BEYOND THE BLACK - Stuttgart

26.06.2020 | 20:17

25.06.2020, Flughafen

Eine Band, ein riesiges Gelände und Rocken vor Autohauben.

Wer wissen will, wie das aussieht, kann sich ja mal Samstag morgens auf den lokalen Supermarkt-Parkplatz stellen und einen schönen AC/DC-Klassiker anstimmen. Man könnte sich allerdings etwas blöd vorkommen. Aber die Erfahrung eines solchen "Drive-In"-Konzertes ist auch für das Publikum seltsam. Was ist es, was dich auf Konzerte bringt? Die Erfahrung, den Musikern nahe zu sein? Das Erlebnis von Lautstärke und Teilen der Leidenschaft? Das gemeinsame Abfeiern und lauthals Singen der Gassenhauer? Der Mosh-Pit, die Wall Of Death oder vielleicht die Bewunderung der instrumentalen Fähigkeiten der Protagonisten?

Nun, bei so einem Autokonzert gibt es nichts davon. Ich erlebe den Auftritt von BEYOND THE BLACK beim Live Sommer 2020 in Stuttgart und stattdessen ist es so: großzügige Abstände zwischen den Fahrzeugen, eine relativ weit entfernte Bühne mit einer minimalen PA, damit die Band sich wenigstens selbst hört, und natürlich kein Fangefühl. Dabei muss man positiv erwähnen, dass die Organisatoren das Ganze entspannt angehen und gestalten. Eigenlich heißt es, man solle nicht aussteigen, und schon wenn die Fenster heruntergekurbelt seien, sei ein Mundschutz zu tragen. Aber da das Gelände wirklich weitläufig ist und sich alle sonst sehr diszipliniert verhalten, sagt niemand etwas, als im Laufe des Konzertes immer mehr Besucher auch aussteigen und neben ihren Fahrzeugen an der frischen Luft zuschauen.

Das ist es dann auch vor allem, ein Zuschauen aus der Entfernung. Eine große LED-Leinwand, mit Bildern bestückt von zwei guten Kameramännern mit einem Auge für die Situation auf der Bühne, ist das hauptsächliche Erlebnis, dass die Veranstaltung bietet. Wenn man nicht in den ersten beiden Reihen parkt, spielt die Band doch in einer erheblichen Entfernung und man kann die Gesichtsausdrücke der Musiker, wenn sie nicht gerade auf der Leinwand prangen, nicht entziffern. Dafür ist der Sound gut, denn auf einer eigenen Frequenz bekommt man einen Spitzenklang direkt über das Autoradio. Den hätte ich wirklich gerne auch bei anderen Konzerten!

Die Band dürfte ein ebenso merkwürdiges Gefühl dabei haben und die Erfahrung aus meinem Einleitungssatz machen. Man schaut vor allem auf Autos, dunkle Frontscheiben und eine dahinterstehende Sonne. Interaktion mit dem Publikum ist kaum möglich, die Situation wirkt erstmal wie eine Live-Version von "Cars", bei der die fahrbaren Untersätze nach dem Lied mit Scheibenwischern winken, durch Lichter Begeisterung ausdrücken und lautstark hupen. Letzteres sollte eigentlich unterlassen werden und ist wirklich extrem störend, findet aber dennoch statt. Glücklicherweise sorgen aussteigende Fans dann wenigstens für ein paar Gesichter, die den Musikern zeigen, dass sie nicht den Aldi-Parkplatz beschallen.

Umso mehr muss ich loben, dass BEYOND THE BLACK das Konzert in einer Weise spielt, als ständen einige Tausend begeisterte Fans vor der Bühne. Es wird gepost und gerockt und Sängerin Jenny hat sich extra stärker als üblich geschminkt, um auch für die entfernteren Zuschauer, für die die meisten Nuancen unsichtbar bleiben, Struktur ins sonnenbeschienene Gesicht zu bringen, aber da die meisten auf die LED-Wand schauen, gibt es diesen Effekt kaum. Es war eine gute Idee, aber das hätte die Sängerin sich sicher sparen können. Aber dieses Autokonzert ist für alle eine Lernerfahrung.

Ja, und Musik gibt es natürlich auch noch, immerhin sind die Konzerte am Donnerstag in Stuttgart und Freitag in Oberhausen die Release-Konzerte des neuen Albums "Horizons", das Mario, einer unseres größten Experten für extremen Metal, in seinem Review ziemlich abfeiert. Die neuen Lieder werden zwischen die Gassenhauer gestreut und machen eine gute Figur. Das neue Album ist abwechslungsreicher als zuvor und zeigt gereifte Komponisten, die nach nunmehr vier Veröffentlichungen auch aus dem Vollen schöpfen können, was die Setliste angeht.

