nichts anbrennen. Die Songauswahl stimmt (alle drei Alben werden berücksichtigt) und großartige Überraschungen sind in der Setlist nicht auszumachen. Auch der Unplugged-Teil, der mit den zwei Tracks 'Watch Over You' und 'Wonderful Life' gespickt ist, kommt gut an. Allen voran merkt man hier, dass Myles nicht mehr die hohen Töne trifft und auf Unterstützung seitens des Publikums angewiesen ist. Der Zugabenteil kann mit dem bekannten 'Open Your Eyes' und einem Gitarrenduell zwischen Myles und Mark Tremonti glänzen. Drummer Scott Phillips sollte nicht unerwähnt bleiben, da er die Plexiglasschutzvorrichtung vor seinem Kit auf ein Mindestmaß runtergeschraubt hat. Ob's an der größeren Location oder am schlichten Vergessen der übrigen Scheiben gelegen hat, entzieht sich meiner Erkenntnis.

Bleibt am Ende zu sagen, dass weniger mehr ist. So gern ich die Truppe auch mag und ihre Alben vergöttere, ist eine längere Bühnenabstinenz vonnöten, allein schon um die Akkus von Myles wieder aufzuladen. Ob sich die Jungs das zum Herzen nehmen, kann ich nicht prognostizieren, doch so wie es zur Zeit ausschaut, wird sich Mr. Kennedy in absehbarer Zeit nicht großartig schonen. In dem Sinne wäre es gut, wenn CREED demächst Europa tourtechnisch unsicher machen. Ansonsten heißt es im nächsten Jahr: Selbe Band, andere Location.

Redakteur:
Tolga Karabagli

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