EISBRECHER - Glauchau

11.05.2010 | 21:40

24.04.2010, Alte Spinnerei

EISBRECHER verkünden die Eiszeit. Erst Glauchau, dann der Rest der Welt!

Welch Freude, dass der Wettergott uns heute an diesem 24. April einen ersehnten warmen Frühlingstag beschert. Doch wozu schon Konformität? Am Ende sollen wir uns heute noch in der Sonne räkeln? Nichts gibt es. Stattdessen heißt es ab nach Glauchau. Kalt soll es werden, denn mit EISBRECHER steuern wir heute auf die "Eiszeit" zu! Also rein ins Schneemobil und los!

Im Iglu alias Alte Spinnerei angekommen, machen bereits Gerüchte über den mysteriös maskierten Support die Runde, der in den letzten Tagen in den Nachrichten mit Bankräubern in Mönchengladbach verglichen wurde. Der Grund sind Latexmasken. Aber nun gut, solange über die Band geredet wird, muss sie etwas richtig machen. Also rein in die Halle und eigene Meinung bilden!

Pünktlich um 21.00 Uhr ist es Zeit für den Support SHE'S ALL THAT. Die ungeteilte Aufmerksamkeit haben die drei Damen definitiv schon mal gewonnen. Man stelle sich einen typischen Tankstellenwart in einem amerikanischen Psychothriller vor, der einem als einziger Mensch mitten in Nevada begegnet, während das Auto streikt und in der ganzen Gegend weit und breit nur ein schäbiges Motel und eben diese Tankstelle zu finden sind. Das Ganze mal drei inklusive Mikro, Drums und Synthesizer, und fertig ist die Musikkapelle. Wer unter dieser Verkleidung jetzt nun wirklich steckt, ist übrigens ein Geheimnis und wird nicht verraten.

Ach so, jetzt gibt es ja auch noch Musik. Ein unterfütterter Soundclash aus Punk und Minimal-Electronica knallt auf die Ohren. Während die Meute zu Beginn noch nicht wirklich weiß, wie sie damit umzugehen hat, taut sie jedoch zunehmend auf (vom Balkon aus schön zu beobachten). Gut, gut, Aktionen wie das Holen von Fans auf die Bühne (Tobi und Schwester) und das Verlangen nach nacktem Fleisch sind zwar schon ganz gut in der Lage, Stimmung zu verbreiten. Dennoch sollte man sich fragen, wie sehr der Gesamteindruck durch all die optische Aufmachung verzerrt wird, wenn man sich kurz nach dem Auftritt eigentlich schon gar nicht mehr an die Vertonung erinnern kann.

Nachdem wir uns vom Atemstillstand befreit und aus der wohltuenden Räucherecke gerettet haben, packen sich der Checker alias Alexx und Co. von EISBRECHER aufs Eis und durchbrechen kollektiv die Stille! Eingepackt in Kluften, die schon fast monatelange Forschungsarbeiten am Nordpol nahelegen, bringen sie sich und die Fans mit Fingerschnipsen ins Schwitzen. Der große Ehrengast des Abends: das brandaktuelle Album "Eiszeit", welches von null auf Platz fünf in die Charts geschossen ist!

Mit dem Opener und Titeltrack bröckelt der Putz von den Wänden, so dass das Publikum in Jubel ausbricht. Und dies passt nicht nur zu der Wortwahl, sondern ist wirklich so geschehen. Während Alexx eine Lobesrede auf SHE'S ALL THAT anstimmt, lässt er so langsam sein zwiebelgeschichtetes Winteroutfit fallen.

Mit 'Angst' lässt er eine Walze auf uns los, die binnen Sekunden jeden überrollt. Neue deutsche Härte satt. Krachende Gitarren, tanzbare Beats und sofort in die Ohren steigende Melodien. Ist doch alles ganz schön griffig. Die Alte Spinnerei wird augenblicklich zu einem Tollhaus, während die musikalische Peitsche drischt und drischt und immer weiter anstachelt.

Was fehlt jetzt noch? Na klar, der Checker. Alexx, bekannt und beliebt für seine herrlich das Zwerchfell kitzelnden Sprüche, lässt einen Spruch nach dem anderen aus der Fellmütze. Themen heute: warum man auf Tour die Geschlechtspräferenz wechseln muss, das Schätzen der Wahrscheinlichkeit von Hits und was der isländische Vulkanausbruch mit EISBRECHER zu tun hat.

Nachdem wir Krieg gespielt haben ('Bombe'), muss mit 'Willkommen im Nichts' ein Klassiker herhalten. Während unten die Meute ständig in Jubel ausbricht, wird hier oben eine Bolognese [prima! - d. Red.] gebildet. Wer errät, ob es an dem Sauerstoffmangel im Gehirn (Schuld ist wie immer der Raucherraum), allgemeiner Unterkühlung oder doch am hiesigen Headliner liegt, gewinnt ein Paar Frotteeunterhosen.

