Fuck The Commerce VI - Neiden bei Torgau

12.06.2003 | 08:06

29.05.2003, Crossstrecke

Samstag, 31.05.2003

Die Zeltsession samt akuter Leberschmerzbehandlung hält bis in den frühen Morgen an und hat leider Auswirkungen: Nur drei Bands für mich an diesem Tag, mehr ist nicht drin. Einmal SINNERS BLEED zwischen Zähneputzen und Frühstück. Die Berliner haben mit "From Womb To Tomb" eine der stärksten Death-Metal-Langrillen der letzten Zeit ausgekotzt. Und sind auch auf dem Fuck The Commerce in der Lage, den aggressiven Druck und die feinen Melodien dieser süchtigmachenden Scheibe perfekt umzusetzen. Keine Frage, den Jungs gehört die Zukunft, hier stimmt vom Growl-Organ des Sängers bis hin zum filigranen Gitarrenspiel alles. Fein, fein! Jetzt ist erst einmal die Zeit für das Frühstück gekommen, danach das ausgiebige Tingeln über den Zeltplatz samt allerlei kurzweiligen Saufbekanntschaften. [Henri]

LENG TCH'E aus Belgien rocken nochmals wie Sau und prügeln eine nette Grindkante mit unter ihr Gehobel, so dass die danach verstärkt zu erblickenden Shirts der Band nicht verwunderlich erscheinen. Danach jedoch regiert König Lange Weile. SANATORIUM aus der Slovakei sind auf CD wenigstens noch kultig, live aber dermaßen unter aller Sau, das das fluchtartige Verlassen des Festivalgeländes von Hunderten alles andere als verwunderlich ist. Das stumpfe Grindgehacke geht mir schon nach 5 Minuten unglaublich auf den Sack! Noch schlimmer und leerer wurde es mit den unglaublich bescheidenen, völlig arroganten und schlecht eingespielten Belanglos Deathern aus Irland, die sich ABBADON INCARNATED schimpfen. Null Reaktion des Publikums! [Dirk]

Erst bei INTERNAL SUFFERING geht's wieder vor: Alles wie gehabt. Grindcore, nach drei Tagen kann man langsam nicht mehr sagen ob gut oder schlecht. Auf jeden Fall schnell. Richtig schnell. Der Sänger klingt extrem finster, als wenn er ein Ofenrohr verschluckt hätte. Bangen geht bei den Kolumbianern auch, mit dem angegriffenen Nacken allerdings längst nicht mehr so gut wie noch 48 Stunden zuvor. Kollege Dirk gings da ähnlich... [Henri]

Bei INTERNAL SUFFERING, die zumindest imposante und freundliche Bühnenerscheinungen waren, steppt nicht gerade der columbianische Grindcore Bär. Ich weiß nicht, warum man dafür teure Flugtickets bezahlt, wir haben in Deutschland etwa 500 unterstützenswertere Bands vor der Haustür.
MASTER treten auf, rund um Kultlegende Paule Speckmann. Eigentlich sehen wir hier KRABATHOR alte MASTER-Songs spielen, aber MASTER ist eigentlich sowieso nur Paul und sonst niemand. Der alte Herr mit Rauschebart bis zum Bauch zeigt sich überlegen lässig, cool, freundlich, spielfreudig und hat sichtlich Spaß, alte Zeiten aufzuwärmen. Ich habe doch den ein oder anderen Tropfen in der Hose, den alten Old School Death Mist endlich live zu erleben, so dass ich zur Feier des Tages beschließe, mir mit Kumpel Candy hektoliterweise die wohl typisch ostdeutsche Mischung ?Brauner mit Cola" sinnlos und vor allem schnell (man ist einfach zu gut in Übung gewesen...) hinter die Binde zu kippen. Mächtig einen im Tee hauen DEAD INFECTION nach vierjähriger Abstinenz mit ihrer 25 Minuten Reunion Show gar niemanden vom Hocker. Kollege Sänger hockt nach Luft japsend und röchelnd mit Vorliebe auf dem Bühnenboden, wobei die Axtmänner den Bewegungsradius eines Bierdeckels niemals überschreiten. Ich mein, fette Grind Songs, klar, aber auf der Bühne lahm, lahm, lahm! Schade, auch wenn ich die Musik total genial finde. [Dirk]

