GRAVESTONE, SCHREYNER - Illerzell
22.06.2019 | 19:5921.06.2019, Illerzeller Dorffest
Die Reunion der Schwabenmetaller GRAVESTONE live!
Ab und zu gibt es sie noch, diese Momente, in denen auch ein langsam, aber sicher ergrauender Metaller nochmal vierzehn Jahre alt zu sein scheint und sich fühlt, als wäre er das erste Mal auf einem Metalkonzert. Ein solcher Moment ist gerade im Werden, als ich an diesem Freitag Abend ins Auto steige, um die zehn Kilometer nach Illerzell zu fahren, wo das dortige Dorffest seinen Auftakt im großen Festzelt mit dem "Rock in Zell" feiert, zu welchem die regional sehr bekannten und beliebten Coverrocker SCHREYNER geladen haben. Die Band um Frontmann Gerd Salewski (ex-CHROMING ROSE und ex-STRANGER) hat sich zudem einen ganz besonderen Ehrengast ins Boot geholt, der unter den Achtziger-Metalheads in Ulm und Umgebung noch immer einen Namen wie Donnerhall zu haben scheint, denn die Show war ruckzuck ausverkauft und so ein Bierzelt fasst ja doch einige Menschen. Ja, Leute, heute ist die Zeit gekommen für die Rückkehr von GRAVESTONE!
Doch den Aufschlag haben natürlich die SCHREYNER, die im Gegensatz zu anderen Coverrockbands auf allzu angesagtes und poppiges Material völlig verzichten und ihre langjährige Erfahrung in geschmeidige und überzeugende Versionen alter Hard-Rock- und Heavy-Metal-Klassiker fließen lassen. Den Gesang teilt sich Bandleader Gerd Salewski (Bild links) hierbei mit zwei Kollegen, so dass jedem Stück die Stimme auf den Leib geschneidert wird, und in dieser souveränen Manier spielen sich die Musiker mit Leichtigkeit durch ein gut einstündiges Set mit Klassikern von MÖTLEY CRÜE, AC/DC, METALLICA, PAPA ROACH, IRON MAIDEN, FOREIGNER, MANOWAR, TWISTED SISTER und einigen weiteren namhaften Acts. Die Stimmung ist gut, die Leute machen ordentlich mit, doch, allen voran der Band und ihrem Frontmann, ist natürlich klar, dass die knisternde Spannung im Publikum sich nicht auf SCHREYNER bezieht, sondern auf das, was danach kommen soll. Schließlich waren es die SCHREYNER-Jungs und hier vor allem eben Gerd Salewski, der über die Jahre nicht locker lassen wollte, die Kameraden des heutigen Headliners dazu zu überreden, nochmal ordentlich Anlauf zu nehmen und zurück auf die Bretter zu klettern, die das Illertal - und nebenbei die Welt - bedeuten.
Ja, und manchmal wird eben doch alles gut, auch wenn es heute mal eben satte 30 Jahre seit dem Ende von GRAVESTONE und 28 Jahre seit dem Aus der Nachfolgeband 48 CRASH gedauert hat, dass sämtliche Zeichen richtig stehen und es wahr werden soll. So verklingen die letzten Töne von SCHREYNER und im Dunkel der Bühne sehen gebannte Blicke zahlloser nochmals jung gewordener Altmetaller, wie doch tatsächlich der Backdrop mit den goldenen Frakturlettern hochgezogen wird, die sich "GRAVESTONE" lesen. Verdammt, darauf warte ich seit knapp 30 Jahren, denn damals haben wir die Musik von unseren regionalen Metalhelden aus Ulm und weiterer Umgebung wie STORMWITCH, STRANGER, TYRANT und eben GRAVESTONE von Platte oder Tape gefeiert ohne Ende, waren aber knapp zu jung, um diese Bands noch in der klassischen Phase live zu erleben. Dass es jetzt doch noch klappt, war nicht eben unbedingt zu erwarten, denn alle Mitglieder von GRAVESTONE sind auch sonst beruflich recht erfolgreich und wahrscheinlich gut ausgelastet, doch heute werden sie und werden wir nochmal jung, nochmal - wenigstens ein bisschen - wild. Als Berti Majdan, Mathias Dieth, Thomas Sabisch, Klaus Reinelt und Thomas Imbacher die Bühne betreten, da merkt man ihnen die Spannung und Aufregung zunächst durchaus ein wenig an. Ein bisschen Nervosität ist da schon spürbar, doch alles andere wäre ja nicht normal, nach dreißig Jahren, oder? Wir, die Zuschauer, sind bei aller Vorfreude ja auch ein wenig nervös.
