DEAF FOREVER Birthday Bash - Hamburg
09.10.2024 | 22:5821.09.2024, Markthalle
Die ewig tauben Überzeugungstäter feiern 10jährigen Geburtstag!
In Sachen Idealismus, Leidenschaft, vor allem aber hinsichtlich Kompetenz und Fachexpertise, werdet ihr, werte Leserinnen und Leser, im Online-Segment qualitativ nichts Besseres finden als powermetal.de, und hier sprechen wir im Namen der Kolleginnen und Kollegen selbstverständlich nur aus rein objektiver Perspektive...
In aber generell schon sehr hektischen und ungemütlichen Zeiten, in denen die News nicht schnell genug über die hiesigen Ticker laufen können und, um bei der Musik zu bleiben, die Ankündigung eines neuen Albums der Lieblingsband bereits eine halbe Stunde später wieder bereits der gefühlte Schnee von gestern ist, halten wir es für sehr wichtig und unerlässlich, dass Printmagazine auch nach wie vor nicht müde werden, den fallenden Abonnentenzahlen und den daraus resultierenden stetig geringer werdenden Anzeigenerlösen weiterhin mit passioniertem Qualitätsjournalismus zu trotzen.
Denn seien wir mal ehrlich. Mit dem Tablet auf dem Schoß sich mal schnell auf dem Laufenden zu halten, ein aktuelles Live-Review oder mal die Rezension zur langen ersehnten Platte online zu lesen, ist schon ziemlich geil, denn das gab es ja vor guten fünfundzwanzig Jahren so alles noch nicht in dieser bequemen Form. Aber, so wie die meisten unter uns ja auch lieber eine CD, Kassette oder Vinyl-Platte dem schnöden mp3-Download oder Stream vorziehen, haben wir doch genauso gerne mal ein haptisches Magazin mit frischem Duft nach Druckerschwärze in den Händen, mit dem man es sich auf dem heimischen Sessel, auf der Terrasse oder eben auch in der Nasszelle oder sonst wo schön gemütlich machen kann. Wie bei einem guten Buch auch, ist man hier doch um einiges mehr entschleunigt als bei der Online-Lektüre und läuft nicht ständig Gefahr, in einem der unzähligen, parallel geöffneten sechsundsechzig Screenfenster Ausschau zu halten nach möglicherweise vorbeirauschenden Dingen, die sich am Ende ja meistens ohnehin nur als laue, unrelevante Luft entpuppen.
Das DEAF FOREVER ist ein solches Qualitätsblatt mit einerseits hohem inhaltlichem Anspruch und jahrzehntelanger redaktioneller Fachkenntnis, welches anderseits aber noch mit genügend Überzeugung ("Metal und Hardrock für Überzeugungstäter!" lautet das Heftcredo), Hingabe und nerdhafter Begeisterung gespickt ist, wie sie die älteren Semester unter uns sonst wohl nur noch von der Fanzine-Kultur der 80er und 90er Jahre her kennen dürften. Das DEAF FOREVER ist sozusagen das powermetal.de unter den Printmagazinen. 2014 aus der Taufe gehoben von einer Meute positiv Verrückter, die zum einen dem Rock Hard aus persönlichen und inhaltlichen Gründen den Rücken kehrten, zum anderen sich aus ganz normalen Fans wie du und ich rekrutierten, die vorher vielleicht noch nicht wirklich großartig in Erscheinung getreten sind, aber eben den nötigen Stallgeruch in Form von Expertise, Begeisterung und Nerdtum mitbrachten.
