GOTTHARD und Y&T - Geiselwind
28.05.2025 | 13:5524.05.2025, Live Music Hall
Memories and Goosebumps.
Es ist Samstag, also ein idealer Tag, um ein Konzert zu besuchen. Wir präsentieren die aktuelle Tour von GOTTHARD und es ist selbstverständlich, dass wir mindestens bei einer Show dabei sind. Für mich geht es heute in "meine" Live Music Hall in Geiselwind. Bereits eine halbe Stunde vor dem Einlass erreiche ich die Location und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Vor dem Eingang hat sich eine Schlange gebildet, wie ich sie hier noch nie gesehen habe. Gut für die heute spielenden Bands, schlecht für mich. Mein üblicher Parkplatz ist längst belegt und ich muss mit meinem tonnenschweren Fotorucksack enorm weit laufen.
Dank meiner "Dienstkleidung" werde ich von den Metalheads erkannt und darf mich weit vorne in der Reihe einordnen. Der übliche organisatorische Kram läuft dann zügig und reibungslos und ehe ich mich versehe, stehe ich am Tresen und bestelle mir eine Zitronenlimo. Ich war gestern ebenfalls für POWERMETAL.de unterwegs und hab auf dem Event quasi schon vorgetrunken für heute. Daher verzichte ich heute gerne mal auf mein übliches Konzertbier. Ein Blick durch die Halle zeigt, dass die metallische Musik jung hält, der Altersdurchschnitt ist recht hoch. Irgendwie auch kein Wunder, haben die beiden auftretenden Bands doch mittlerweile zusammen 84 Jahre auf dem Buckel.Es bleibt noch etwas Zeit und ich kämpfe mich noch einmal durch die schon gute gefüllte Halle nach draußen, um meine Nikotinsucht zu befriedigen. Die Schlange reicht gefühlt immer noch bis zur Autobahn. Man kommt ins Gespräch und bestens gelaunte Menschen freuen sich auf einen Abend mit guter Musik. Ich schwelge in Erinnerungen und errechne, dass ich Y&T, die Supportband des heutigen Abends, vor exakt 15.500 Tagen das erste Mal live gesehen habe. Am 10. Dezember 1982 sollte es für mich und einige Freunde von unserer Heimat mit dem Zug nach Dortmund gehen. Mit der "For Those About To Rock"-Tour von AC/DC erlebte ich mein erstes großes Konzert in der Westfalenhalle 1. Als Supportband war Y&T dabei. Okay, die Erinnerungen an den Abend sind etwas verblasst. Doch dieses Konzert hat mich geprägt und ich bin der Musik treu geblieben. Natürlich habe ich beide Bands immer wieder mal gesehen und die veröffentlichten Alben quasi inhaliert. Aber okay, genug zurückgeschaut, es wird Zeit für meinen Platz im Pit.
Um Punkt 20 Uhr geht das Licht aus und Y&T erscheint auf der Bühne. Mittlerweile ist die Halle brechend voll. Vor dem Wellenbrecher sehe ich von meiner Position aus viele Y&T-Shirts und es brandet ein ohrenbetäubender Lärm auf, als Bandgründer, Sänger und Gitarrist Dave Meniketti zu 'Don't Stop Runnin'' in die Saiten greift. Binnen Sekunden verwandelt sich die Live Music Hall in ein Tollhaus und ich frage mich, ob da nicht bereits jetzt schon der Headliner auf der Bühne steht. Der Song stammt vom 1984 veröffentlichten Album "In Rock We Trust" und geht richtig gut nach vorne. Meniketti zeigt sich mit seinen 72 Jahren in hervorragender stimmlicher Verfassung. Er wird am Mikrofon von Gitarrist John Nyman und Bassist Aaron Leigh unterstützt. Beide sorgen für hervorragende Chöre und machen die Musik von Y&T rund.
Hat der Opener noch ein ordentliche Geschwindigkeit, geht es mit 'Don't Be Afraid Of The Dark' etwas gemächlicher zu. Dies schadet der extrem guten Stimmung jedoch keinesfalls. Immer wieder schweift mein Blick in die glücklich und zufrieden aussehende Meute. Die gute Stimmung ist auch auf der Bühne zu spüren. Besonders Nyman scheint einen Heidenspaß heute in Geiselwind zu haben, ihm ist das Lächeln offensichtlich ins Gesicht gemeißelt. Bei Bassist Leigh bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich hinter seinem Namen nicht in Wirklichkeit Johnny Depp verbirgt. Die Ähnlichkeit ist einfach zu verblüffend. Nicht unerwähnt lassen möchte ich natürlich Drummer Mike Vanderhule, welcher wie ein Uhrwerk den Takt angibt.
Das Quintett macht einfach nur Spaß und mit 'Mean Streak' sorgt Y&T dafür, dass die Pommesgabeln permanent in die Luft gereckt werden. Ich erkenne "meine" Live Music Hall fast nicht wieder. Der Franke an sich hat ja die bekannte "bassd scho"-Mentalität, von der heute jedoch absolut nicht zu spüren ist. Nach dem Hit ertönen laute "wei änd Dii"-Rufe durch die Location und für mich wird es Zeit, mich unters Volk zu mischen. Die Luft ist zum Schneiden, ich gönne mir eine weitere Limo und genieße von etwas weiter hinten den schnörkellosen Heavy Metal, der heute durch Geiselwind weht. Das mach einfach nur Spaß. Natürlich dürfen Kracher wie 'Summertime Girls' und 'Forever' nicht fehlen, die lauthalt von der Crowd mitgesungen werden.
