AMON AMARTH + MACHINE HEAD - Oberhausen
04.10.2022 | 21:3930.09.2022, Rudolf Weber-ARENA
Ein Abend der Superlative
Wenn Ausrufezeichen wie MACHINE HEAD und AMON AMARTH gemeinsam zur "Vikings & Lionshearts"-Tour aufbrechen, gibt es einfach keine Fragezeichen. Und so haben wir uns den Freitagabend und die Rudolf Weber-ARENA in Oberhausen ausgesucht, um dieses durch und durch spektakuläre Ereignis entsprechend zu würdigen. Mit im Gepäck haben die Schwergewichte die quasi-Newcomer von THE HALO EFFECT, die erst vor rund sechs Wochen mit "Days Of The Lost" ein fulminantes Debüt veröffentlicht haben. Und wie es der Zufall so will, haben unsere altehrwürdigen Bay-Area-Helden mit "Of Kingdom And Crown" sowie die Wikinger um Fronthüne Johan Hegg mit "The Great Heathen Army" auch brandheiße Diskografie-Neulinge im Gepäck. Dieser Abend steht somit unter einem mehr als verheißungsvollen Stern.
Vor wenigen Wochen war JUDAS PRIEST in der einst als König-Pilsener-Arena bekannten Halle zugange und hat einen mörderisch guten Abend hingelegt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die heutigen Bands, von denen die erste gleich um 18:30 Uhr auf die Bretter tritt. Schon früh ist die Arena im Herzen Oberhausens mehr als gut gefüllt, der Sound, auch wenn man sehr weit rechts sitzt, gut und wuchtig, und THE HALO EFFECT erwischt einen tollen Start. Die Band, die sich aus ehemaligen IN FLAMES- und DARK TRANQUILLITY-Mitgliedern zusammensetzt, ist ohnehin ein eingespieltes Team, hat den melodischen Todesstahl mit der Muttermilch aufgesogen und schöpft aus den "Days Of The Lost"-Vollen. Das Publikum geht gut ab und bekommt mit 'The Needless End', 'Gateways' und 'Feel What I Believe' auch allerlei Bonbons zugeworfen, die spielfreudig und souverän vorgetragen werden. Man merkt, dass Stanne, Engelin und Co. bereits seit vielen Jahren im Business sind und richtig Bock auf das neue Karrierekapitel THE HALO EFFECT haben. Nutznießer ist zu dieser frühen Stunde das Publikum der Oberhausener Arena, das schon früh einen guten Eindruck bekommt, welche Urgewalten an diesem Abend noch aus dem Boden gestampft werden. Mit 'Conditional' und 'Shadowminds' verabschieden sich die Göteborger nach rund 45 Minuten, und der erste Gang zum Getränkestand darf vollzogen werden.
Setliste: Days Of The Lost; The Needless End; Gateways; Feel What I Believe; In Broken Trust; Conditional; Shadowminds
Ein schlechtes Timing, würde ich sagen, denn als nur noch eine Person zwischen uns und einer unverschämt überteuerten Brezel inklusive Kaltgetränk steht, scheint die Umbaupause vollzogen zu sein, und Robb Flynn schreit sich schon die Seele aus dem Leib. Ich betonte schon häufiger, dass mein Onkel maßgeblich für meinen (nicht nur) musikalischen Werdegang war, ich ihm unheimlich viel zu verdanken habe und es Bands wie PANTERA, SOULFLY, FAITH NO MORE oder eben MACHINE HEAD gibt, die uns verbinden. Doch bis zum heutigen Abend haben wir es nicht geschafft, gemeinsam ein Konzert der Oakland-Wüteriche zu besuchen. Bis heute eben. Denn noch viel wichtiger als eine gut aufgelegte Band, ein toller Sound und feiernde Menschen ist die Tatsache, dass mein Onkel am heutigen Abend dabei ist, um gleich zu Beginn bei 'Become The Firestorm' vor Begeisterung mit mir fast aus den Latschen zu kippen. Vor der Bühne ist es brechend voll, MACHINE HEAD hat einen extrem gut eingespielten und motivierten Tag erwischt und mit welcher Präsenz Herr Flynn heute die Arena füllt, ist kaum in Worte zu fassen. Stimmlich eine Wucht, an der Gitarre ein Monster und als Animateur ein Vollprofi, weiß er in jeder noch so kleinen Verschnaufpause das Maximum aus dem Publikum herauszuholen.
Dazu gesellen sich eine geschmackvolle Flammenshow, mit Vogg ein zweites Ungeheuer an der Klampfe, mit Jared ein arschcooler Bassist und mit Matt ein Tier an der Schießbude und ein Erste-Sahne-Publikum, das MACHINE HEAD aus den Händen frisst. Beinah zu jedem Song – ob dem 'Imperium'-Monster, dem 'Ten Ton Hammer'-Hammer oder dem brandneuen 'Choke On The Ashes Of Your Hate' – gibt es Circlepits noch und nöcher, uns fallen von den Rängen aus förmlich die Kinnladen herunter. Und selbst mein Onkel, der an diesem Abend MACHINE HEAD bereits zum sechsten oder siebten Mal live sieht, spricht von einer der großartigsten Shows, die er jemals miterlebt hat. Ob es am bestens aufgelegten Robb, einer bombensicheren Setliste bestehend aus neuen "Of Kingdom And Crown"-Brechern und alteingesessenen Klassikern wie 'Darkness Within' oder 'Now We Die' oder an der knisternden Atmosphäre in der Halle liegt: Wir sind tief beeindruckt. Zwischen seinen verbalen Anfeuerungen und Muntermachern stellt Robb die Bedeutung der Musik für das seelische Wohlbefinden in den Fokus, ehe es mit 'Davidian', 'Halo' und dem zwischendrin eingestimmten 'Raining Blood'-Cover in den wohlverdienten Feierabend geht. Der Schweiß tropft schon jetzt von der Decke und dieser Arschtritt-Auftritt seitens MACHINE fuckin' HEADs sorgt derweil dafür, dass die alte Flamme wieder lodert und wir uns mehr als zufrieden in die Augen blicken können: Das war geil!