Zehn Jahre und sechzig Ausgaben später ist das Magazin also noch immer da, und das ist auch verdammt gut so! Ich selbst habe seit der ersten Ausgabe keine einzige verpasst. Es gab sehr geile Ausgaben und es gab weniger geile, aber immer noch tolle, lesenswerte Ausgaben. So ist das aber eben mit dem persönlichen Geschmack. Ausnahmslos allen Ausgaben aber wohnte der berühmte Zauber inne, sie trieften geradezu vor Herzblut und ließen uns immer wieder aufs Neue unbekannte Bands entdecken und kennenlernen und jedes Heft (fast) von vorne bis hinten aufsaugen. Einige Specials haben wir tatsächlich bis zum heutigen Tage noch immer nicht gelesen. Aber, wenn das Internet irgendwann einmal in sich implodieren sollte, bleiben wir entspannt. Denn Papier ist bekanntlich geduldig, und dann können wir noch immer das eine oder andere Verpasste gaaaaanz in Ruhe nachholen...
DEAF FOREVER, im Namen des ganzen Teams wünschen wir euch von stählernem Herzen alles Gute zum zehnten Geburtstag. Bleibt, wie ihr seid, und bewahrt euch auch eure gesellschaftliche Haltung. Auf die nächsten zehn Jahre, mindestens!
[Stephan Lenze]
Den Reigen eröffnet KERRIGAN aus Freiburg. Die Band wurde als bester Newcomer ausgezeichnet und ich freue mich eine zweite Öffnung ins Gesäß, das Quartett hier live erleben zu dürfen. Wer sich an unseren "Neuer Heisser Scheiss"-Artikel erinnert, wird vor Augen haben, dass ich "Bloodmoon" ziemlich toll fand. Diese Meinung hat sich in den vergangenen Monaten eher noch verbessert, denn so einen mitreißenden und gleichzeitig luftigen Heavy Rock gibt es in dieser Qualität heute nicht häufig.
So ist die ehrwürdige Markthalle zu Beginn des Auftritts zwar noch nicht sehr voll, aber das stört die Jungs nicht im Geringsten. Sofort startet man mit 'Intruders' vom Demo und macht klar, dass man auch live dieses Feuer reproduzieren kann, welches mir auf den Konserven schon so zusagt. Weiter im Takt geht es mit dem coolen Titelsong des Albums bevor man es mit der rasanten Hookline-Keule 'Child Of Sin' endgültig schafft, meine Glieder zum Wippen zu bringen. Die konstant in feuerrotes Licht getauchte Bühne passt natürlich ausgezeichnet zum Blutmond-Thema und so wird die heiße Musik auch noch optisch passend ausgestrahlt. Weiter im Text geht es mit dem plakativ betitelten 'Heavy Metal 2020'. Aber was soll's? Pragmatische Titel sind manchmal eben auch passend. Zurück zum Album geht es mit 'Eternal Fire' und damit wird es auch gleich wieder heiß. Man könnte ein Lieblingsthema vermuten.
Bedenkt man, dass die Jungs heute erst ihren dritten Auftritt bestreiten, muss man alle verfügbaren Hüte ziehen, denn so langsam füllt sich auch die Markthalle. Ich weiß nicht, ob ich vor so einem großen Publikum gleich so souverän aufspielen würde. Von Lampenfieber oder Berührungsängsten merke ich jedenfalls nichts. 'Mesmerizer' und das flotte 'Forces Of Night' heizen weiter an bevor man DIE Mitsinghymne aus dem Köcher zieht. 'Hold The Banner' ist ein verfluchtes Hookline-Wunder, welches auch in einer Livesituation wunderbar funktioniert. Ich ärgere mich ein bisschen über mich, da ich oben hinterm Mischpult stehe und dort zu diesem Zeitpunkt der Veranstaltung etwas der akustische Druck fehlt. Vor allem ist der Gesang deutlich zu leise. Als erprobter Im-Auto-Kann-Ich-Alles-Singen-Fahrer weiß ich den Text natürlich trotzdem (phonetisch) und singe lautstark mit. Ich hoffe, mein direktes Umfeld hat es nicht gemerkt. Als Rausschmeißer kommt dann das originelle WOLF(UK)-Cover 'Rest In Peace'. Keines dieser Standard-Dinger, sondern ein toller Songs aus der zweiten Reihe, der nebenbei auch noch zeigt, wie tief die Musikanten in der Materie stecken. Toll!
