HARAKIRI FOR THE SKY, DÖDSRIT und E-L-R - Leipzig
14.04.2025 | 13:2607.04.2025, UT Connewitz
Alternative Frühlingsgefühle in ehrwürdigem Ambiente.
Manchmal muss man einfach zu seinem Glück gezwungen werden – in meinem Fall war es mein guter Kollege Norman, der genau das getan hat. Ohne großes Zögern hat er für uns beschlossen, dass der Besuch der aktuellen "Scorched Europe“- Tour von HARAKIRI FOR THE SKY ein absolutes Muss ist. Dabei sind es nicht einmal die großartigen Post-Black-Metaller selbst, die das Zünglein an der Waage darstellen – es ist viel mehr der Support-Act DÖDSRIT, der in diesem Fall die entscheidende Rolle spielt.
Die Schweden haben sich in Normans Herzen nicht nur mit ihrem düsteren, melodischen Black Metal nachhaltig verewigt, sondern sich auch direkt auf die Pole-Position seiner Jahrescharts 2024 katapultiert. Ein starkes Statement, das mich natürlich neugierig gemacht hat, und so konnte ich es nicht lassen, mich noch einmal intensiver mit ihrem letzten Album "Nocturnal Will“ auseinanderzusetzen. Und was soll ich sagen: Dieses Kleinod hat auch mich sofort gefesselt! Es ist nicht nur ein Album, das musikalisch völlig überzeugt, sondern es setzt auch ein kräftiges Ausrufezeichen innerhalb des speziellen Genres.
Aber auch dem Main-Act HARAKIRI FOR THE SKY ist mit "Scorched Earth“ natürlich ein verdammt starkes Album gelungen. Die Österreicher haben mit ihrem Sound – einer Mischung aus zerstörerischem Black Metal und melancholischen, fast schon verklärten Momenten – wieder einmal alles richtig gemacht. Da ich die Vorband E-L-R zudem noch nie live gesehen habe und ich mir durchaus etwas von ihrem atmosphärischen, drückenden Sound verspreche, war es ein Leichtes, mich endgültig zu entscheiden: Auf nach Leipzig!
Das UT Connewitz, dieser legendäre und zugleich intime Veranstaltungsort, scheint mir wie der perfekte Rahmen für das, was uns an diesem Abend erwarten würde. Die enge, fast schon familiäre Atmosphäre des Clubs, gepaart mit der rauen Energie der drei Bands, verspricht ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Und während draußen der Frühling sich langsam seinen Weg bahnt, wollen wir dem Erwachen der Natur etwas destruktivere und pessimistischere Vibes entgegensetzen und uns in die klangliche Dunkelheit der Musik stürzen. Es könnte wohl wenig bessere Wege geben, die ersten warmen Tage des Jahres zu begrüßen.Dass der Abend kein typisches Hitfeuerwerk im herkömmlichen Sinne bieten würde, war mir von Anfang an klar. Schließlich setzt die Musik der drei Protagonisten nicht auf eingängige Hymnen, sondern auf eine Atmosphäre, die sich langsam entfaltet und die Zuhörer mit ihrer Intensität und Schwere in ihren Bann zieht. Ihre oft überlangen Songs sind nicht nur eine Klangreise, sondern ein emotionaler Trip, der Raum zum Atmen lässt – genau das macht sie so faszinierend und einzigartig. In diesem Kontext war das Schweizer Trio E-L-R der perfekte Einstieg in den Abend. Wer sich auf die langen, teils meditativen und überwiegend instrumentalen Passagen der Band einlässt, wird keine Probleme haben, sich auch auf die darauffolgenden Acts einzustimmen.
