DEATH ANGEL, SACRED REICH und ANGELUS APATRIDA - München

08.11.2023 | 22:37

06.11.2023, Backstage

Ein Abend der schwermetallischen Gemeinschaft!

Jawohl, Sonntagabend, das Wochenende ist endlich vorbei! Was, du stimmst nicht zu? Glaub mir, als Fan eines ständig verlierenden Fußballteams sind die drei Tage kein uneingeschränktes Zuckerschlecken. Aber das ist nicht der Grund, sondern das unglaublich fette Paket, das unter dem Banner "Night Of The Living Thrash 2023" durch Europa zieht. Also, mal schnell auf der Webseite des Backstage schauen, wann es losgeht und dann planen wir das mal ein. Einlass 18 Uhr, aha, Beginn 18:45 Uhr. Was? 18:45 Uhr? An einem Wochentag?


Trotz eines durch den frühen Beginn und der guten Stunde Anreise leicht erhöhten Stresslevels treffen Kollege und Knipser Noah und ich pünktlich am Backstage in München ein. Der neue Parkplatz hilft, denn heute sind alle Hallen belegt und dementsprechend voll ist es auch bereits, als wir etwa gegen halb Sieben das Auto abstellen. Ankunft und Einlass sind flüssig und unproblematisch und so stehen wir einige Minuten vor dem geplanten Beginn in der Halle und schauen uns um. Auf der Webseite des Backstage stand, dass das Konzert von der Halle ins Werk verlegt wurde, also von dem mittleren in den größten Venue. Dafür ist aber erstaunlich wenig los.

Trotzdem beginnt ANGELUS APATRIDA tatsächlich um Viertel vor Sieben. Die vier Spanier haben erst kürzlich über Century Media ihr mittlerweile achtes Album "Aftermath" rausgehauen, das unserem Cheffe Marcel gut gefallen hat. Aber den Anfang macht erstmal 'Bleed The Crown' vom selbstbetitelten Vorgänger. Fettes Riffing, hektisch wechselndes Licht, und dann geht der Thrash-Express ab. Der Sound ist gut, die Band will es uns wirklich beweisen. Sänger Guillermo Izquierdo (heißt das nicht links auf Spanisch?) grölt seine Texte ins Rund, die anderen Saitenmeister dürfen die Chöre beisteuern. Das hat Hand und Fuß und einen deutlich headbangenden Kopf, bevor es mit dem aktuellen 'Snob' weitergeht. Auf dem Album darf Jamey Jasta darauf rumbrüllen, live bleibt uns dieser zweifelhafte Genuss glücklicherweise erspart, mir genügen Guillermo und seine Mannen völlig.

Sollte jemand die Truppe noch nicht kennen, weiß er aber nach den ersten zehn Minuten ganz klar, wohin die Reise auch im Rest des Auftritts gehen wird, nämlich durch sieben Stücke rifforientierten, oft rasanten Thrash Metals. Ich wollte eigentlich noch die Highlights aufzählen, die für mich das aktuelle 'Cold' ist, das einfach die stärksten Melodien hat und ein echter Hammer ist, und das fixe 'Sharpen The Guillotine', das heute Abend sicher den schnellsten Part enthält, aber auch mit einer starken Melodie kontert. Ach ja, und 'You Are Next', der Rausschmeißer, der immerhin auch schon mehr als ein Jahrzehnt auf den Schultern trägt, ist auch ein starkes Stück glänzenden Metals. Und damit habe ich bereits fast alle Lieder lobend erwähnt. Ja, echt ein toller Opener. Sollte ANGELUS APATRIDA auch auf den nächsten Tourstops so früh auf die Bretter müssen, sollte man unbedingt pünktlich da sein, die Jungs sind als Aufwärmer wirklich stark besetzt.

Setliste: Bleed the Crown; Snob; Indoctrinate; Cold; Give 'Em War; Sharpen the Guillotine; You Are Next


Zeit für den ersten der beiden Headliner, SACRED REICH. Ich weiß gar nicht, worauf ich mich heute mehr freue, aber ich muss mich ja glücklicherweise nicht entscheiden. Als Phil Rind die Bühne betritt, wird er herzlich empfangen. Mittlerweile ist der Laden auch ordentlich voll, aber noch sehr angenehm, hundert Leute mehr wären auch okay gewesen.

Ich musste verwundert feststellen, dass das letzte Album "Awakening" auch schon wieder vier Jahre her ist. Es hat über die Jahre auch nichts an seiner Qualität eingebüßt und der Opener 'Divide And Conquer' wird dementsprechend gut aufgenommen, danach legt SACRED REICH mit 'Love ... Hate' nach. Natürlich steht Phil mit seinem Bass nicht nur am Mikrophon, sondern auch im Mittelpunkt des Geschehens. Trotzdem, die beiden Gitarristen machen eine beachtliche Show, vor allem "Dr. House"-Lookalike Wiley Arnett scheint seine Freude zu haben und feuert nonchalant und nebenbei ein paar wohltemperierte und gut abgemischte Riffs ab, die von gepflegtem Groove oder Speedattacken unterlegt werden. Die Band springt fröhlich durch die Diskographie und legt einen echten Best-Of-Gig aufs Parkett.