Setliste: Intruders; Bloodmoon; Child Of Sin; Heavy Metal 2020; Eternal Fire; Mesmerizer; Forces Of Night; Hold The Banner; Rest In Peace (WOLF Cover)
[Holger Andrae]
Neben Heavy Metal und Death Metal darf heute natürlich auch der schwarzdurchtränkte Stahl nicht fehlen, und für den ist die aus Köln stammenden Band ULTHA zuständig, die es seit der Gründung im Jahr 2015 nun immerhin auch schon auf vier Studioalben gebracht hat. Da die Kombo es stiltechnisch allerdings eher "atmospheric" als "raw" angehen lässt, ziehen sich auch die einzelnen Stücke entsprechend in die Länge. Nichts also mit schnellen und brutalen Prügelnummern um die zwei, drei Minuten. Somit kommt man am Ende auch lediglich "nur" auf fünf Songs, und diese sind entsprechend lang und kommen bis auf eine Ausnahme ('The Avarist (Eyes Of A Tragedy)') ausschließlich vom aktuellen 2022er-Opus "All That Has Never Been True". Nach einigen netten Worten Richtung DEAF FOREVER und der Info, dass der Schlagzeuger am heutigen Tag wieder ein Jahr mehr auf der Lebensuhr hat, geht es dann auch schon los. Der zuständige Mensch an der Nebelmaschine kommt jetzt auf seine Kosten und hat gut zu tun, während der Lichtmischer sich es nun verhältnismäßig gemütlich machen kann, heißt: Die Bühne ist und bleibt bis Ende des Gigs in feuriges und nebeldurchtränktes Rot gehüllt. Das ist keine schlechte Idee, geht es visuell doch gut einher mit den dichten und wuchtigen Kompositionen der Formation. Man kann den Jungs nicht vorwerfen, dass sie hier trotz der ausladenden und nur auf den ersten Hör monoton wirkenden Stücke nicht für genügend Abwechslung sorgen. Cleane und verzerrte Gitarren auf der einen und zweistimmiger Gesang (markerschütternde Schreie und tiefere Growls) auf der anderen Seite sorgen hier für ausreichende akustische Vielfalt auf der Bühne. Ich selbst habe mich mit der Band bisher leider noch nicht auseinandergesetzt, werde das nach diesem Auftritt aber schon sehr bald nachholen, denn diese interessante Melange aus tranceartigen Passagen, dröhnenden Gitarren-Wirbelstürmen und Blastbeat-artigem Geknüppel entspricht im Grunde genommen genau meinem musikalischen Beuteschema. Sehr feiner Auftritt!
Setliste: Der alte Feind (Jeder Tag reißt Wunden); Dispel; Bathed In Lightning, Bathed In Heat; The Avarist (Eyes Of A Tragedy); Rats Gorged The Moon... And All Fell Silent
[Stephan Lenze]
Auf das schwedische Heavy-Metal-Geschwader von RAM hatte ich richtig Bock. Die Band hat mich bisher jedes Mal komplett abholen können und präsentiert Heavy Metal wie kaum eine andere Band. Die moderne Version von JUDAS PRIEST. Es dominieren Leder und Nieten. Viele Nieten. Selbst einer Person, die vorher noch keinen Ton der Band gehört hat, ist beim ersten Anblick klar, was jetzt folgen muss. Der gelungene Einstieg mit 'Defiant' und 'The Trap' bringt die Halle schnell auf Betriebstemperatur und beim folgenden 'Blades Of Betrayal' muss ich weiter nach vorne. Noch immer kommt im hinteren Teil der Halle kaum Gesang an und Oscar möchte man schon hören. Wobei er allein schon durch sein Posing mehr als sehenswert ist. Wie ein ausgehungertes Tier fegt er über die Bühne und stachelt die ersten Reihen immer wieder an. Völlig unnötig, denn die Halle frisst ihm eh aus der Hand.