"Vorsicht, dass die Schuhsohlen nicht stehen bleiben!" Ich glaube, darum muss Alexx sich keine Sorgen machen. Plötzlich ein lautes Geschrei - was ist denn jetzt schon wieder los? Ach so, Klassikerzeit erneut. Tanzschuhe raus für 'Leider' bitte! Mit mehr oder ähnlichen Details wiederholt sich also dieses Szenario. Alexx trotzt Vulkanen und lässt Wasserfontänen sprudeln, singt auf 'Böse Mädchen' und packt schließlich die Eispickel aus. Mit Mantel und Seemannsmütze steht er nun da, und das Eis zerbricht. Nein, natürlich eine absolute Lüge, denn es liegt ja schon in Trümmern. Glauchau und Umgebung lassen all den Winterstaub von den Schultern fallen und gehen auf Eisangelkurs.

Hinsichtlich der Stimmung gibt es fast keinen Unterschied zwischen den Songs des neuen Albums und den älteren. Vielleicht ist bei Letzteren der Jubel vielleicht um wenige Dezibel höher, und es wird getanzt und gesungen, bis der Eisbär trächtig ist.

Nun haben auch Tobi und seine Schwester wieder einen großen Auftritt. Sie bekommen nämlich die Vodka-Flasche gereicht. Wenn das nichts ist. Und da EISBRECHER-Fans eben altruistisch sind, wird die Flasche nach einem großen Schluck flink weitergereicht und wandert zusehends zum hinteren Teil des Konzertsaals - natürlich in geleerter Form. Welch kollektivistische Kultur.

"Wer im Tourtagebuch geschmökert hat, weiß, was jetzt kommt!" Alexx schnappt sich die Gitarre und gibt 'Tränen lügen nicht' in einer Akustikversion zum Besten. Doch da bereits schlechte Erfahrungen gemacht wurden, muss er das nun Folgende erklären: "Ich meine das übrigens nicht böse", bevor UNHEILIGs 'Geboren um zu leben' aus seiner Kehle ertönt. Aber wo andere Fans ihr Geld zurückhaben wollen, bleibt das Publikum in Glauchau cool und singt die Textzeilen sogar mit. Endcoole Sache! "Rock 'n' Roll 2010 - kann man so machen." Jawohl, Alexx, du hast es begriffen.

Nachdem die Katholiken ihr Fett wegbekommen haben, ist es wieder Zeit für ein kleines Rollenspiel. Der Checker, mit Hut, Weste und Minisynthesizer bestückt, fängt plötzlich an zu jodeln. Gitarrist Noel Piks tauscht seine Klampfe ebenfalls gegen einen Synthesizer ein, während die Meute weiter zu 'This Is Deutsch' abhottet. Werft den Jungs von EISBRECHER vor, was ihr wollt. Von Unterhaltung und dem Heraufbeschwören von guter Laune verstehen die Jungs zweifellos so einiges. Also sich rar machen und die Leute schreien lassen. Bitte, funktioniert.

Schnell die Tonnen auf die Bühne geschoben und Stellung zu 'Amok' genommen, bevor es mit 'Mein Weg' jetzt so unglaublich rührselig wird, dass sogar Feuerzeuge aufleuchten. Aber eigentlich ist es nur eins, was auch nach wenigen Sekunden bereits wieder erlischt.

Gefühlsduselei ist bei EISBRECHER nicht unbedingt an der Tagesordnung. Beim alten Kassenschlager 'Miststück', das von MEGAHERZ bekannt ist, bricht Alexx in wildes haarloses Bangen aus, bevor er, der kleine Schlawiner, 'Life Is Life' anstimmt - und natürlich auch hier mitgemacht wird. Sein Kommentar: "Schaut an, wie tief der Schlager in allen von euch verwurzelt ist". Recht hat er. Nach einer kleinen Rapeinlage schreit sich das Volk nun ein weiteres Mal die Mandeln wund. Alexx kniet nieder und vergießt zum großen Finale 'Mein Blut'. Die Fans knien ebenfalls nieder, beten für ihn ein Lied und lecken seine Wunden. Abschließender Satz? Nie hat 'Total Eclipse Of Your Heart' als Outro wohl besser zu einem Konzert gepasst.

Setlist EISBRECHER:
Eiszeit
Angst
Bombe
Willkommen im Nichts
Leider
Böse Mädchen
Ohne Dich
Eisbrecher
Vergissmeinnicht
Schwarze Witwe
Tränen lügen nicht/Geboren um zu leben (UNHEILIG-Cover)
Die Engel
Heilig
This Is Deutsch
Zeichen der Venus
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Amok
Dein Weg
Miststück
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Mein Blut

Redakteur:
Nadine Ahlig

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