AUDREY HORNE - Essen & Köln

25.02.2015 | 09:16

26.11.2015, Turock & Underground

Die Geschichte zweier unterschiedlicher Abende mit am Ende gleicher, zweifelsfreier Erkenntnis.

"Pure Heavy", das inzwischen fünfte, nur an wenigen Orten überschwänglich aufgenommene Album AUDREY HORNEs, erblickte vor nicht allzu langer Zeit das Dunkel der rockigen Welt und ist für die Norweger natürlich mal wieder ein Anlass, auf Reisen zu gehen. Viel waren sie in der letzten Zeit unterwegs, allerdings nehme ich gerne jedes halbe Jahr zwei Shows dieser fantastischen und so sympathischen Truppe mit. Ende 2014 zieht es mich ins Turock (Essen) sowie ins Underground (Köln). Zwei Abende mit (auch für mich persönlich) sehr unterschiedlichen Voraussetzungen.

Mittwoch, 26. November 2014, Ruhrpott. Es ist halb zehn und ich komme gerade erst am Club an. AUDREY HORNE soll wohl sehr spät anfangen, also habe ich mich auch an einem tristen, kalten Werktag nicht allzu früh auf die Socken gemacht. Meine Begleitung musste aufgrund des extrem späten Beginns sogar abspringen – die deutsche Bahn fährt nun einmal nicht ewig. Auch ich denke schon wieder an meinen Wecker in der Frühe, frage mich "Muss ein so später Beginn unter der Woche wirklich sein?" und stelle nüchtern fest, dass ich wohl schon mal mehr Vorfreude auf ein Konzert hatte. Daran ändern auch die breit grinsend aufspielenden Spanier von '77 nichts, von denen ich immerhin noch ein paar Songs mitbekomme. Das Turock weist erschreckend große Lücken auf; mit viel Wohlwollen könnte man sagen, dass die Location halb gefüllt ist.

Die meisten Leser können wohl schon erahnen, was nun folgt: Mit dem Beginn von AUDREY HORNE dreht sich der Abend mal ganz locker um 540°. 540°? Ja. Nach den ersten 180° hatte ich einfach zu viel Schwung. Das scheint auf die Entertainer-Band aus Norwegen mit jedem weiteren Konzert wohl nur noch mehr zuzutreffen. Sänger Toschie, von Natur aus eher klein geraten, füllt die Bühne alleine schon dermaßen aus, dass man sich fragt, wie die anderen vier überhaupt noch ihren Platz finden. Aber das tun sie ganz famos: Isdal und Tofthagen, das ist das Gitarrenduo der Stunde; das ist perfekt aufeinander abgestimmtes, musikalisch riesiges und trotz viel Show-Gepose so punktgenaues Gitarrenspiel, dass ich wie ein Pinguin ganz laut mit den Flügeln klatschen möchte. Welche Songs da gerade zum Besten gegeben werden, ist vollkommen gleich. Ganz ehrlich: "Pure Heavy" hat mich auf Platte nicht komplett aus den Latschen gehauen, allerdings war mir – und Chefredakteur Peter ebenfalls – ganz schnell klar, dass diese Mucke livehaftig noch einmal so richtig zulegen würde. Was aus den heimischen Boxen vielleicht etwas zu simpel dringt, passt genau in diesem Moment einfach optimal. Es wird gesungen, abgegangen – einfach gefeiert. Ich verweise an dieser Stelle einmal auf den Kollegen Andrae, der so Vieles bereits sehr gut beschrieben hat.

Irgendwann in der Mitte des Sets ist es dann so weit: Ich habe Wasser in den Augen. Nein, ich bin kein Allergiker. Was mich in diesem Moment so packt, kann ich gar nicht ausmachen. Ergriffenheit im klassischen Sinne ist das sicher nicht, vielmehr übermannt mich die pure Lebensfreude. Doch selbst das vermag einen nicht zum Innehalten zu bringen. Die Menschen strahlen. Bis zum letzten Ton. Und darüber hinaus. Es ist Mittwochabend, scheißespät, der Club ist halbvoll, doch AUDREY HORNE hat dafür gesorgt, dass etwas über hundert Leute gerade ein ganzes Wochenende in etwa 80 Minuten erlebt haben. Ich will nicht nach Hause (Partymachen scheint spontan äußerst angebracht), muss aber schweren Herzens doch. Die Rückfahrt singe ich durch. "Pure Heavy", natürlich. Was für ein Abend.