Weiter vorn macht das dann auch deutlich mehr Laune, denn plötzlich fühlt man auch die Energie der Musik und man kann auch Oscar hören. Als die ersten Takte vom Übersong 'Gulag' ertönen, werden nicht nur Fäustchen geballt, Nein, es wird auch die Luftgitarre benutzt. Was für ein Triumphzug! Dieser epische Genickschlag sorgt dann offenbar bei vielen Anwesenden für den finalen Euphorie-Kick, denn hier sehe ich nun auch um mich herum nur wippenden Körper. Der von der Bühne signalisierte Wunsch zum Mitsingen wird von ein paar Hundert Kehlen sofort erfüllt. Grandios! Das im direkten Anschluss folgende 'Sudden Impact' schürt das Feuer dann weiter an. Wenn ich bedenke, dass RAM für mich noch immer eine neue Band ist, muss ich schmunzeln, denn diese Nummer ist ja auch schon 23 Jahre alt. Verschrobene Sichtweisen, die man mit grauen Ohren so hat. Nun kündigt die Band an, dass sie sich in den Vorbereitungen zu einem neuen Album befindet und dass nicht einmal ihr Label Metal Blade den Titel wüsste. Wir erfahren ihn exklusiv: "Against". Okay, schlichter geht es kaum. Wollen wir mal hoffen, dass wir von Aluhüten verschont bleiben. Der nun gespielte neue Song 'Night Blades' geht mit seinem stampfenden Rhythmus sofort in die Glieder. Schön scharfkantiges Riff und ein ein beinahe eingängiger Chorus, zumindest für scharfkantig hörende Ohren. 'Eyes Of The Night' und der Bandklassiker 'The Usurper' sorgen dann für weitere Gelenkschmerzen am kommenden Tag. Was sind diese Songs doch für markerschütternde Granaten! Aber es kommt noch besser! 'Machine Invaders' ist vielleicht der beste Priest-Song, der nicht auf einem Album eben jener Metalgötter steht. Ein moderner All-Time-Favorit, dessen Durchschlagskraft auch nach all den Jahren nicht nachlassen will. Mit 'Infuriator' werden wir dann brachial in die Pause geschickt.
Erneut haben die Nordmänner bewiesen, dass man auch heute noch eine vermeintliche altmodische Spielweise zeitgemäß darbieten kann. Bis auf das obligatorische Fehlen von meinem Liebling 'Suomussalmi (The Few of Iron)' gibt es gar nichts zu nörgeln. Exzellenter Auftritt! Ich hohle mir ein Getränk und gebe zurück an die Schaltzentrale.
Setliste: Defiant; The Trap; Blades Of Betrayal; Gulag; Sudden Impact; Night Blades; Eyes Of The Night; The Usurper; Machine Invaders; Infuriator
[Holger Andrae]
Nach ULTHA ist ASPHYX die zweite Band des Abends, die ganz grob dem Extreme Metal frönt, wobei sich beide Kapellen letztendlich doch soundtechnisch stark unterscheiden. Während bei den deutschen Black Metallern mithilfe von Nebel, Tremolo-Wänden und Blastbeats Atmosphäre aufgebaut werden soll, geht es bei den niederländischen Death-Doomern direkt in die Fresse und das direkt von Beginn an. Mit 'Vermin' vom Debütalbum "The Rack" fängt der Spaß mit Geschwindigkeit an, während sich bei den Jungs Groove und druckvolle Tempi die Klinke in die Hand drücken. So hat man das Publikum schnell in der Hand, wobei zwar nicht so energisch Refrains oder Texte mitgesungen werden wie später bei CIRITH UNGOL, jedoch fast jeder schwere Groove, der vom Drummer zelebriert wird, von den ersten Reihen mindestens ebenso inbrünstig aufgenommen wird. Bei dem Songmaterial, das die Urgesteine zu bieten haben, ist dies auch kein Wunder, da man mittlerweile aus dem Fundus zehn Album feinsten Oldschool-Death-Metals schöpfen kann, wobei sich die Band die Highlights fürs Ende aufgespart hat. Mit einem der besten Death/Doom-Songs der Geschichte, gemeint ist natürlich das lange und ausladende 'The Rack' mit unvergesslichem Hauptriff, geht es auf die Zielgeraden, wo man mit dem Titeltrack der zweiten Scheibe den wirklich gelungenen Auftritt beendet, an dem es wenig auszusetzen gibt. Man könnte sich beschweren, dass beispielsweise 'M.S. Bismarck' nicht den Weg in die Setliste geschafft hat. Doch auch ohne diesen Song können die Niederländer auf ganzer Linie überzeugen, während jedoch manchen die zumindest interessanten Ansagen von Van Drunen, die man jedoch wegen Nuschelns und des Mischens von Deutsch, Niederländisch und Englisch nicht durchgehend versteht, auf die Nerven gehen. Letztendlich trübt dies aber nicht den Umstand, dass ASPHYX bewiesen hat, dass sie eine Bank des Death Metals alter Schule ist und die Show einfach Spaß gemacht hat.
