GRAVE DIGGER, VICTORY und WARWOLF - Essen

22.02.2025 | 14:01

08.02.2025, Turock

Heavy Metal Breakdown!

Was? GRAVE DIGGER nicht in der Bochumer Zeche? Das kann doch wahr sein?! Und ob, denn für ihre 45th-Anniversary Tour machen die Grabschaufler natürlich auch Halt im Pott, haben sich für ihre Samstagabendsause jedoch das illustre Turock im Herzen Essens ausgesucht.

Wie schon meine lieben Kollegen Tommy Schmelz und Andre Schnittker habe auch ich Bock auf 'ne Runde Schwermetall – vorgetragen von einer Band, auf die die Bezeichnung "Live-Garant" passt wie die berühmte Faust aufs Auge. Gemeinsam mit VICTORY, WARWOLF und tollen Begleitungen darf man sich also auf einen gelungenen Abend einstellen. Für euch vor Ort sind Björn "Excalibur" Backes, Henriette "Braveheart" Tressin und Marcel "Reaper" Rapp – um Gottes Willen.

Zugegeben, die Fahrt in die Innenstadt Essens könnte nerviger kaum sein. Zwar gibt es keinen Berufsverkehr, doch von einer angenehmen Anreise kann wahrlich keine Rede sein. Doch irgendwann gegen 19 Uhr angekommen, sehen wir schon eine lange Schlange vor den heiligen Toren des Turock, die nur darauf warten, heute den Heavy Metal Breakdown in Form von WARWOLF, VICTORY und natürlich GRAVE DIGGER zu erfahren. Und eines können wir schon von draußen beobachten: Es wird voll heute!

Als wir drin sind, ertönen schon die ersten WARWOLF-Töne, wir werden also gleich zu Beginn ohne kleine Aufwärmphase direkt ins schwermetallische Haifischbecken geworfen. Bis vor vier Jahren noch als WOLFEN unterwegs sind auch heute Abend von Lipinski und Co. schon früh auf Betriebstemperatur. Von Song zu Song, von sympathischer Ansage zu schmackem Riff, vom IRON MAIDENesken Touch bis zum mythischen Rausschmeißer 'Necropolis' werfen sich die Rheinstädter mächtig ins Zeug, um dem unterkühlten Ruhrgebiet mächtig Dampf zu machen.

Bisschen Power-, dezenter Thrash- und viel Heavy Metal der britischen Sorte lockt auch schon reichlich Zuschauer vor die Bühne, ohne jedoch schon aus allen Nähten zu platzen. Dank druckvollem Sound und entsprechender Energie machen vor dem Titeltrack der 2022er Scheibe vor allem die brandneuen 'Eye Of The Storm' und 'A New Hope' Laune und freuen die Essener Gemüter. Mit Bier in der einen Hand, die andere Hand zur Faust Richtung Decke geballt, bleibt der WARWOLF-Gig definitiv in bleibender Erinnerung. Hat Spaß gemacht, Jungs!

Setliste: Daywalker; Eye Of The Storm; Spawn Of Hell; A New Hope; Blood & Ice; Necropolis

[Marcel Rapp]

Schwafeln wir nicht lange um den heißen Brei: Es ist verdammt lange her, dass ich solch einen tollen Support-Act gesehen habe! VICTORY kam, sah und siegte! Doch der Reihe nach, denn das Positive startet schon mit einer sehr kurzen Umbaupause nach WARWOLF. Kaum das Bier geordert, wird es wieder dunkel auf der Bühne. Da sind sie auch schon: Stein nimmt am Schlagzeug Platz, Malte und Mike hängen sich ihre Klampfen um und spätestens als Urgestein Herman Frank die zweite Gitarre bedient, wird aus dem Turock ein Tollhaus.

Bereits früh springt der Funke vollends im Publikum an und der Beginn hätte nicht besser lautstark und glasklar mit 'Rock The Neighbours' gewählt werden können. Als Gianni Pontillo schließlich zum Mikrofon greift und unter Applaus des Essener Traditionsbude dem ohnehin schon stark präsenten 80er-Feeling den letzten Schliff verleiht, ist es um mich geschehen: Ich bin in einer Zeitmaschine!

Es wird hart gerockt, die Riffs fliegen mir reihenweise um die Ohren und Pontillo hat – hab ich das schon erwähnt? – eine so geile Stimme, dass ich mir in den Hintern beiße, VICTORY heute erst das erste Mal live zu sehen. Es geht munter weiter: 'Gods Of Tomorrow', 'Standing Like A Rock', 'Speak Up' oder 'Feel The Fire' lassen die Fäuste kreisen und ein paar Songs später sogar einen Fan mit Schallplatten und einem Edding in die erste Reihe stürmen. Was er da wollte? Natürlich Autogramme! Und liebe Leute, selten habe ich eine spontanere, charmantere Signing-Session gesehen, geht Pontillo doch während der Songs von Kollege zu Kollege, um sich die beiden Platten des Erste-Reihe-Strahlemanns signieren zu lassen.

Das verpasst natürlich auch anderen ein breites Grinsen auf den Lippen, die auch weiterhin akustisch mit 'Are You Ready' – na, und ob! – 'Tonight We Rock' – ohja! – und 'Power Strikes The Earth' verwöhnt werden. Frank posiert mit Klampfe wie eh und je, die Songs regen zum Mitsingen an und ab und an flimmert auch eine Luftgitarre durch die dichte Menschenmenge.