Natürlich müssen einige Standards dabei sein wie 'Heart Of The Hurricane', 'Songs Of Love And Death', 'Lost In Forever', 'When Angels Fall', 'In The Shadows' und 'Hallelujah'. Wenn man fünf neue Lieder zu diesen sechs Bandklassikern addiert, bleibt natürlich nicht mehr so viel Platz für Überraschungen. Tatsächlich sind nur 'Burning In Flames' und 'Through The Mirror' neu ins Set gestoßen im Vergleich zur letzten Tour im Herbst 2019, aber zusammen mit den "Horizons"-Stücken macht das immerhin ein halbes, neues Set und damit für Fans der Band ein tolles Programm.

Einen besonderen Eindruck macht ein akustischer Teil in der Mitte des Gigs, für den sich Frontfrau Jennifer Haben umzieht und von Schwarz auf Rot wechselt. In diesem Teil erklingt auch das poppige Trotz-Lied 'Misery', wobei ich die Kontroverse nicht recht nachvollziehen kann. Vielleicht muss man einfach mal ein bisschen die Scheuklappen ablegen, und dass das Lied irgendwie nach Disney klingt, ist ja nun wirklich keine Kritik. Zwei der größten Songs der letzten Jahre hören auf die Namen 'Let It Go' und 'Into The Unknown', auch wenn man das natürlich als Metaller nicht zugeben kann. Obwohl, doch, ich kann. Und ich mag auch 'Misery'.

Wieder in Schwarz geht es dann in den Endspurt und in eine Zugabe aus zwei Stücken, bis das Konzert nach etwa achtzig Minuten vorbei ist. Ich hätte mir schon noch ein paar Lieder gewünscht, als einzige Band des Abends ist da doch noch etwas Luft nach oben, was leider auch auf die Besucherzahl zutrifft. Nur etwa 120 bis 150 Fahrzeuge sind weniger, als ich erwartet hatte, aber auch da gilt wohl, dass sich alle erst einmal mit der Situation vertraut machen müssen.

Die Frage ist mittlerweile, was die Alternative ist? Konzertveranstaltungen, wie wir sie uns wünschen, erscheinen auf absehbare Zeit nicht durchführbar, Live-Streams sind schön, aber für mich nur eine Ergänzung und kein Ersatz für das echte Live-Erlebnis. Sind Autokonzerte die Lösung? Ich meine, nein, weil sie eben auch nicht das Gefühl eines richtigen Auftrittes vermitteln, zumal der Aufwand erheblich ist und damit die Tickets auch recht teuer, aber trotzdem ist der Live Sommer eine gute Idee, aber vielleicht eher etwas für Comedy und Kabarett als für Rockkonzerte. Ich glaube nicht, dass sich diese Idee durchsetzen kann, aber ich würde jedem empfehlen, es einfach einmal auszuprobieren. Wenn die Krise vorbei ist, wird es so etwas nach meiner Prognose nie wieder geben.

Immerhin wäre es eine Möglichkeit für Bands, in der schönen Jahreszeit ein paar Auftritte zu haben und etwas Geld in die Bandkasse zu spülen. Wobei eine weitere Einnahmequelle wegfällt: Das Merchandise. So fehlt heute natürlich der T-Shirt- und Devotionalien-Stand, aber dafür hat BEYOND THE BLACK eine gute Lösung gefunden. So gibt es nur bis Sonntag im Bandshop auf der Homepage ein exklusives T-Shirt nur für die beiden Auftritte in Stuttgart und Oberhausen, die auch erst nach Bestellung produziert werden. Das ist eine großartige Idee, exklusiv und besonders, ohne dass die Band nachher diverse Reste übrig hat. Zusätzlich gibt es ein Crew-T-Shirt, von dem ein Drittel der Einnahmen an die Live-Crew weitergereicht werden, die natürlich im Zuge der Covid-19-Pandemie keinerlei Einnahmen mehr hat. Ich werde gleich mal rübersurfen, das tolle, dezente Crew-Shirt kommt auf jeden Fall in den Warenkorb. Neben dem Eventshirt natürlich. Nachdem ich so viel Spaß mit der Band habe, muss ich auch meinen Teil dazu beitragen, dass wir den Zyklus nicht unterbrechen und 2022 der "Horizons"-Nachfolger ins Haus flattern kann. Und davor hoffentlich noch zwei Headliner-Touren von BEYOND THE BLACK mit dem richtigen Konzerterlebnis stattfinden werden.

Setliste: Horizons; Hysteria; Burning In Flames; Million Lightyears; Wounded Healer; Heart Of The Hurricane; Human; Through The Mirror (akustisch); Misery (akustisch); Songs Of Love And Death (akustisch); Written In Blood; Lost In Forever; When Angels Fall; In The Shadows; Zugaben: Golden Pariah; Hallelujah

Redakteur:
Frank Jaeger

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