Montag, 08. Dezember 2014, Rheinland. Mit dem Wissen, was mich heute erwarten würde, und zwei Begleitern auf dem Hinweg, ist meine Stimmung auf dem nach Köln natürlich eine ganz andere. Vor Ort treffe ich eine Handvoll weitere Freunde und Bekannte, zudem sind wir fast pünktlich zum Beginn von '77 da. Und siehe da: Das Underground ist pickepackevoll. Da muss ich nicht nur leise in mich hineingrinsen; AUDREY HORNE hat genau diesen Erfolg aufgrund all der harten Arbeit und wunderbaren Musik einfach verdient. Die Spanier agieren als Vorband erneut extrem souverän und ziehen eine tolle, energiegeladene Show ab (Stil: in etwa AIRBOURNE mit etwas klassischerem Hard-Rock-Sound), die viele im Underground – völlig zurecht – richtig mitreißt. Ich bin in diesem Moment irgendwie distanziert. Das liegt wohl einfach an der freudigen Erwartung auf eine meiner so geliebten Lieblingsbands: AUDREY fuckin' HORNE.

Dass die besseren Umstände nun einen genauso tollen Abend zur Folge haben, ist wohl nicht schwer zu erraten. AUDREY HORNE ist einfach unschlagbar. Dazu muss man sich nur mal Basser Espen Lien angucken. Den Viersaiter bearbeitet er rotzig-geil, vor allem glänzt dieser Herr jedoch mit seinen energiereichen Backing-Vocals und mit dieser Rampensau-Attitüde, die man nur mit zurücklachen benantworten kann. Meine Güte. Die Setlist ist quasi die gleiche wie in Essen, d.h. es ist mit 'Blaze Of Ashes' nur ein einziger Song vertreten, der sich nicht auf "Youngblood" oder der neuen Scheibe befindet. Das ist für Fans der älteren Platten, also auch mich, schade, aber irgendwie... ja, irrelevant. Wenn man gar keine Zeit hat, sich darüber zu ärgern, dass nun X anstelle von Y gespielt wird, dann macht eine Band einfach verdammt viel richtig. Gibt man sich zum Beispiel mal 'Waiting For The Night', dessen Text und Melodie der Tieftöner dem Publikum kurz vorher draufschafft, dann ist das für genau diese vier Minuten das beste, was man sich vorstellen kann. Und eines muss hier unbedingt noch Erwähnung finden: Der Live-Sound der "Pure Heavy"-Nummern ist so unglaublich gut, dass ich mich zum einen frage, warum die Herren nicht genau so aufnehmen, und zum anderen überlege, wie ich schnellstmöglich an eine Live-CD komme.

Die Interaktion mit dem Publikum ist (während und zwischen) den Songs wie immer sensationell, hier wird gute Laune nicht gespielt, sondern einfach ausgelebt. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen, durch die volle Hütte natürlich bis in die letzten Ecken – aber hat jemand etwas anderes erwartet? Dass inzwischen beliebte Spielchen, beim finalen Song (heute mit der bestmöglichen Wahl: 'This Ends Here') alle bis auf den Trommler beteiligten Musiker samt Equipment ins Publikum zu verfrachten, ist nur insofern erwähnenswert, dass es eigentlich nicht erwähenswert ist: Es ist eben nur ein kleines Stückchen der großen AUDREY HORNE-Show.

Was unter dem Schlussstrich bleibt, ist zwar offensichtlich, aber dennoch: Vollkommen unabhängig von jeglichen Umständen ist AUDREY HORNE ein Garant, eine Macht, eine Institution für tongewordene Lebensfreude im Vokabular des Rocks. Ich möchte diese Energie-Tankstelle nie mehr missen.

Setlist (Köln): Wolf In My Heart; Holy Roller; There Goes A Lady; Volcano Girl; Out Of The City; Tales From The Crypt; Pretty Little Sunshine; Into The Wild; Show And Tell; Blaze Of Ashes; Straight Into Your Grave. Zugabe: Redemption Blues; Waiting For The Night; This Ends Here. [Essen andere Reihenfolge und + 'Youngblood'.]

Redakteur:
Oliver Paßgang

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