Dave hält sich nicht mit langen Reden auf und das ist gut so. Hier steht heute die Musik im Vordergrund und jeder hier möchte so viel wie möglich von Y&T hören. Insgesamt 10 Tracks schaffen es in den 60-minütigen Auftritt der Band. Unter lautem Jubel verabschiedet sich das Quintett aus Mittelfranken. Wenn es nach mir und dem Publikum geht, könnte die Band gerne noch eine Stunde dran hängen. Doch es gibt da ja noch den heutigen Headliner. Ich bin sehr gespannt, ob dieser die Stimmung noch toppen kann und nutze die halbstündige Umbaupause, um mein durchschwitztes Shirt in der kühlen Frühlingsluft vor der Halle zu trocknen.
Setliste: Don't Stop Runnin'; Don't Be Afraid of the Dark; Mean Streak; Midnight In Tokyo; Contagious; Winds Of Change; Summertime Girls; Black Tiger; Rescue Me; ForeverGOTTHARD hat mich schon 2023 auf dem Rock Out Festival begeistert. War in Augsburg die Spielzeit noch in ein enges Korsett geschnürt, kann die Hard Rock-Band aus der Schweiz heute ein volles Set spielen. Zum einen möchte natürlich das neue Album "Stereo Crush" promotet werden, zum anderen haben die Eidgenossen sehr viele Hits in den letzten Jahrzehnten angehäuft. Ich erblicke die Setlist, welche heute wirklich keinen Wunsch offen lassen dürfte. Mit 'AI & I' gibt es erst einmal einen Track von der aktuellen Scheibe und es wird rhythmisch mitgeklatscht. Ich selbst hatte bisher noch nicht die Gelegenheit, in "Stereo Crush" reinzuhören, muss aber sagen, dass mir wirklich gut gefällt, was da von der Stage im Bühnengraben ankommt. Das ist definitiv und unverkennbar GOTTHARD.
Bei den anwesenden Fans ist das natürlich anders, scheinbar haben diese die Texte schon verinnerlicht und singen jede Note mit. Dies gilt auch für 'Thunder & Lightning', welches als Single ausgekoppelt wurde und aufgrund des enormen Potentials wohl in den nächsten 20 Jahren auf keiner Setliste mehr fehlen darf. Bei 'All We Are' bin ich dann wieder im Thema, stammt dieser Song doch vom 2005 veröffentlichten Album "Lipservice". Die Band spielt neben fünf Songs vom neuen Album ein Best of ihrer bisherigen Schaffensphase. Von sieben Silberlingen bekommen wir jeweils ein Lied zu hören.
GOTTHARD legt eine enorme Spielfreude an den Tag, Sänger Nic Maeder hat ein Dauergrinsen im Gesicht und treibt immer wieder mal ein paar Spielchen mit seinen mobilen Musikanten auf der Stage. Ich verlasse den Platz im Graben, nehme aber mal eine Kamera mit auf den Rang. Eine Aktion, die sich lohnt. Im Akustik Jam bittet Nic eine Besucherin Namens Claudia auf die Bühne. Sie hat sich im Vorfeld an einer Aktion von GOTTHARD beteiligt und kann sich das Medley direkt auf der Bühne anhören. Dazu haben es sich die Saitenspieler und eben Claudia auf Barhockern gemütlich gemacht und spielen ein gefühlvolles Set. Nic gibt dem Gast das Gefühl, nur für sie zu singen. Eine Aktion, die nicht nur bei der glücklichen Gewinnerin gut ankommt. Mit 'Burning Bridges' gibt es wieder eine neue Nummer, die mir extrem gut gefällt, bevor es dann mit dem Klassiker 'Anytime, Anywhere' weiter geht. Bandgründer und Gitarrist Leo Leoni zeigt, dass er die Talkbox sehr gut beherrscht.
Mein Shirt ist längst wieder klitschnass angesichts der hohen Temperaturen in der Halle. Ein Hit reiht sich nun an den anderen und die Meute hat viel Spaß in Geiselwind. Auch Schlagzeuger Flavio Mezzodi verdient dich noch seine Fleißpunkte. Von einigen gehasst, von mir geliebt bietet der Mann ein astreines Drumsolo und wird dafür ordentlich gefeiert. Nahtlos geht es in den Beat von 'Lift U Up'und es wird gut getanzt in der Halle. Allgemein bekommen die Fans viel Gelegenheit, sich in die Show einzubringen. Besonders bei 'One Life, One Soul', einer Ballade vom bereits 1996 veröffentlichten Album "G." gibt es eine Gesangseinlage von der Masse, die nicht nur bei mir für eine gehörige Gänsehaut sorgt. Auch zu 'Hush' kann sich das Publikum noch einmal stimmlich verausgaben. Wie so oft wird der Track als überlange Version gespielt und gefühlt höre ich tausendmal das übliche na na na na aus dem Rund. Mit "Quinn The Eskimo" gibt es dann den 20. und letzten Song an diesem Abend. Knappe vier Stunden Musik vom Feinsten durften die Fans erleben und verlassen zufrieden die Live Music Hall.
Setliste: AI & I; Thunder & Lightning; All We Are; Stay With Me; Remember It's Me; Every Time I Die; Acoustic Jam (Tell Me / And Then Goodbye / Miss Me - mit Gast Claudia auf der Bühne); Burning Bridges; Anytime, Anywhere; Boom Boom; Top Of The World; Rusty Rose; Heaven; Feel What I Feel; Mountain Mama; Drum Solo; Lift U Up; Zugaben: One Life, One Soul; Hush (Cover); Quinn The Eskimo (The Mighty Quinn) (Cover)
Chris hat ein Interview mit Bandgründer Leo Leoni geführt, welches ihr hier nachlesen könnt.
Text und Photocredit: Andre Schnittker
- Redakteur:
- Andre Schnittker