Die letzte Band für mich folgt etwas später, danach ist alles an wirklich objektiver Wahrnehmung ausgeschaltet. Aber eben erst nach MISERY INDEX. Und das ist noch einmal richtig groß: Brillanter und fett gespielter Ami-Death. Der Sänger turnt dazu wie wild auf der Bühne herum, speit seine Worte förmlich in die Fans. Die Kompositionen erinnern manchmal an DEICIDE, manchmal an MORBID ANGEL. Die Songs sind also gehörig technisch, allerdings auch immer nachvollziehbar. Ein Fest, die Fans vor der Bühne sind begeistert. [Henri]

So, da sich die Umbaupause nach MISERY INDEX empfindlich zieht und noch etwa 2 Liter gut abgestimmte Mischung des ostzonalen Verderbens Schnapses da sind, trinken wir uns noch eine Kante Mut für den bevorstehenden, zum totalen Siegeszug avancierenden Auftritt der spanischen Sickos von HAEMORRHAGE an. Ob abgehackte Hände, durchgeknallte Ärzte mit riesigen, blutspritzenden Instrumenten, Gehirnen oder was auch immer: Neben optischem Getöse ist auch bewegungstechnisch die totale Hölle auf der Bühne los, als Luisma und seine Jungs plus Mädel die Grindharke auspacken und die geifernden Fans ins Nirwana prügeln. Völlig geil anzusehen, wie die kleine, blonde und hübsch anzusehende Gitarristin den gesamten Gig über keine Sekunde das Gesicht verzieht und oberfieseste Überschallriffs aus ihrer Gitarre knattert. Jawoll! Hail the Gods of Grind!
Als DISMEMBER spielen, scheint es, als ziehe meine frühe Jugend nochmals am geistigen Auge vorbei. Wieviele Nächte haben wir auf unseren Saufgelagen diese Kleinodien schwedischen Edelstahls mitgegrunzt und uns die Birnen weich geschüttelt! Vor der Bühne war es mit gut 2000 Leuten rappelvoll und DISMEMBER haben, später Zugabe um Zugabe spielend, leichtes Spiel, einen totalen Triumphzug zu zelebrieren. Death Metal wird mit Bands wie DISMEMBER niemals sterben! Als die Jungs 'Dreaming In Red' spielen, gibt es für mich trotz journalistischer Aufgabe kein Halten mehr und ich brülle und bange mir meine schmutzige Seele aus den geschundenen Hirnknochen heraus. Gott! Der Ausklang in der Partyhalle solle mit DESASTER, FATAL EMBRACE und LUNATIC DICTATOR seinen würdigen Abschluss finden, von Schnaps und DISMEMBER beseelt halte ich aber gerade mal noch Desaster für einen Song aus und verziehe mich ins Zelt, um den denkwürdigen Abend nicht mit dem Geknarze DESASTER's, die ich noch immer nicht hören leiden kann, zu versauen. Der neue Sänger kann dem Alten auch nicht ansatzweise das Wasser reichen. So, und wer meint, warum meckert dieser beknackte Schreiber die ganze Zeit über das eintönige Billing und feiert dann doch so viele Bands ab, dem sei gesagt, das ich mir einfach das Beste daraus gemacht habe und wie tausende andere Besucher auch, freudig gestimmt durch nichts die Stimmung versauen lassen will. [Dirk]

Die letzte Nacht. Noch einmal nicht ins Zelt finden. Noch einmal alles an Erdboden mitnehmen, was der alkoholbasierte Hinfall-Modus hergibt. Zum 666. Mal gemeinschaftliches Absingen von Maidens "Live in Rio". Schwärze. Die Sonne kitzelt einen wach. Ah, im Auto! Gut! Auf dem Heimfahrt-Tag regnet es doch sonst immer? Ok, diesmal nicht. Schnell die Sachen wegpacken, ganz schnell, nur alles fix in den Kofferraum. Jemand sagt: "Was war denn nur los?" Ein anderer: "Was ist nur mit uns passiert?" Niemand antwortet, niemand braucht antworten. Trotz gemeinschaftliche Flucht hin zur Zivilisation mit 3000 anderen Besuchern. Jeder weiß: "War das krass". Doch ein bisschen Urzeit-Feeling mit herrlicher Musik muss mindestens einmal im Jahr sein. Nächstes FTC kommen wir alle wieder! [Henri]

Beim Fuck The Commerce bangten die Gastschreiber Dirk Wettlaufer und Michael John vom Iron Pages (http://www.iron-pages.de) (THANX), für den Alkohol und die Koordination war der Henri zuständig :-)

Redakteur:
Henri Kramer

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