Wie es programmatisch jedoch nicht besser passen könnte, steigt das Quintett vor heimischem Publikum mit 'Back To Attack' in seinen Gig ein und das Eis bricht sofort. Die Leute ticken gepflegt aus, die Matten - so noch vorhanden - fliegen, das Bier fließt und der Text wird ausgiebig mitgesungen. In der Euphorie der Pause nach dem ersten Song wird dann auch den Musikern schlagartig klar, dass sie zu Hause sind und dass man lange und sehnsüchtig auf sie gewartet hat, im Illertal und darüber hinaus. Leicht überwältigt, aber dennoch mit bestem Humor ausgestattet, führt uns Berti Majdan durch das Set und kündigt jedes Stück ausführlich an, denn es könnte ja schon sein, dass Leute anwesend sind, die mit der Diskographie nicht (mehr) vertraut sind. Klar, die sind auch da, aber eben auch viele, welche den nächsten Song erraten, bevor Berti den Titel ausgesprochen hat, und die jede Note von Teutonenstahl-Krachern wie 'Right To Rock', 'End Of Our Love' oder 'The Tiger' aufsaugen und jeden Refrain ausgelassen mitsingen. Ja, wenn ich so in die Runde blicke, dann sehe ich nur glückliche Gesichter, klatschende Hände, gereckte Fäuste und in jeder Songpause werden die Musiker gefeiert, "GRAVESTONE"-Sprechchöre branden immer mal wieder gegen die Bühne und auch eine etwas überraschende Songwahl wie die Ballade 'Little Boy' vom 48 CRASH-Album "Some Like It Hot" findet ungeteilte Zustimmungung im Auditorium. Am meisten rotiert der Grabstein jedoch erwartungsgemäß bei den ausgemachten Hits 'Creating A Monster' und dem dramatischen Epiker 'The Hour', nach dem sich die Band strahlend und freundlich verabschiedet. Dass indes damit nicht Schluss sein kann, auch wenn nur ein einstündiger Gig angekündigt war, ist jedem klar, und so branden sofort lautstarke und ziemlich euphorisierte Zugabe-Forderungen auf, die auch kein bisschen abebben wollen. So ist es natürlich Ehrensache für die Band, rasch zurück auf die Bühne zu kommen und der Meute Häupter mit ihrem größten Hit 'I Love The Night' und dem Hinausschmeißer 'Rock And Roll Is Easy' nochmals ordentlich durchzuschütteln und zum Rotieren zu bringen, bevor dann wirklich Schluss ist und der Verfasser dieser Zeilen sich noch über die Inbesitznahme eines herrenlos gewordenen tieffliegenden Drumsticks ("battle worn!") freuen kann.
Nun, mit einiger Euphorie im Leib, ob des eben Erlebten, fällt es schwer, beim Fazit objektiv zu sein, doch zum Glück muss ich das auch nicht. Mit der Rückkehr von GRAVESTONE ist für mich ein lange geträumter Traum wahr geworden und meine Erwartungen sind nicht nur erfüllt, sondern bei Weitem übertroffen worden. Dass sich die fünf Schwaben nicht als zum Jagen getragene, lustlose Altrocker präsentieren würden, war mir von Anfang an klar, und dass sie nur nochmals auftreten würden, wenn es für sie passt und sie wirklich Lust darauf haben, ebenso. Dass es aber wirklich so gut wird, das ist dann schon beeindruckend. Doc Reinelt und Don Dieth waren schon damals und sind noch heute ein bestechendes Gitarrenduo mit vielen Finessen auf der Pfanne, Berti Majdan ist als Frontmann heute vielleicht nimmer ganz so wild wie in jenen Zeiten, als ich die Band noch nicht sehen konnte, aber er präsentiert sich auf der Bühne stimmlich souverän und absolut agil, kommt ungemein sympathisch herüber und hat das Publikum sehr gut im Griff, und Thomas & Thomas lassen die Band rhythmisch ebenfalls sehr geschmeidig klingen. Auch die Musiker selbst scheinen mit der eigenen Performance, vor allem aber mit der Publikumsreaktion, sehr zufrieden zu sein. Nach all der Zeit hätte sicher jeder der Band ein paar kleine Wackler zugestanden, denn das wäre weder verwunderlich noch ein Beinbruch. Doch im Publikum ist davon rein gar nichts zu spüren und um mich herum sind alle begeistert von der Vorstellung der Band und glücklich, dabei zu sein, so dass noch lange nach dem Verklingen der letzten Töne die Leute klatschen und jubeln. Es wäre ein Moment für Standing Ovations, würden nicht alle eh schon stehen.
Am 5. Oktober spielt GRAVESTONE dann zusammen mit STRANGER - also auch erneut mit Gerd Salewski - im inzwischen ebenfalls ausverkauften Riffelhof in Burgrieden und es sollen weitere Gigs geplant sein. Lasst es euch nicht entgehen, ganz egal ob ihr in der Wolle gefärbte Schwabenmetaller, generell beinharte Freunde der 80er-Teutonik oder einfach nur Liebhaber gut gemachten, sympathischen Heavy Metals der alten Schule seid. Es lohnt sich und ihr werdet mit einem breiten Grinsen aus der Halle oder dem Zelt gehen.
Setliste: Back To Attack; Right To Rock; The End Of Our Love; You Are The Sun; The Tiger; Little Boy; Creating A Monster; For A Girl; The Hour; Zugabe: I Love The Night; Rock And Roll Is Easy
Alle Livephotos erscheinen mit freundlicher Genehmigung der Photographin Darleen Barth.
Reliquienphoto: Rüdiger Stehle
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle