Fuck The Commerce VI - Neiden bei Torgau

12.06.2003 | 08:06

29.05.2003, Crossstrecke

Freitag, 30.05.2003

Der zweite Tag beginnt wie der Abend zuvor endete: Extrem grindig - Porn-Grind aus deutschen Landen, aufgeführt von einer Combo mit dem zarten Namen Cuntgrinder. Beim ersten akustischen Kontakt mit den Jungs um Gitarrist und Texter Hippi kann schnell der Eindruck entstehen, man ist im falschen Film: Süffig, schmutzige Porno-Intros nymphomaner, triefende Pommes verkaufender Omas, Musikantenstadl-Intros oder einfach bloß sicke Noise-Intros. Hierauf wird jedoch beim Auftritt auf dem FTC verzichtet. Worauf aber dankenswerter Weise nicht verzichtet wird, ist der hammermäßige und alles niedermähende Gemetzelsound der Fotzenschleifer. Herrlich roh und druckvoll präsentiert sich der Sixpack inmitten der glühenden Hitze. Klöppel- und Röchel-Sound der pervers-sarkastischen Art in seiner reinsten und verdorbensten Art direkt aus der Hölle des Sonnengottes. Ein Soundtrack, geschrieben für das FTC mit künstlerischen Ergüssen wie "Mundhöhlenschwangerschaft, ... kommt vom Spermasaufen" oder "Bowl Full of Menstrual Blood". Extrem groovende Parts und die Mützenparade der lustigen Gesellen von Cuntgrinder entpuppen sich neben der Mittagshitze zusätzlich zum Anheizer, was die Meute mit johlenden Sprechchören am Ende des Gigs dankt. Die sechs personifizierten Träume aller Schwiegermütter lassen sich nicht lange bitten und laden noch einmal zu einem etwa zweiminütigen Zugabe-Sound-Geschredder ein. Erstaunlicherweise bleibt der sonst so hohe Anteil an holder Weiblichkeit diesem Gig fern. Ob dies an den eher feminin-kritischen Kompositionen liegt? Oder doch an der drückenden Hitze? Oder an der fast unchristlichen Zeit um 13 Uhr? Oder... [Micha]

Der Freitag wie auch schon der Donnerstag sind die seltsamsten Tage der "Fuck"-Geschichte. Auch wegen der Grindcore Überflutung seitens der Bühne, nein. Am Anfang spielen die deutschen, unverständlicherweise noch ohne Plattenvertrag befindlichen Grinder von CUNTGRINDER zum freitäglichen, ersten Tanz auf. Ohne die seltsamen Porno Samples von der CD hört sich das alles zwar nur halb so lustig an, für Freunde Old School Grind Gerumpels ohne Überraschungen sind die Jungs aber sicherlich ein sehr guter Start in den Freitag. LEHAVOTH aus Israel definieren den Begriff Spielfreude völlig neu. Mochte ich deren Debütalbum schon gerne, verwundert es mich, warum von dieser spontan schroff agilen Attacke so wenig auf CD zu hören ist, wo alles ein wenig statischer und gemäßigter klingt. LEHAVOTH rocken wie Sau und spielen fetten Death Metal mit gewaltigem Bums. Der Sänger tobt sich trotz Hitze ohne Ende aus, der Rastamann am Bass, überaus korpulent, bewegt sich zudem beängstigend heftig, so dass ich ein ums andere Mal Angst um die Bühnenbretter habe. Überhaupt ist das anschließende Gespräch mit den Israelis sehr aufschlussreich und ich sauge die Infos über die völlig unbekannte Metal Szene in Israel wie ein trockener Schwamm auf. Mit dem Rastabasser rede ich bestimmt eine Stunde und bin immer noch völlig aus dem Häuschen, wenn ich an die verrückten Geschichten über die israelische Szene denke, die mir wie Geschichten aus 1001 Nacht vorkommen. Ich bin tief beeindruckt und neuer, treuer Supporter der Band! Über das Gespräch hinweg verpasse ich leider TEARS OD DECAY, bin jedoch pünktlich zurück, um die sehr straighten Mexiko-Grinder von ROTTENNESS zu bestaunen. Gleicht die CD eher einem Staubsauger mit Grindcore Geschrubbel, so ist live auch hier vieles differenzierter, härter und direkter. Die Masse feiert die Mexikaner absolut zurecht! Sehr sympathisch zeigen sich die Jungs überhaupt an allen Tagen des Festivals, wo sie den ganzen Tag übers Gelände schleichen, mit jedem Fan stundenlange Gespräche führen und gierig blickend alle Bands aus den ersten Reihen oder dem Moshpit heraus bestaunen und lautstark beklatschen. [Dirk]

Der Tag beginnt für mich erst sehr spät mit ROTTENNESS, dafür aber mit einem deutlich besseren Schriftbild auf den mitgebrachten Notizzetteln. Und ROTTENNESS machen schlichte und brutale Schotter-Mugge, die in den Kopf und in die Beine geht. Die Mexikaner spielen Death Metal, der sehr groovig klingt und deshalb ordentlich tanzbar ist. Eben der typische FTC-Sound. Die Mexikaner haben zudem noch jede Menge Exotenbonus und werden von den Zuschauern gehörig abgefeiert. Und können stolz die definitiv krassesten schwarzen Musikerlocken des Festivals über ihren Instrumenten kreisen lassen - typisch Südamerika eben.
BATHUP SHITTER sehen da lange nicht so gut aus. Sie sind eben auch Japaner. Das macht aber nichts, ihre Musik ist trotzdem auf ihre Art göttlich. Schon vor Beginn der Show haben die Jungs jeden Verpeilnis-Preis gewonnen. Denn ihre Becken für die Drums liegen noch in Japan - wer vergisst bei seiner ersten Europa-Show seine Sachen? Und dann der Sound. So etwa muss es klingen, wenn sich Japans Hauptstadt Tokio jemals zu einer Metal-Band verwandeln sollte: Völlig wirr, konfus, gegenlaufende Geräusche, eine hysterisch kreischender Sänger mit einem völlig käseweißen Bauch. Entweder man liebt solche Musik oder man hasst sie. Dazwischen geht nichts. So sehen es auch die Fans. Einige gehen verstört zum Bierstand, der Rest feiert frenetisch.
Bei COCK AND BALL TORTURE herrscht wieder Eintracht. Bei den Süddeutschen wird gegroovt bis der Arzt kommt, auch Songstrukturen gibt es wieder. Eine Band, die Death Metal eher als Tanzkurs denn als Aggressionsabbau sieht, so geil kann man zu der Musik umherhüpfen. Doch lange ist es nicht zum Aushalten - der Magen knurrt, auf zum Grill! Dirk hat da mehr Standvermögen :-) [Henri]

COCK AND BALL TORTURE räumen die letzten Zweifel aus, welch großartige Band der deutsche Underground hier geboren hat. Die völlig überdrehten Harmonizer Vocals, elektronisch bis in die tiefsten Untiefen gepitcht, kommen wirklich cool und passend. Die drei Glatzen machen massiven Druck wie kaum eine andere Band; die Gitarre reißt mir an den Gedärmen, der Bass große rektale Wunden. Über allem der eiterschlürfende, vor Porno Grind Lyrics strotzende, abgefuckte Doppelgesang; völlig wahnsinnig! CBT wissen mit ihrer Art des Grindcores völlig zu überzeugen und lassen nur noch das Statement zu: "Die haben einen an der Waffel!!" [Dirk]

Und frisch gestärkt zu ROTTEN SOUND, die einfach ein Brett spielen. Sowas krasses hat selten die Bühne des FTC's betreten. Besonders auf Drummviech Kai Hahto sind alle Augen gerichtet. Mit der Entspanntheit eines freundlichen alten Schankwirts drischt diese junge Dauerfeueranlage ein wahnsinniges Blastbeat nach dem anderen ins Publikum hinein. Doch auch seine Sechssaiter-Kollegen können überzeugen und lassen einen infernalisch langsames Gitarrentornado heraufziehen. Dazu noch die Stimme eines durchgedrehten Berzerkers und fertig ist ein Midtempo-Brecher-Sound mit wahnsinnigen Trommeln im Hintergrund. Einige Kinnladen bleiben nach dem Gig auf dem Gelände zurück...
Als nächstes können auch ABORTED überzeugen. Denn die Jungs sind schließlich keine Neulinge mehr im Todesblei-Business. Doch mancher Festivalbesucher muss trotzdem eine etwas milchige Träne in das dreckige Knopfloch drücken: Schließlich hätten jetzt eigentlich BENEDICTION spielen sollen. Doch die sagen das Festival kurz vor der Angst ab, weil irgendwas mit ihrem Basser ist. Na toll! Doch ABORTED sind mehr als ein Ersatz. Wütender Death Metal, der die Wut auf die BENEDICTION-Absage nicht besser kanalisieren könnte. Zwar ist das Gore-Konzept der Belgier nicht unbedingt innovativ, allerdings hört sich der Sänger beruhigend nach aufgeschnittenem Zombie im Endstadion an. Und das klingt doch schon wieder sehr überzeugend. Fazit: Ein geiler Gig, jetzt ist aber der Nacken endgültig im Eimer. Der Rest des Körpers ist ebenfalls nur noch physisch anwesend. Eine lange Session am Zelt steht bevor... Und Dirk hat den Rest gesehen. [Henri]

MERCILESS aus Schweden buhlen trotz ständig verstimmter Gitarre um die Gunst der Old School Death Thrash Metal Fans, die nach und nach aus ihren vor Grindcore-Schutz-Bunkern kriechen, was vor der Bühne zu angenehmer Überfüllung führt und sicherlich zu dem ein oder anderen feuchten Höschen, mich aber nur zum Gähnen verleitet. Ich fand MERCILESS schon immer nie besonders aufregend und eher überflüssig. Da hätte man ca. 350 andere, überlegenere Schweden Bands holen können!
CEPHALIC CARNAGE, die mir im Vorfeld eigentlich gar nichts sagen, legen die denkwürdigste, abgefahrenste Bühnenshow meines bisherigen Konzertgängerlebens hin und noch heute schreibe ich diese Zeilen mit offenem Mund und zitternden Fingern. Natürlich aus den USA, ist hier ein experimentelles, technisch alle anderen "Fuck"-Bands überragendes Death Grind Geschütz herangewachsen, die die Headliner Position motiviert und gerecht ausfüllen, wobei CEPHALIC CARNAGE mit allergrößter Professionalität zu einem denkwürdigen Auftritt aufspielen. Fett! Unbedingt kaufen, sehen, staunen, wenn euch Bands wie CRYPTOPSY nicht genügen und ihr noch ein wenig mehr Wahnsinn braucht. [Dirk]

Redakteur:
Henri Kramer

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