GRAVE DIGGER, VICTORY und WARWOLF - Nürnberg
03.02.2025 | 11:0021.01.2025, Hirsch
Versprochen ist versprochen!
GRAVE DIGGER hat zum 45. Geburtstag mit "Bone Collector" ein neues Album auf den Geschenketisch gelegt. Im ausführlichen Interview mit meinem kompetenten Kollegen Maik Englich erzählt Sänger und Mastermind Chris Boltendahl, dass es auf der Tour keinerlei Keyboard-Töne zu hören gibt. Old School Heavy Metal? Da die Tour auch noch von POWERMETAL.de präsentiert wird, darf ich mir die Feier nicht entgehen lassen, also ab zum Nürnberger Hirsch, mittlerweile mein 2. Wohnzimmer.
Es ist proppenvoll auf der Geburtstagsfeier an diesem Freitagabend. Zahlreiche Gäste haben sich eingefunden, um das Jubiläum gemeinsam zu feiern und wie in guten alten Zeiten wird das Bier im heutigen Festsaal in Flaschen gereicht. Der Jubilar hat sich ein tolles Programm ausgedacht und zwei weitere Bands mit nach Nürnberg gebracht. Während mit WARWOLF eine für mich nahezu unbekannte Band die Show eröffnet, ist VICTORY beileibe keine unbekannte Größe für meine Ohren. Das kann ein feiner Abriss werden.
WARWOLF hat ebenfalls Grund zu feiern, denn am heutigen Tag hat die Band mit "The Final Battle" ein neues Album veröffentlicht. In gewohnter Manier kämpfe ich mich durch die Metalheads zum Bühnengraben, um die Musiker auch bildlich in Szene zu setzen. Entweder hab ich wieder ein paar Kilo zugelegt oder die Wellenbrecher wurden enger zusammengestellt. Ich entscheide mich für Möglichkeit zwei und befinde mich pünktlich zum ersten Song im Pit. Die Show kann beginnen.
Und die beginnt richtig gut. Mit 'Daywalker' gibt es erst einmal ein älteres Stück vom 2022 veröffentlichten Album "Necropolis", die Riffs gehen bei mir durch Mark und Bein. Würde ich nicht durch meine Cam auf die Bühne starren und die Augen schliessen, ich hätte schwören können, dass da IRON MAIDEN auf der Bühne steht. Dieser rote Faden zieht sich durch das ganze Set.
Auch bei 'Eye Of The Storm' von der neuen Scheibe gibt es ordentlich was auf die Ohren. Sänger Andreas von Lipinski würde mit seiner Kutte mitten in der Crowd nicht auffallen, lediglich das mit der Kappe passt nicht zu dem Old School Heavy Metal, den WARWOLF heute in Nürnberg zum Besten gibt. Gesanglich ist von Lipinski über jeden Zweifel erhaben. Äußerst druckvoll haut er seine Vocals in die feiernde Menge.
Doch auch der Rest der Band weiß zu überzeugen. Besonders fällt mir Gitarrist Frank Noras mit seiner "Micheal Schenker Signature Flying V"-Axt ins Auge. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass der Axtmann auf der linken Bühnenseite an diesem Abend das beste Licht hat. Der Mann beherrscht einfach sein Instrument und kann immer wieder mit einigen Soli glänzen.
Auch auf der rechten Seite wird richtig Alarm gemacht. Mit Bassist Flo Abegg und dem zweiten Gitarristen Peter Müller vervollständigen die beiden die Saitenfraktion. Drummer Holger Bloempott hat das richtige Timing und sorgt wie ein präzises Uhrwerk für den passenden Takt.
Den Metalheads gefällt, was sie auf der heutigen Geburtstagsfeier sehen. Nach dem dritten Song verlasse ich den Pit und versperre den Fans nicht mehr die Sicht. Auf dem Weg zurück durch die ausverkaufte Halle zucke ich heftig zusammen. Das ist doch 'Brave New World' von IRON MAIDEN! Nein, WARWOLF covert nicht die Idole meiner Jugend. Dennoch klingt speziell der Refrain von 'A New Hope' extrem nach dem Original. Ich finde den Song gelungen, auch das Publikum ist in bester Stimmung und feiert die Band. Nach sechs Songs geht dann leider erst einmal das Licht aus und WARWOLF verabschiedet sich von der mittelfränkischen Crowd. Hey WARWOLF, ich werde Euch wieder besuchen. Ihr habt mindestens einen Fan mehr!
