Alesana, A Skylit Drive, Emarosa, Bury Tomorrow - Wiesbaden

28.05.2010 | 13:28

16.05.2010, Schlachthof

Jung, Core, Emo und Kreisch.

Das ist bestimmt die Midlife-Crisis, dass ich mich neuerdings für Metalcore und Emocore begeistern kann. Vorher ging das an mir vorbei, aber SHADOWS FALL und UNEARTH mochte ich schon länger, und da ich großer COHEED AND CAMBRIA-Fan bin, musste ich ja mal die Zwischentöne ausloten. Und siehe da, viele schöne Emobands, Alternative-Rocker und böse Corleralben später gehe ich doch mal zu ALESANA. Immerhin ist deren vorletztes Album "When Myth Fades To Legend" ein ganz starkes Stück Musik zwischen Gebrüll und Geträller. Also eine feine Sache.

Das Konzert steht unter einem guten Stern, denn ursprünglich für den kleinen Saal - die Räucherkammer - geplant, wurde die Veranstaltung ob des guten Vorverkaufs und zu erwartenden Andrangs kurzerhand in den großen Saal des Schlachthofs verlegt. Als ich ankomme, ist dieser auch ohne Zweifel mit mehr Personen gefüllt, als in der Räucherkammer Platz gehabt hätten. Mit gerade einmal 19,50 Euro an der Abendkasse ist es auch ein erschwingliches Vergnügen. Ein kurzer Blick zum Merchandise, wo es gefühlt ein Dutzend verschiedene ALESANA-Shirts gibt und die CDs der Bands nur zehn Euro kosten - allerdings ist dies der letzte Gig der Tour und EMAROSA und ALESANA sind wohl ausverkauft, und schon geht es auch los.

Ich muss die Umstehenden fragen, wer denn eigentlich die erste Band ist. Scheinbar muss man die kennen, denn ich ernte merkwürdige Blicke. Zumal ich ganz sicher zu den ältesten Anwesenden gehöre, während der Schnitt wahrscheinlich nur mit Mühe auf über 20 Jahre kommt. Na ja, so ein Publikum ist begeisterungsfähig. Und kann kreischen, zumindest der weibliche Teil. Der röhrende Bub da auf der Bühne scheint dem aktuellen Schönheitsideal der Szene nahe zu kommen, jedenfalls erntet er schmachtende Blicke zu Hauf.

Ach so, es sind übrigens BURY TOMORROW, deren Album ich mir heute Abend gleich mal mitnehmen werde. Der Sound ist ganz ordentlich für einen Opener, die Songs zwar relativ typischer Metalcore, aber sehr ordentlich umgesetzt. Das macht Spaß und ist ein guter Opener für den Abend. Die Band ist irgendwo im gleichen Alter wie die Zuschauer und macht einen auf dicke Hose durch Sprüche über Alkohol und Whisky-Flaschen auf der Bühne. Da heute der letzte Abend der gemeinsamen "The Emptiness"-Tour ist, kommen alle Musiker aller Bands im Laufe des dreißigminütigen Gigs auf die Bühne und versuchen erfolglos, eine Pyramide zu bauen. Nach ein, zwei Minuten ist der Spuk vorbei, alle umgefallenen und nicht zu BURY TOMORROW gehörenden Musiker trollen sich wieder und die Band beendet ihren Gig für einige der Fans viel zu früh.

Die Stimmung ist sehr gut, Gerempel und Gerangel haben schon stattgefunden, die ersten Anwesenden sind warmgelaufen. Nach nur einer Viertelstunde geht es mit EMAROSA weiter. Es dominieren jetzt die klaren Vocals, und Sänger Craig ist definitiv einer der Besseren. Die Band nennt sich selbst eine Post-Hardcore-Band, aber was für ein –core es ist, ist ja auch egal. Jedenfalls einer mit Keyboards. Die Fans feiern. Ob es nun allerdings notwendig ist, nicht nur zu einer Wall Of Death, sondern sogar zu einem Square Of Death aufzurufen, bei dem die Fans aus allen vier Richtungen aufeinander zu rennen sollen, möchte ich mal bezweifeln. Ein Fan mit heftig blutender Nase ist jedenfalls das Resultat, und auch dass ich den Abend ganz sicher nicht irgendwo in der Nähe des Pits verbringen werde. Aus dem Alter bin ich definitiv raus.

Auch hier ist nach einer halben Stunde Schluss, aber auch EMAROSA haben nichts anbrennen lassen und einen unterhaltsamen Eindruck gemacht. Das Wichtigste in diesem Fall ist der starke Sänger, der die Musik über den Durchschnitt gehoben hat, soweit man das beim ersten Hören beurteilen kann. Denn es gibt auch einen Kritikpunkt: Der Sound ist sicher nicht optimal. Dafür aber laut. Das ist zwei Gitarren allerdings nicht unbedingt zuträglich, etwas differenzierter wäre mir lieber. Natürlich feiert man auch mit EMAROSA den Tourabschluss in Form von einer Horde leicht bekleideter Jungmusiker, die kurzzeitig die Bühne entern.