Phil spricht mehrfach mit dem Publikum und scheint wirklich ergriffen zu sein, dass diese Tour stattfindet, dass er die Möglichkeit hat, mit seiner Band weiterhin zu touren und die Hallen gut gefüllt sind. Mehrfach bedankt er sich beim anwesenden Publikum, was bei vielen anderen möglicherweise als übertrieben erscheinen würde, wirkt bei ihm einfach ehrlich. Das Publikum dankt es ihm mit ebenso ehrlicher Begeisterung und feiert. Natürlich eskalieren die Anwesenden bei ein paar der älteren Kracher etwas mehr, aber auch die Songs von "Awakening" werden mitgesungen. Trotzdem ist natürlich 'Who's To Blame' wieder mal ein Fanliebling, 'The American Way' das Groovemonster des Abends und die BLACK SABBATH-Coverversion 'War Pigs' mehr als willkommen. Als Rausschmeißer nach siebzig Minuten fungiert natürlich 'Surf Nicaragua', bei dem im Pit nochmal alles gegeben wird.

Was gibt es an dem Auftritt auszusetzen? Tja, eigentlich nichts. Okay, eventuell, dass die Band heute mal wieder nichts von "Heal" spielt, was ich schade finde, da sind schließlich einige hervorragende Lieder drauf. Aber in Anbetracht der ziemlich makellosen Songauswahl bleibt als Fazit sowieso nur, dass SACRED REICH als Headliner mit einer vollen 90-Minuten-Show zurückkehren, ein paar Lieder von "Heal" hinzupacken und vor allem 'Crimes Against Humanity' nicht vergessen sollte.

Setliste: Divide & Conquer; Love...Hate; One Nation; Ignorance; Manifest Reality; Free; Salvation; Who's to Blame; Independent; The American Way; Death Squad; War Pigs; Surf Nicaragua


Und dann folgt... eine ungewöhnlich lange Umbaupause von beinahe einer Dreiviertelstunde. Warum? Ich habe keine Ahnung. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, man hätte auch locker fünfzehn Minuten früher loslegen können. Aber als DEATH ANGEL mit 'Lord Of Hate' den Reigen eröffnet, ist das im Nu vergessen. Cooler Opener, danach gleich die Zeitreise zurück ins Jahr 1987 mit 'Voracious Souls', die Jungs wissen, wie sie ihre Crowd wieder warm bekommen. Die Performance ist viel metalorientierter als die doch ziemlich coolen Jungs von SACRED REICH, vor allem natürlich durch das Powerhouse Mark Osegueda, der im Gegensatz zu Phil Rind nicht auch noch ein Instrument spielen muss. Das treibt auch das Publikum an und tatsächlich lässt sich der Level der Begeisterung, den der Saal bereits bei der vorherigen Band erreicht hat, noch steigern.

Normalerweise müsste ich jetzt schreiben, dass danach mein Highlight folgte, ist doch ohne Zweifel "Act III" das beste und ausgefeilteste Album der Todesengel und der Opener 'Seemingly Endless Time' einfach brillant. Aber tatsächlich tue ich mich im Nachhinein damit schwer, denn auch DEATH ANGEL schöpft aus dem Vollen und lässt eine ziemliche Best-Of-Show vom Stapel. So scheint es zumindest. Klar, ein paar Stücke sind einfach unverzichtbar, wie 'The Dream Calls For Blood' und 'The Moth'. Okay, und 'Thrown To The Wolves'. Per Definition ist außerdem jeder Song von "Act III" ein Hit, also auch 'Disturbing The Peace'. Und dann natürlich 'Thrasher', 'I'm Bored', '5 Steps To Freedom' und 'Lost'. Stimmt's? Nur, die letzten vier wurden nicht gespielt, dafür 'Buried Alive', 'Relentless Revolution' und 'Truce'. Ohne, dass es einen Grund zum Mosern gegeben hätte. Wenn es noch einen Beweis für die durchgehend hohe Qualität der Lieder der Band gebraucht hätte, hier ist er.

Während vor der Bühne die Meute tobt, ist auch die Band ständig in Aktion, vor allem Frontmann Mark ist kaum zu halten. Er beschwört zwischendurch den metallischen Zusammenhalt und dankt den anwesenden Fans dafür, dass sie an einem Montagabend so zahlreich gekommen sind. Das betont er vielleicht dann doch ein, zweimal zuviel, aber er hat natürlich im Prinzip recht. Auch mit dem Lob an Drummer Will Carroll hat er recht, denn was der da zusammenhämmert, ist absolut beeindruckend. Innerhalb der Band scheint die Chemie auch zu stimmen, man neckt sich, macht Blödsinn und lässt den Funken an reiner Freude über den Abend auch aufs Publikum überspringen. Es gibt sogar einen Circlepit, den Noah mit dem Zusatz "für alte Männer" belegt und ihm "halbe Geschwindigkeit" attestiert. Na, ich frage dich in dreißig Jahren nochmal, falls irgendeiner der großmäuligen Core-Helden dann noch irgendwo auf der Bühne stehen wird. Frechheit.

Das Instrumental 'The Ultra-Violence' wird nur kurz angespielt, dann gibt es noch 'Thrown to the Wolves' auf die Ohren und pünktlich um 23 Uhr ist Schluss. Super, aber Leute, ihr könnt doch echt 90 Minuten voll machen, oder? Die überflüssige Viertelstunde der Umbaupause könnt ihr durch drei Lieder ersetzen, bei den zehn Killer-Alben könnt ihr auch spielen, was ihr wollt. Ich hätte echt gerne noch mehr aus dem Fundus gehört, denn die Show war absolut mitreißend. Ich wäre versöhnt, wenn wir uns darauf einigen können, dass DEATH ANGEL jetzt jedes Jahr in München gastiert und immer schön die Setliste variiert. Besser geht Thrash eh nicht.

Setliste: Lord Of Hate; Voracious Souls; Seemingly Endless Time; Buried Alive; 3rd Floor; I Came For Blood; Disturbing The Peace; The Dream Calls For Blood; The Moth; Humanicide; Relentless Revolution; Truce; The Ultra-Violence; Thrown To The Wolves

Redakteur:
Frank Jaeger

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