Die Skeptiker - Berlin
03.02.2007 | 13:3811.01.2007, SO36
DIE SKEPTIKER waren eigentlich schon tote Legenden der (ost-)deutschen Musikgeschichte, bis sie Ende 2006 für eine Reunion-Tour nochmal aus dem Grab gekrochen kommen. Eugen Balanskat hat "seine Skeptiker" zusammengetrommelt, um zu zeigen, dass linker Politpunk lange nicht tot und aktueller denn je ist. Sein Soloprojekt ROTORFON war für viele SKEPTIKER-Fans regelrecht enttäuschend. Musikalisch wurde wenig Abwechslung geboten, und soundtechnisch war die Aufnahme auf Garagen-Niveau (und ich meine die Garage mit der besonders schlechten Akustik). Umso gespannter waren viele, ob DIE SKEPTIKER an ihre Erfolge aus früheren Zeiten anknüpfen können.
Als erste betreten OBSTRUCTING THE POLICE alias OTP die Bühne, und mir wird schlecht. Uffta-Uffta-Punk der übelsten Sorte begleitet von zwei Sängern, die wenig abwechslungsreich ihre Texte brüllen. Inhaltlich geht es hauptsächlich um Alkohol, Saufen, Tequila und, äh, um den Konsum von ethanolbasierten Genussmitteln. Kurz bevor ich sie zur schlechtesten Band des Universums küren will, erbarmen sich die Herren und spielen ein leicht Ska-lastiges Stück, in dem ein Sänger zum Trompeter wird. Glück gehabt, OTP wird nur schlechteste Band des Abends.
Meine Befürchtung, aufgrund akustischer Folter nicht bis zu den SKEPTIKERN durchzuhalten, wird beim Soundcheck von PROTEST zerschlagen. Man hört sofort, dass diese Combo gut sein muss. Ich spitze die Ohren und tatsächlich: Die Metal/Hardcore-Mischung aus Rügen ist schneller, metallischer und um Welten besser als die musizierenden Alkoholiker. Leider weiß das Publikum diesen Quantensprung nicht zu würdigen und wippt gefühlte zwei Kilometer von der Bühne entfernt verhalten mit dem Fuß. Schade, PROTEST haben eigentlich eine wilde Meute verdient.
NOPE!, die nächste Band auf der Bühne, spalten das Publikum. Viele sind von der Musik und dem Stil schlichtweg umgehauen, ich zähle mich ebenfalls zum sehr begeisterten Teil. Was da vor mir auf der Bühne jammt, ist SUCH A SURGE in jungen Jahren! Astreine Beats gepaart mit melancholischem Crossover-Rock der Tiefgang hat. Leider gibt es Menschen, die alles, was nicht Punk ist, verabscheuen. Es ist nicht ganz klar, ob eine Flasche an die Decke geworfen wird oder ein Scheinwerfer kaputtgeht: Gegen Ende des Konzertes regnet es Scherben auf NOPE!, und ein erzürnter Zuhörer beschimpft die Band laut und lange auf das Übelste (wahrscheinlich hält er sich für einen umgänglichen und toleranten Menschen). NOPE! entschuldigen sich schon fast dafür, dass sie auf der Bühne sind, und versprechen, gleich weg zu sein. Das ist wirklich schade, die vier Berliner haben es wirklich drauf.
DIE SKEPTIKER, Helden meiner Jugend, lassen nicht lange auf sich warten. 'Ein Lied geht um die Welt' als Intro lockt das Publikum endlich bis an den Bühnenrand. Zu den Klängen von 'Deutschland, halt's Maul' betritt Eugen die Bühne, und mein erster Gedanke ist: "Mein Gott, ist der alt geworden!" Zum Glück ist es um die Menschen vor der Bühne auch nicht viel besser bestellt, der Schnitt liegt bei 30+, jüngere Fans sieht man fast gar nicht. Man merkt schon, der Zenit der Band liegt einige Jahre zurück. Ergraute Schläfen tun der Leidenschaft jedoch keinen Abbruch: DIE SKEPTIKER machen Musik mit Pogo-Garantie, und die älteren Damen und Herren lassen es ab dem ersten Song gut krachen.
Textlich sind Fans und Band sattelfest. Um auch ganz sicher zu gehen, dass auch wirklich alle mitsingen, rezitiert Eugen - sichtlich stolz auf die eigenen lyrischen Fertigkeiten - vor vielen Liedern ein paar Zeilen aus den Texten. Das kann man an der einen oder anderen Stelle sicherlich machen, aber so oft wie an diesem Abend nervt es einfach nur.
Eugens Stimme ist ein Kapitel für sich und war gewisserweise Markenzeichen der Band. Den Gesangsunterricht hat man auf den CDs und auf früheren Livekonzerten deutlich herausgehört. Heute steht auch hier fest: Die goldenen Zeiten sind vorbei, oder er ist einfach extrem aus der Übung. Es ist nicht wirklich schlecht, aber eben nur Durchschnitt und nicht das Goldkehlchen, das man sonst gewohnt war.
Musikalisch können mich DIE SKEPTIKER nicht überzeugen. Ich glaube nicht, dass der Mischer einen schlechten Job gemacht hat, trotzdem klingt die Band wenig druckvoll und nicht besonders differenziert. Oft klingt für mich eine Band live viel besser und energiegeladener als von CD. Hier ist es genau umgekehrt, als ob die Jungs noch nicht (wieder) so gut eingespielt sind. DIE SKEPTIKER klingen wie ihre eigene Coverband.
Gespielt werden eigentlich alle großen Hits wie 'DaDa in Berlin', '1933' oder 'Der Rufer in der Wüste schweigt'. Der Endzeitsong 'Megamaschine' war oft krönender Abschluss der Konzerte, heute ist es mit 'Sauerei' die erste Zugabe.
Das Publikum lässt natürlich nicht locker, und so wird der Pogo-Kessel mit 'Schieß doch!' noch einmal richtig aufgekocht. 'Ein Lied ...' bildet passend zum Intro den Abschluss des Konzertes.
Fazit: Früher war alles besser. Vielleicht wird es mit ein bisschen mehr Üben wieder wie früher.
Setlist:
Deutschland, halt's Maul
Allright My Boys
Komm tanzen
Das geht nie vorbei
Strahlende Zukunft
Widerstand
Loser
Der Rufer in der Wüste schweigt
JaJaJa
Titania
DaDa in Berlin
Straßenkampf
Hinter den Mauern der Stadt
1933
Wehr dich
Alle wollen Sieger
Deadmanstown
Da wo man singt
Wir warten
Gnadenlos
Pierre und Luce
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Sauerei
Megamaschine
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Schieß doch!
Ein Lied ...
- Redakteur:
- Thomas Mellenthin