Hach, selten waren 45 Minuten kurzweiliger und rockiger! Mit 'On The Loose' und diesem so penetranten Ohrwurm 'Check's In The Mail' neigt sich auch dieser Auftritt dem Ende. Toll, ganz toll, was VICTORY hier abgeliefert hat.

[Henriette Tressin]

Dass es für GRAVE DIGGER schwer werden würde, das bisherige Programm noch zu toppen, war schon mit der letzten Note des VICTORY-Sets zu erwarten. Doch mit neuer Besetzung und frischem Elan haben die Mannen aus Gladbeck schon auf ihrem aktuellen Longplayer "Bone Collector" beweisen können, dass sie nach wie vor nicht zum alten Eisen gehören. Die bisherigen Eindrücke der heute endenden Tour sprechen definitiv dafür, dass der Reaper-Clan auch heute einen fulminanten Schlusspunkt setzen wird. Mit einem sehr tight dargebotenen 'Kingdom of The Skulls' startet die Band dann auch überzeugend in ihr Set, gibt sich von Anfang an gut aufgelegt, demonstriert aber auch, dass das aktuelle Line-up sicherlich fähig sein wird, das goldene Jubiläum in fünf Jahren mit Würde begehen zu können.

Auffällig ist lediglich, dass gerade an den Drums deutlich mehr passiert als noch in der Vergangenheit. Marcus Kniep spielt nicht nur die üblichen Fills, sondern gibt den Songs einen recht knackigen Punch, der sich auch in den älteren Nummern noch als deutlich ansprechender herauskristallisieren soll als das Vermächtnis eines Stefan Arnold.

Das macht mit wachsender Spieldauer heute auch zusätzlich Laune. Bei der Songauswahl dürften sich die Herren jedoch mittlerweile recht schwer tun, alle Seiten zu befriedigen und gleichzeitig auch die Feierlichkeiten zum 45-jährigen Jubiläum derart zu bestreiten, dass möglichst keine Phase vergessen wird. Löblicherweise verlässt sich die Truppe dabei nicht nur auf Standards, sondern gräbt auch etwas tiefer in der Mottenkiste. So kommen erfreulicherweise auch Stücke wie 'The Curse Of Jacques' und 'The Keeper Of The Holy Grail' zum Zuge, die von GRAVE DIGGER schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr aufgeboten wurden.

Um jedoch richtig heiß zu laufen, greifen der heute sehr gut aufgelegte Chris Boltendahl und seine Mitstreiter natürlich auch auf Klassiker wie 'The Dark Of The Sun' und 'Excalibur' zurück, lassen die Fans in 'The Round Table (Forever)' lautstark mitsingen und geben sich in 'Back To The Roots' in echter 80er-Manier souverän die Ehre. Selbst 'Shadows Of A Moonless Night', ein Relikt aus weniger ruhmreichen DIGGER-Zeiten, kommt zum Zuge, angestachelt durch ein paar witzige Anekdoten des Frontmannes, der sich heute ohnehin in bester Erzähllaune befindet und so manche Story aus 45 Jahren Bandgeschichte auspackt.

So berichtet er von einer unverhofften Zusammenkunft mit Rob Halford beim Wacken Open Air und gibt sich erstaunt, dass die JUDAS PRIEST-Sirene ihn seinerzeit als Aushängeschild dieser Band identifizieren konnte. Doch Boltendahl möchte nicht nur quatschen, sondern auch sein Reibeisen anstrengen, und man darf wirklich erstaunt sein, wie gut dieses nach all dieser Zeit immer noch funktioniert, so beispielsweise auch in den hohen Screams von 'Valhalla' und im straighten 'Under My Flag'.

Als die Show im ausverkauften Turock schließlich auf ihr Ende zusteuert, kommt es zu den obligatorischen Hits, doch auch hier kann GRAVE DIGGER heute mit einer Überraschung aufwarten. Zu 'Rebellion (The Clans Are Marching)' holt der Sänger seinen Sohn auf die Bühne und stimmt ein Duett an, auf das er nach eigener Aussage 18 lange Jahre warten musste. Und der Boltendahl-Jungspund entpuppt sich direkt auch mal als echte Rampensau und steht seinem alten Herren in der Performance in nichts nach.

Der Club kocht anschließend, und auch wenn Boltendahl während der Show mehrfach darum bittet, den Moshpit ein bisschen rücksichtsvoller zu gestalten, gibt es nun kein Halten mehr. 'Scotland United' läutet den Zugabenblock ein und wird von zahlreichen Kehlen begleitet, 'Killing Is My Pleasure' reiht sich die Liste der künftigen Klassiker ein, und mit dem unvermeidlichen 'Heavy Metal Breakdown' endet schließlich ein wunderbarer Konzertabend, der deutlich aufgezeigt hat, dass das Eisen bei GRAVE DIGGER alles andere als alt ist.

Natürlich hätte man sich noch einige weitere Kultnummern gewünscht ('Heart Of Darkness', 'Knights Of The Cross' und 'The Battle Of Bannockburn' würde ich persönlich auch mal wieder gerne hören), doch das ist letztlich nur eine Randnotiz zu einem wirklich denkwürdigen Event. GRAVE DIGGER erscheint so stark wie zuletzt Ende der 90er, und das ist echt mal ein beeindruckender Fakt. Im Package mit den Jungs von WARWOLF, bei denen eigentlich nur die Ansagen ein bisschen nervig waren, und einem bärenstark auftrumpfenden jungen VICTORY-Line-up hat man heute einer Show beiwohnen dürfen, die dem Anlass mehr als würdig erscheint!

[Björn Backes]

Fotos von Michael Vogt vom Auftritt in Memmingen

Redakteur:
Marcel Rapp

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