Alter Bridge - Frankfurt
06.02.2008 | 13:3505.02.2008, Batschkapp
Glaubt man Kollegen der schreibenden Zunft, so waren die Konzerte in den meisten anderen Städten Wochen vorher ausverkauft. Diesen Umstand konnte man auch für den heutigen Gig in der Frankfurter Batschkapp vermelden, allerdings mit dem Unterschied, dass man vor knapp zehn Tagen noch Tickets über die Batschkapp-Homepage beziehen konnte. Des Weiteren durfte man gespannt sein, ob das Quartett, wie im Interview vorher angekündigt, zwei Stunden aufs Parkett legt.
Gegen 20.45 ist es dementsprechend voll und warm in der Kapp, wobei sich sowohl die Zuschauermenge als auch das Quecksilber, angesichts des "Ausverkauft!"-Banners auf den Plakaten, noch im erträglichen Rahmen hält. Vor dem Headliner steht jedoch der "Spaß am Zerstören" auf dem Programm.
Mit zehnminütiger Verspätung schleichen unauffällig ENJOY DESTROY auf die Bühne. Das junge Quartett zelebriert nicht allzu heftigen Alternative Rock, der sehr schön in die Ohrmuscheln reinflutscht. Besonders der Frontmann und Gitarrist ist für sein junges Alter mit massig Charisma und Selbstvertrauen gesegnet und lotst seine Kameraden durch den knapp 35 Minuten langen Auftritt. Während der Gitarrist dem Pony-Haarschnitt alle Ehre macht, groovt sich der Tieftöner am rechten Bühnenrand ins Nirvana. Apropos NIRVANA: Kurt Cobain und seine Mannen haben deutliche Spuren im Sound der Jungs hinterlassen, aber auch KATE BUSH und die SMASHING PUMPKINS lassen gelegentlich grüßen. Lustig ist auch die Tatsache, dass der Bassist höchstens einen Kopf größer ist als sein Arbeitsinstrument, was einen recht bizzaren Eindruck hinterlässt. Das Publikum in der Kapp schaut angesichts der Performance der Jünglinge leicht verdutzt auf die Bühne, wobei die meisten noch nicht einmal wissen, wer sich auf den Brettern den Allerwertesten aufreißt. Dennoch können die Jungs den obligatorischen Höflichkeitsapplaus einheimsen und verabschieden sich genauso schnell, wie sie auf die Bühne gestiegen sind.
Bei den Herren Myles Kennedy, Mark Tremonti, Scott Phillips und Brian Marshall sieht die Sache ganz anders aus. Während der Umbaupause werden schon die ersten "Alter Bridge"-Chöre geschmettert, und als um Punkt 22.21 Uhr das Hallenlicht ausgeht und das 'For Those About To Rock'-Intro von AC/DC ertönt, kennt die Begeisterung keine Grenzen. Mit einem glasklaren Sound gesegnet versprühen ALTER BRIDGE Tonnen an positiver Energie, die von der ausgehungerten Rockmenge wie ein Schwamm aufgesaugt wird und sich wie ein Virus durch die Reihen zieht. Allen voran Myles ist mit einer unglaublichen Röhre gesegnet, und als ob das nicht genug wäre, bearbeitet der Junge auch noch gefühlvoll seine Axt. Natürlich sind ein Großteil der Soli Mark Tremontis Baustelle, doch zwei Gitarren bringen mehr Dampf in den Kessel. Scott und Brian sind damit beschäftigt, das rockige Fundament zusammen zu halten. Schon nach den ersten Minuten muss man dem Quartett attestieren, dass es verdammt gut aufeinander eingespielt ist und man Starallüren mit der Lupe suchen muss. Zwar war der COHEED & CAMBRIA-Gig vor wenigen Wochen musikalisch ein Genuss, doch was die Interaktion mit dem Publikum angeht, so kamen sehr wenige Ansagen zum Zug. Heute abend läuft der Hase ganz anders, denn Myles hat immer einen Spruch auf den Lippen und kommuniziert offenherzig mit den ersten Reihen. Seine Deutschkenntnisse sind auch nicht von schlechten Eltern ("Wie geht's?", "Tschüß!"), kommt aber nicht bei jedem Fan an ("Dein Deutsch ist scheiße!"), was er passenderweise mit "You suck!" übersetzt, was der Intention hinter dem Spruch sehr nah kommt. Des Weiteren spielt er zu Beginn meistens die Songs an und fragt in die Runde, welcher Track als nächstes an der Reihe ist.
Besonders sympathisch finde ich die Tatsache, dass sich die Jungs absolut natürlich geben und auch über Verspieler und kleine Fehler hinweg sehen. So geschehen beim Hit 'Open Your Eyes', wo Myles die ersten zwei Strophen verhaspelt. Dafür hat er bei den "Uhh"-Chören wieder das Zepter in der Hand, und gibt es danach auch nicht mehr so leicht weg. Apropos weggeben: Sehr sympathisch ist die Tatsache, dass die Jungs auf die deutsche Fanseite http://www.metalingus.de aufmerksam machen und zwei ALTER BRIDGE-Shirts an diejenigen verteilen, die beim Songraten besonders gut waren. Generell muss man sagen, dass die Stimmung sehr ausgelassen und voll positiver Energie ist. Crowdsurfer sind fast Mangelware. Der Security-Mann der Batschkapp muss während des Gigs höchstens zwei bis drei Male eingreifen. Auf der anderen Seite zelebriert Mark Tremonti die Soli wie auf den CDs, wobei die "One Day Remains"-Tracks auf mehr Resonanz stoßen. Lustig ist auch die Frage, ob jemand im Publikum die "Blackbird"-Scheibe oder einen Download davon hat. Wir sehen: Die Musiker sind sich der Download-Problematik bewusst.
Nach 70 Minuten ist erstmal Schicht im Schacht, doch die Truppe lässt sich nicht lange bitten, und ist zackig zurück auf der Bühne, um noch drei Zugaben rauszuhauen. Besonders spartanisch fällt dabei 'Mudbone' aus, wo Myles einzig mit einer mit Westernsound versehenen Gitarre das Lied zum Besten gibt.
Nach neunzig Minuten wird endgültig der Feierabend eingeläutet. Zum Abschluss verteilen die Mitglieder Drumstöcke und Plektren und schütteln noch artig die Hände der Anhänger/-innen in den ersten Reihen.
Im Interview haben ALTER BRIDGE im Herbst eine weitere Europatour angekündigt. Egal, wo das Quartett dann spielt: In der Form können die Jungs immer wieder in good old Europe aufschlagen.
Setlist:
Intro ('For Those About to Rock' von AC/DC)
Come To Life
Find The Real
Brand New Start
Whiteknuckle
Buried Alive
Coming Home
One Day Remains
Before Tomorrow
Ties That Bind
Blackbird
Watch Over
Metalingus
Open Your Eyes
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Broken Wings
Mudbone
Rise Today
- Redakteur:
- Tolga Karabagli