Es ist wirklich schweißtreibend und es wird Zeit für ein zweites Geburtstagsbier. Ich muss ordentlich Gas geben mit meinem Kaltgetränk, der Umbau auf der Stage ist ruckzuck erledigt. Also, ab zurück in den Graben.
Gas gibt jetzt auch VICTORY. Die Band um Sänger Gianni Pontillo hat ein Best Of Set mitgebracht und spielt sich durch die Dekaden ihrer veröffentlichten Songs. Es geht gut los mit 'Rock The Neighbours' aus dem Jahre 1990 vom Album "Temples Of Gold". Ich fühle mich auf einen Schlag deutlich jünger und habe mächtig Spaß von Beginn an. Was habe ich die Band in jungen Jahren gefeiert! Klar, zu Anfangszeiten hatte VICTORY ein komplett anderes Lineup, doch auch die Musiker, die jetzt auf der Bühne stehen, können mich absolut überzeugen. Über Hermann Frank muss ich glaube ich nicht viele Worte verlieren, der Gitarrist konnte der Band besonders in den letzten Jahren immer wieder seinen Stempel aufdrücken. Bassist Malte Frederik Burkert ist seit 2021 dabei und somit quasi das Küken der Band.
Auch Sänger Pontillo ist erst seit 2019 Mitglied von VICTORY und kann nicht nur mich mit seiner Stimme beeindrucken. Das klingt alles rund und überzeugend, was der Mann am Mikrofon da von sich gibt. Er hat scheinbar ordentlich Spaß in der ausverkauften Hütte, denn immer wieder erkenne ich ein Lächeln in seinem Gesicht. Doch auch den anderen Bandmitgliedern scheint die Geburtstagsparty zu gefallen. Während das nahezu untrennbare Duo, bestehend aus Bassist Burkert und Gitarrist Mike Pesin auf der linken Stageseite sein musikalisch hervorragendes Unwesen treibt, steht Hermann permanent strahlend und offensichtlich bestens gelaunt am rechten Bühnenrand. Immer wieder sucht er den Kontakt zu den anwesenden Fotografen und sorgt für tolle Motive.
Wie so oft auf guten Konzerten rennt die Zeit davon. Es geht nahtlos von Song zu Song, geredet wird wenig und das ist gut so! Somit ist die Setliste mit 13 Songs aus sieben Platten gut gefüllt. Neben Klassikern gibt es mit 'Surrender My Heart' und 'Tonight We Rock' zwei Songs vom letztjährig veröffentlichten Album "Circle Of Life", die bei den anwesenden Fans genauso gut ankommen wie bei mir. Die Stimmung könnte nicht besser sein, es wird ordentlich gefeiert vorm Wellenbrecher. Ich habe längst mein Foto-Equipment sicher verstaut, recke ein ums andere Mal die Pommesgabel in die Luft und singe 'The Check's In The Mail' ("Don't Get Mad ... Get Even", 1986) und natürlich 'On The Loose' ("Culture Killed The Native", 1989) lauthals mit. Das ist ein Abend ganz nach meinem Geschmack. Mit WARWOLF ein genialer Auftakt, mit VICTORY an alte Zeiten erinnert, als ich noch jung und knackig war. Kann das noch gesteigert werden?
Klare Antwort: JA! Es gibt ja diese Geburtstagspartys, wo niemand hin möchte aber hin muss. Oma wird 80, es gibt Torte, die ich noch nie mochte, dazu eine lauwarme Kaffeeplörre, die den Namen des koffeinhaltigen Getränks nicht verdient hat. Es werden die üblichen Familiengespräche geführt und in Erinnerungen gewühlt. "Weisste noch, früher?" Nix gegen Oma, aber...