Setliste: Become The Firestorm; Imperium; Ten Ton Hammer; I Am Hell (Sonata In C#); Choke On The Ashes Of Your Hate; Darkness Within; Now We Die; From This Day; Davidian; Raining Blood; Halo
Wir brauchen dringend noch ein Getränk, und glücklicherweise dauert die Umbaupause hinter einem schwarzen Vorhang nun etwas länger als noch vor MACHINE HEAD. Gestärkt gehen wir also zurück zu unseren Plätzen, sehen von der Seite wie Schritt für Schritt die beeindruckende Bühnendekoration aufgebaut wird, das Wikingerschiff in den Hafen einfährt und die "Stein"-Figuren zu beachtlicher Größe anwachsen. Als lautstark 'Run To The Hills' abgespielt wird, sind Spannung und Vorfreude bei jedem Zuschauer der beinah ausverkauften Rudolf Weber-ARENA greifbar. Trotz der angekündigten Co-Headliner-Tour wird den Schweden von AMON AMARTH noch etwas mehr Beachtung geschenkt. Der Saal verdunkelt sich, die Band-Symbole prangen auf der schwarzen Leinwand vor der Bühne und mit einem lauten Knall fällt der Vorhang: 'Guardians Of Asgaard' eröffnet den Reigen und der Arenajubel ist lauter denn je. Wurde das Publikum von MACHINE HEAD ohnehin in Circlepit-Stimmung gebracht, von der auch der AMON AMARTH-Auftritt gleich zu Beginn profitiert, könnte die Stimmung großartiger nicht sein. Die Flammen schießen in die Luft, der Klang ist eine Wucht und gepaart mit der Live-Urgewalt der Schweden steht uns ein triumphierender Auftritt bevor, wie ich ihn selten erlebt habe. Es folgen mit 'Raven's Flight' und dem unkaputtbaren 'Deceiver Of The Gods' zwei Songs, die an dieser Stelle wie Arsch auf Eimer passen, ehe 'The Pursuit Of Vikings' die Nackenmuskulatur in Wallungen versetzt.
Danach wird der neuesten Dampframme Aufmerksamkeit geschenkt. Der Titeltrack geht gut nach vorne, aber was beim folgenden 'Heidrun', einem live-haftigen Dosenöffner abgeht, ist schier unglaublich. Für einen neuen Song erweist sich Oberhausen als sehr textsicher und die Ziege wird künftig wie eine Bombe einschlagen. Wieder etwas gewaltiger ertönen 'Destroyer Of The Universe' und 'Put Your Back Into The Oar' inklusive gemeinschaftlichem Rudern vor der Bühne, ehe die schwarzen Vögel von sich hören lassen und erneut Gänsehaut erzeugen. 'Cry Of The Black Birds' ist ein absoluter Hit, der für einen gewaltigen Circlepit und eine Atmosphäre zum Schneiden sorgt.
Einmal mehr zeigt sich AMON AMARTH in bockstarker Verfassung: Hegg ist bestens aufgelegt und weiß wie Flynn im Vorfeld die Massen zu begeistern, die Instrumentalfraktion ist spielfreudig, bestens aufeinander eingestimmt und macht fleißig Meter über die Treppen. So stellen sich die Musiker hinter dem Schlagzeug in Pose und zelebrieren den Weg der Wikinger. Apropos, denn auch 'The Way Of Vikings', 'First Kill' und 'Shield Wall' haben es faustdick hinter den Ohren und fordern auch die letzten Publikumsreserven. Weitere Feuerfontänen schießen zur Decke, hier und da leichte Explosionen – AMON AMARTH kleckert nicht, sondern klotzt mit einer astreinen Performance.
Doch auch der schönste Raubzug der "Vikings & Lionshearts"-Vollbedienung ist irgendwann vorbei. Und nachdem 'Raise Your Horns' wörtlich genommen wurde und sich die Jungs für einen kurzen Zugabenteil eine Verschnaufpause gönnen, legen 'Twilight Of The Thunder God' und Johans mächtiger Urschrei Oberhausen in Schutt und Asche. Dann ist auch beim sichtlich erschöpften, aber ungemein glücklichen Publikum Schicht im Schacht. Einen letzten Gang zum Getränkestand ersparen wir uns – zu geplättet und völlig von den Socken sind wir von den intensiven Auftritten der drei Superlativenbands.
Setliste: Guardians Of Asgaard; Raven's Flight; Deceiver Of The Gods; The Pursuit Of Vikings; The Great Heathen Army; Heidrun; Destroyer Of The Universe; Put Your Back Into The Oar; Cry Of The Black Birds; The Way Of Vikings; First Kill; Shield Wall; Raise Your Horns; Twilight Of The Thunder God
Die Jungs von THE HALO EFFECT haben den Geist der Göteborger Melo-Death-Szene perfekt inszeniert, Robb Flynn und das MACHINE HEAD-Bombardement die Halle komplett zerstört und die AMON AMARTH-Wikinger letztendlich die heidnische Kirsche auf diesem Eisbecher positioniert und gekonnt den Abend abgerundet. Vor jeder Band, vor jedem einzelnen Crew-Mitglied, aber auch vor dem Oberhausener Publikum – lautstark, motiviert und mit Bock auf Metal – muss ich den Hut ziehen. Besser geht ein Konzertabend freitags einfach nicht! Großes Kino!
- Redakteur:
- Marcel Rapp