Übrigens sieht man ständig Musiker der Bands, die gerade nicht auf der Bühne sind, am Merchandise-Stand, der während der Musik allerdings völlig ohne Fans auskommen muss. So flimmern die Laptops, es wird eine Pyramide aus Bierflaschen gebaut, und sonst unglaublich cool für die Damenwelt gepost. Eine Mischung aus Unsicherheit und Stolz auf die eigene Bekanntheit, die erfrischend und ehrlich ist und die ich den allesamt jungen Musikern sehr gönne. Auch wenn ich mal wieder komische Blicke ernte, als ich alle verfügbaren CDs – so viele sind das ja leider nicht mehr - jeweils einmal erwerbe. Warten wir mal ab, was ihr in zwanzig Jahren so hört...

A SKYLIT DRIVE sind die dritten im Bunde, die für den Headliner ALESANA eröffnen dürfen. Stilistisch ändert sich nichts, das war aber auch nicht zu erwarten. Der blonde Sänger der Band scheint außergewöhnlich jung zu sein - selbst für heutige Verhältnisse - singt aber ganz ordentlich.

Da ich wie auch bei den anderen beiden Bands mit den Songs nicht vertraut bin, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob es so ist, aber den einen oder anderen Ton scheint Michael Jagmin, so heißt der Blondschopf, nur entfernt zu treffen. Dafür brüllt immer wieder der zweite Sänger, wie bereits gesagt für die harschen Vocals zuständig, in der Gegend herum. Daran muss ich mich erst ein wenig gewöhnen, denn gelegentlich scheinen diese Ausbrüche schon recht willkürlich auch über den klaren Gesang platziert, aber der Laden tobt. Die Ansagen sind meist nur die Songtitel, die wiederum aber ziemlich außergewöhnlich sind:  'Eva The Carrier', 'I'm Not A Thief, I'm A Treasure Hunter', 'Hey Nightmare, Where Did You Get Them Teeth?', 'Wires And The Concept Of Breathing' oder 'Eris and Dysnomia'. Gefällt mir gut, es hat sich jetzt bereits gelohnt, hierher gekommen zu sein.

Vor ALESANA ist die Pause ein wenig länger, bei der Sorte Konzerte, die ich sonst üblicherweise besuche, ist in selbiger die Bar voll. Heute ist das nicht so, ich kriege problemlos und zügig etwas zu trinken, während des Auftritts der Amerikaner schließt sogar schon ein Teil des Verkaufstresens. Tja, Taschengeld ist rar. ALESANAs neues Album "The Emptiness" ist ein ambitioniertes Konzeptwerk, und was macht eine Band mit einem Solchen? Richtig, komplett aufführen. Genau so gehen ALESANA vor. "The Emptiness" wird inklusive Zwischenspiele in Gänze dargeboten. Das ist eigentlich keine schlechte Idee, leider muss ich sagen, dass ich trotz aller Versuche von "The Emptiness" nur bedingt überzeugt bin. Der Stil der Band, der deutlich mehr in Richtung Metalcore als Emo tendiert, und die drei Nebentöner neben Hauptmikrofolterer Shaun Mike werden dem emotionalen Anspruch an eine Story, die gegen Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts spielt und Tragödie und Mord wie auch tiefe Liebe als Antipoden aufeinander los lässt, einfach nicht gerecht. Einzelne Songs des Albums sind durchaus gut, aber ich war und bin dennoch enttäuscht, dass die Band es nicht schaffte, dem guten "Where Myth Fades To Legend" noch einen drauf zu setzen. Auch die Stimmung wird gegen Mitte des Sets etwas weniger ausgelassen. Liegt das an der Musik? Oder sind die ersten einfach erschöpft?

Nach etwa 50 Minuten ist das Album durch, Annabel tot und wir warten auf ältere Songs. Aber was ist das? Ist es schon Zugabenzeit? Tatsächlich, und ALESANA spielen sogar nur noch einen Song: 'Apology' vom Debüt. Ich hatte mich auf 'This Is Usually The Part Where People Scream' und 'Better Luck Next Time, Prince Charming' gefreut, aber damit ist es heute nichts. Vielleicht nimmt die Band Rücksicht auf ihre Fans, schließlich ist morgen Schule.

Als Fazit gehen heute die drei Vorbands eindeutig als Sieger vom Platz, da sie ihre Spielzeit allesamt spannender zu nutzen wussten als der Headliner. Gefeiert werden aber alle vier Bands, die stilistisch auch eindeutig das gleiche Publikum ansprechen und für durchgeschwitzte Leibchen sorgen. So gesehen ist der Abschluss der Tour hier in Wiesbaden ein voller Erfolg. Was juckt Bands und Fans da, wenn ein Metal-Opa ein Haar in der Suppe findet?

Redakteur:
Frank Jaeger

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