Die Musik von E-L-R ist durchzogen von mystischen, fast schon ätherischen Melodien, die sich immer wieder mit den typischen Black-Metal-Riffs und gelegentlichen Blast-Beats abwechseln. Diese unerwarteten Wendungen schaffen eine gewisse Dynamik, die die ansonsten sehr ruhigen und langsamen Teile der Songs spannend hält. Ein Stück wie 'Forêt' beispielsweise, das in seiner melancholischen Erhabenheit fast meditativ wirkt, vergeht wie im Flug.Besonders beeindruckt hat mich, wie kompakt und massiv das Trio auf der Bühne agiert. Obwohl sie nur zu dritt sind, gelingt es ihnen, eine unglaubliche Präsenz zu entfalten. Jeder Song ist sorgfältig aufgebaut, der Aufbau und die Dynamik der Musik lassen sich nicht nur hören, sondern auch spüren. Da wird die Stille zwischen den Explosionen genauso intensiv, wie die wilden Ausbrüche der Musik. Auch auf der Bühne setzt E-L-R auf eine minimalistisches, aber extrem stimmungsvolles Design, das perfekt zur Musik passt. Die schlichte Bühnen-Deko ist nicht nur dekorativ, sondern unterstützt die Atmosphäre der Performance, indem sie das Spiel von Licht und Schatten nutzt, um die düstere und mystische Stimmung zu verstärken. Es braucht nicht viel, um eine starke Wirkung zu erzielen – das beweisen die Schweizer eindrucksvoll.
E-L-R hat es verstanden, mit wenig Aufwand eine Bühnenpräsenz zu kreieren, die sich nahtlos in die Musik einfügt und den Auftritt visuell aufwertet. Es sind gerade diese subtilen, aber wirksamen Elemente, die dem gesamten Auftritt eine besondere Tiefe verleihen. Von der ersten Minute an bin ich völlig gefangen in dieser intensiven Atmosphäre – und hätte mir kaum eine bessere Einstimmung auf den Abend vorstellen können.
Setliste: Glancing Limbs; Fleurs of Decay; Three Winds; Forêt
(Stefan Rosenthal)
Ich muss auch sagen, dass mich E-L-R absolut positiv überrascht und hier eine solide Grundstimmung für den Abend bereitet hat.Als nächstes steht auf der Agenda die Show von DÖDSRIT und wer, wie Stefan angesprocen hat, mein Review zu "Norcturnal Will" gelesen hat, der dürfte nicht überrascht sein, dass ich mich sehr auf den Auftritt der Melo-Black-Truppe freue. Ich bin gleichermaßen euphorisch, die Jungs aus Borlänge und Amsterdam zu sehen, als auch gespannt, ob ihr ausschweifender Stil auch auf der Bühne funktioniert oder doch nur etwas für den heimischen Plattenteller ist. Pünktlich 20:30 Uhr wird das Licht gedimmt und DÖDSRIT betritt die Stage. Jetzt heißt es Sekt oder Selters ...
Die ersten Töne von 'Irjala' scheppern aus den Boxen und ein wahrer Sturm bricht los, um das Publikum des UT Connewitz zu überrollen. Die Band ist sofort, mit ihren treibenden, teils blastig untermauerten Riffs, präsent. Der Opener ist eine exzellente Wahl, des breiten Repertoires, da er nicht mit Dynamik sowie epischen Harmonien geizt. Die Stimme von Christoffer Öster kommt, wie von Platte gewohnt, kreischend und zugleich kraftvoll, in angenehmer Härte herüber, hier wird gerade ein Benchmark in Sachen Warmabriss gesetzt. Das Publikum dankt es der internationalen Truppe und gibt ein headbangendes Feedback seinesgleichen. Nach dem Start mit Songmaterial von 2024 geht es mit 'Shallow Graves' etwas in die Vergangenheit zurück, nämlich ins Jahr 2021. Der Track läuft sehr gut an, wird dann aber zwischendurch recht holprig. Hier hören sich die Drums abgehackt an und klingen nicht wirklich rund. Ein Blick in das Gesicht von Schlagzeuger Brendan verrät, dass hier tatsächlich irgendwas schiefgelaufen ist. DÖDSRIT kann das Ruder nochmal herumreißen und zaubert einen sauberen Mittelteil, sowie Abgang des Songs auf die Bühne. