ARENA - Hamburg

20.06.2025 | 11:55

27.05.2025, Logo

ARENA feiert 30jährigen Geburtstag.

Ich bin zwar nicht der allergrößte ARENA-Fan, aber dafür immerhin ein riesiger Fan der Sangeskünste des Mr. Damian Wilson. Der Tausendsassa hat zeit seiner nun schon über dreißig Jahre andauernden Karriere schon das ein oder andere progressive Meisterwerk gesanglich veredelt. Stellvertretend seien hier mit LANDMARQs "Infinity Parade" und THRESHOLDs "March Of Progress" mal zwei meiner Lieblingsalben unter seiner Beteiligung genannt. Aber auch ARENA hat nun schon einige Dekaden Bandhistorie sowie ein knappes Dutzend toller Alben hinter sich.

Für die aktuelle Scheibe, die jetzt aber auch schon wieder drei Jährchen auf dem Buckel hat, und den Titel "The Theory Of Molecular Inheritance" trägt, kam also zusammen, was durchaus auch sehr gut zusammenpasst und hier und heute im Logo zu Hamburg seine Live-Darbietung finden soll. Es ist darüber hinaus auch nicht irgendeine Tour, denn ARENA-Tourneen finden in unseren Breitengeraden beileibe nicht alle fünf oder auch zehn Jahre statt, sondern eher alle Jubeljahre einmal. Und zu bejubeln gibt es bei dieser Tour tatsächlich etwas, und zwar den 30jährige Bandgeburtstag! Dafür hat man sich entschlossen, ganz ohne weiteren Band-Support die hiesigen Konzerte zu absolvieren.

Ich entschließe mich für einen Platz im vorderen Bereich rechts seitlich der Bühne. Das Logo dürfte zu guten zwei Dritteln gefüllt sein. Die Sicht ist gut, aber dafür stehe ich auch fünf Zentimeter neben den stattlichen Soundboxen und brauche mich über zu leisen Sound im weiteren Verlauf des Konzertes auch nicht mehr zu beschweren. Pünktlich um 20 Uhr tippt mir ein Herr mit fast arschlangen Haaren dezent auf die Schulter und bittet mich mit einem munteren, aber höflichen "Hi, how are you doing?", ihm kurz ein wenig Platz zu machen. Es ist Mr. Wilson himself, der auf diesem Weg die Bühne entert. Seine musikalische Entourage nimmt derweil den bequemeren Weg aus dem Backstagebereich und dann los soll es nach einem kurzen und fanfarenartigen Intro auch losgehen.

Nicht ganz unüberraschend steigt die Band mit 'Valley Of The Kings' vom 1995er Debütalbum "Songs From The Lions Cage" ein. Damian Wilson ist für mich so etwas wie der Harry Conklin des Prog Metal. Eigentlich kann man den guten Herren in fast jede Band stecken, schlechter werden die Songs dadurch definitiv nie und nimmer, eher das Gegenteil ist der Fall. Nachdem die erste Nummer im Kasten ist, entdeckt der Sänger eine Jeansjacke, die eine Dame aus der ersten Reihe vorne am Bühnenrad abgelegt hat.

Er mustert diese kurz und hängt sie daraufhin hinten neben dem Schlagzeug auf, mit einem schelmischen Blick, der besagen soll: "Ich gebe sie dir nach dem Konzert einfach wieder, kein Problem." Weiter geht es mit Songs neueren Kalibers, bevor mit '21 Grams' ein erster Song vom aktuellen Opus ertönt. Keyboarder Clive Nolan, den ich vor gar nicht allzu langer Zeit genau hier erst mit seiner Hauptband PENDRAGON gesehen habe, ist wie eh und je absolut tiefenentspannt unterwegs und braucht bei einigen Songpassagen lediglich seine rechte Hand, während die linke lässig in der Hosentasche verweilt. Großartiges Bild! 

Als Gitarrist John Mitchell seinen Tastenmann leicht entrüstet einmal über Gitarrenprobleme informiert, die dieser beim vorangegangenen Song anscheinend nicht wahrgenommen hat, antwortet Nolan völlig gelöst und geschmeidig, damit gleichzeitig den nächsten Song ankündigend: 'How Did It Come To This?' I like that guy! Nachdem mit 'Moviedrome' das fantastische, fast zwanzigminütige Lied-Epos vom 2000er-Album "Immortal?" zum Besten gegeben wird, geht es mit 'Time Capsule' und 'The Equation (The Science Of Magic)' wieder Richtung neues Album. Wilson ist nicht nur ein eloquenter und witziger Zeitgenosse mit ausgeprägten  Entertainer-Qualitäten, sondern darüber hinaus auch immer sehr bekannt für seine Nähe zu den Fans, die bei ihm nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern immer auch von Herzen kommender Ehrlichkeit zu kommen scheint. Er teilt das Publikum kurzerhand in zwei Hälften und begibt sich für einen Song einfach zwischen diese und beweist im Anschluss auch sportliche Qualitäten, als er einfach auf einen Barhocker steigt und von diesem aus stehend einfach weitersingt, als würde er sonst im Leben nicht viel anderes machen.

Dass Clive Nolan nicht nur ein brillanter Keyboarder ist, sondern auch ein großartiger Geschichtenerzähler mit dem ihm eigenen wunderbaren britischen Humor, soll er im Laufe des Abends das eine oder andere Mal eindrucksvoll unter Beweis stellen. Er erzählt unter anderem, wie er mit Co-Bandgründer und Schlagzeuger Mick Pointer, der bekanntlich ja auch die ersten beiden MARILLION-Veröffentlichungen eingetrommelt hat, bereits einige Male zuvor den Entschluss gefasst hatte, Damian Wilson als Sänger zu engagieren, es aber immer wieder aus unterschiedlichsten Gründen dann doch nicht dazu kommen sollte. Schön, dass es nun nach fast dreißig Jahren dann endlich doch mit diesem Vorhaben hingehauen hat. 

Der Setliste-Parcours durch die umfangreiche Discographie geht indes munter weiter. Ich hatte total vergessen, wie viele tolle Alben die Herren in dreißig Jahren bereits unters Volk gebracht haben. Viele davon habe ich noch nicht mal gehört und muss diesbezüglich hier unbedingt noch mal eindringlicher in die Tiefe gehen. Nach guten zwei Stunden (!) wird mit 'Crying For Help VII' vom zweiten Album "Pride" aus dem Jahr 1996 einem grandiosen Konzertabend die ultimative Krone aufgesetzt. Dass die Hälfte der hier Anwesenden dabei lauthals und textsicher mitsingt, beweist nur den Status, den sich die Band zwischenzeitlich absolut verdient erarbeitet hat.

Leider war ich dieses Mal ohne Fotografen unterwegs, so dass anstelle erinnerungswürdiger Pics einfach alle Alben bildhaft erwähnt werden, denen heute mit mindestens einem Song gefrönt wurde. Vielleicht dient es dem einen oder anderen ja entweder als Gelegenheit, sich mit dem stattlichen Oeuvre der Gruppe erstmalig auseinanderzusetzen oder, wie in meinem Fall, gänzlich bisher ungehörte Alben einmal genauer unter die Ohrenlupe zu nehmen.

Danke, ARENA, für diesen Klasse Auftritt! Eigentlich hätte ich noch Lust auf einen kleinen Plausch mit der Band gehabt, aber ein Blick auf die Uhr lässt meine Begleitung und mich als erste dann doch schnell die Venue verlassen.

Beim Überqueren der Straße ruft mir Wilson, der sich bereits auf dem (Um)Weg von Backstage via draußen Richtung Merchstand befindet, noch euphorisch hinterher: "Thank you so much for coming and see you next time!" Auf jeden Fall, dann auch mit Klönschnack und allem!


Setliste: Valley Of The Kings; Paradise Of Thieves; Bedlam Fayre; How Did It Come To This?; 21 Grams; Moviedrome; Time Capsule; The Equation (The Science Of Magic); What If?; Serenity; (Don't Forget To) Breathe; The Tinder Box; Life Goes On; Solomon; Crying for Help VII

 


Redakteur:
Stephan Lenze

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