Setliste: The Quest Of Absurdity; Vermin; Molten Black Earth; Death The Brutal Way; Asphyx (Forgotten War); Deathhammer; Knights Templar Stand; Scorbutics; Forerunners Of The Apocalypse; The Rack; Last One On Earth
[Kenneth Thiessen]
Als Festival-Closer fungiert heute keine Geringeren als the mighty CIRITH fuckin' UNGOL. Als das DEAF FOREVER vor zehn Jahren seine erste Print-Ausgabe unter das ausgehungerte Volk brachte, war an eine Rückkehr der Ungolen nicht im Traum zu denken. Jedem, dem man seinerzeit erzählt hätte, die legendären Epic Metaller aus Ventura, Kalifornien, würden eine Dekade später eine zehnjährige Geburtstagssause eben jenes Printmagazins headlinen, hätte man wohl ohne Umschweife ins nächste Heavy Metal-Sanatorium geschickt. Glücklicherweise wollte es das Schicksal aber genau so, dass die einst in den 80er Jahren über allen Maßen verkannte Band ein Jahr später, also 2015, zurückkehren und den ihnen vollkommen zurecht zustehenden Ruhm mit einiger Verspätung für sich einfahren sollte. Der Dank gebührt hierfür unter anderem auch einem gewissen Jarvis Leatherby, der seit der Reunion nicht nur die dicken vier Saiten zupft, sondern darüber hinaus auch die geschäftlichen Geschicke der Band leitet und maßgeblich daran beteiligt gewesen ist, sie seinerzeit aus der sicher geglaubten ewigen Versenkung zu befreien.
Dies hat sich unterm Strich als eine absolut hervorragende Idee erwiesen, hat die Combo seitdem doch unzählige Festivalbühnen quer über den Erdball bespielt und so ganz nebenbei auch noch zwei absolut großartige Alben veröffentlicht, die sich hinter den vier Meisterwerken der "ersten" Phase absolut nicht zu verstecken brauchen. Und so ist es auch kein Wunder, dass CIRITH UNGOL auch heute wieder bestens aufeinander eingespielt ist und aus einem schier unglaublichen Fundus von Killergranatensongs schöpfen kann. Mit 'Atom Smasher' wird jener Reigen dann auch eröffnet. Neben dem bereits erwähnten Jarvis ist heute auch sein NIGHT DEMON-Kompagnon Armand Anthony an der Gitarre wieder mit von der Partie. Es dauert aber mit 'I'm Alive' und 'Sailor On The Seas Of Fate' von der aktuellen Platte noch einmal zwei Songs, bis ich gewahr werde, dass der Sound bei meinen letzten drei Ungol-Konzerten doch irgendwie fetter und satter gewesen ist. Woran mag das liegen? Es liegt vermutlich an den heute ausgezeichnet schmeckenden Bierkaltschalen, dass ich erst jetzt merke, dass Armand hier der einzige Gitarrist weit und breit auf der Bühne ist.