... dann gibt es diese Geburtstagsfeiern, wo man gerne hingeht. Es gibt Bier aus Flaschen, man ist unter Gleichgesinnten. Wir sind auch eine Familie, haben mindestens den gleichem Musikgeschmack, den gleichen Kleidungsstil. Auch wir wühlen in Erinnerungen und sagen "Weisste noch, früher?" GRAVE DIGGER sorgt an diesem Abend im Hirsch dafür, dass dies eine Party ist, die wir gerne besuchen. Und die Totengräber aus dem Ruhrpott haben fein aufgetischt. Als Vorspeise wird 'Kingdom Of Skulls' vom aktuellen Album gereicht. Sänger und Mastermind Chris Boltendahl zeigt sich in hervorragender Verfassung und hat, wie viele an diesem Abend auf und vor der Bühne, ein permanentes Grinsen im Gesicht. 'The Grave Dancer' geht runter wie gut gereifter Wein, hat der Track vom 1995 veröffentlichten Album "Heart of Darkness" doch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel.
Im oben genannten Interview hat Chris erwähnt, dass die Tour kein Best of der Bandgeschichte sein werde und man den Fokus auf das aktuelle Album legt. Von diesem Silberling gibt es immerhin drei Tracks zu hören. Und doch reiht sich Hit an Hit in Mittelfranken. Ich rufe mir das Interview ins Hirn und merke, dass der Sänger Wort gehalten hat. Alle Tracks werden roh, ohne Keyboard und Backingtracks gespielt. Diese Idee kommt bei den Fans mehr als gut an. Sie beschenken den Jubilar mit heftigem Applaus, lautem Gesang und grenzenloser Zuneigung. Okay, ein Schnipsel kommt dann doch von der Bandmaschine, der Dudelsack bei 'Rebellion' darf natürlich nicht fehlen. Doch wir sind noch längst nicht beim 14. Gang dieses Festmahls.
Wie auch bei vielen anderen Konzerten von GRAVE DIGGER erstaunt mich der Gegensatz bei Boltendahl. Auf der einen Seite ein extrem lieb aussehender, immer freundlich gesinnter Genosse, die andere Seite an ihm offenbart seine rauhe, gar harte Stimme die zweite Seite der Medaille. So konträr das Ganze sein mag, die Metalband hat sich völlig zu Recht über die ganzen Jahrzehnte etabliert. Natürlich gab es auch bei GRAVE DIGGER immer wieder Besetzungswechsel, die der Band jedoch keinesfalls geschadet haben. Als Beispiel sei Gitarrist Tobias Kersting genannt, welcher erst seit 2023 Mitglied des metallischen Quartetts ist. Der Gute sorgt gemeinsam mit Bassist Jens Becker für ein brachiales Axtgewitter und haucht den älteren Songs frischen Wind ein. Das ist einfach nur grandios, was die Musiker in Nürnberg abliefern.
Auch beim Headliner bin ich froh, dass ich nach drei Songs meine Kamera in die Ecke hauen und einfach nur feiern kann. Egal, ob 'Valhalla', 'Excalibur' oder 'The Round Table', ich singe und bange mit den gleichgesinnten Geburtstagsgästen und erinnere mich an die gute alte Zeit. Ihr wisst schon, damals, als ich noch jung und knackig war. Doch auch Chris erinnert sich an früher. Er erzählt die Story, wie ihn Rob Halford von JUDAS PRIEST vor zwei Jahren auf dem Wacken Open Air angesprochen hat. Die ganze Geschichte könnt ihr im genannten Interview nachlesen. Es werden weiter Häppchen von diversen Platten gereicht, doch die Meute ist längst nicht satt. Mit 'Scotland United' geht es dann leider schon an den Nachtisch. Die Crowd gibt noch einmal alles und verlangt mehr, viel mehr. Der Koch in der Küche kommt kaum nach und serviert 'Killing Is My Pleasure' vom aktuellen Langdreher. Eigentlich unüblich, doch der recht neue Song kommt auch als Zugabe verdammt gut an. Mit 'Heavy Metal Breakdown' wird den gierigen Mäulern im Hirsch dann aber final der Rest gegeben. Ein letzter Gang, der die Halle noch einmal zum Beben bringt, noch einmal alle Energien freisetzt, bevor die Feier ihr Ende nimmt. Danke GRAVE DIGGER für 45 Jahre geilen Heavy Metal!
Text und Photocredit: Andre Schnittker
- Redakteur:
- Andre Schnittker