Glücklicherweise steht in Gestalt von Holg zu meiner Linken aber ausreichende geballte Sachkompetenz und Fachexpertise bereit, der mich kurzerhand darüber aufklärt, dass Jim Barraza bereits seit letztem Jahr nicht mehr Teil der Band ist. Das ist tatsächlich an mir vorbeigegangen. Viele Leute meinen zwar im Nachgang, dass Jarvis die Soundlöcher zu Genüge stopfen konnte, ich hingegen bleibe dabei: CIRITH UNGOL ist und bleibt für mich eine Band, denen live zwei Gitarren einfach viel besser zu Gesicht stehen! Mit 'Blood And Iron' und 'Chaos Descends' wird dann auch dem 86er-Werk "One Foot In Hell" verdientermaßen gehuldigt. Für Action und bewegungsfreudige Bühnenpräsenz ist natürlich auch heute wieder "Team" NIGHT DEMON zuständig, zuallervorderst selbstverständlich der immer unter Strom stehende Tausendsassa Mr. Leatherby, während es die alten Recken Robert Garven an der Trommelbude und Frontsirene Tim Baker gewohnt stoisch, aber wie immer total souverän angehen lassen.
Mit den Göttergaben 'Frost And Fire' und dem wunderbar angedoomten 'Black Machine' geht es dann mit der Zeitmaschine wieder in die frühen 80er Jahre, bevor es mit 'Looking Glass' und 'Forever Black' anschließend Richtung Neuzeit geht. Es folgen die tiefenbassgetränkten 'Master Of The Pit' und 'King Of The Dead', gefolgt von dem Albumcloser 'Down Below' der aktuellen Platte, der auch hier das reguläre Live-Set beendet. Aber eine Band wie CIRITH UNGOL hat selbstredend die unausgesprochene Pflicht, hier nochmals in die Nachspielzeit gehen zu müssen. Zum einen wurde das oft unter Radar fliegende "Paradise Lost" aus dem Jahr 1991 ja noch keines Songs gewürdigt, zum anderen befindet sich die Band vor der anstehenden verdienten zweiten und höchstwahrscheinlich finalen Musikerrente ja quasi auf Abschiedstour. Und für einen großen Teil der hier anwesenden Feierbiester, inklusive meiner Wenigkeit, ist das hier wohl das ultimativ letzte Ungolen-Konzert. Auch aus diesem Grunde hätte sich der eine oder andere im versammelten Rund vielleicht noch ein wenig mehr Kommunikation und metallischen Schulterschluss mit den Fans gewünscht. Aber Tim Baker ist und bleibt eben, wie er ist, und wird auch zum Ende der Karriere wohl nicht mehr zum großen Kommunikator und Geschichtenerzähler mutieren, und das ist am Ende des Tages dann vielleicht auch gut so.
Und so werden uns als Zugaben 'Death Of The Sun' und mit 'Join The Legion' (von "Paradise Lost") noch ein Gassenhauer erster Güte mit Mitgrölpotential vor den Latz geknallt, bevor in der Markthalle (von den DEAF FOREVER-Lesern im übrigen in jährlicher Regelmäßigkeit immer zur Konzertlocation Nr. 1 gevoted) dann nicht nur das Bühnen- sondern auch das Saallicht schon sehr bald ausgeschaltet wird.
CIRITH UNGOL: Danke, dass es euch gibt. Danke vor allem aber dafür, dass ihr uns die Gelegenheit gegeben habt, den ganzen geilen Wahnsinn auch live und am eigenen Leib noch einmal genießen zu dürfen.
Setliste: Atom Smasher; I'm Alive; Sailor On The Seas Of Fate; Blood & Iron; Chaos Descends; Frost And Fire; Black Machine; Looking Glass; Forever Black; Master Of The Pit; King Of The Dead; Down Below; Zugaben: Death Of The Sun; Join The Legion
[Stephan Lenze]
Photo Credit: Thomas Ertmer
- Redakteur:
- Stephan Lenze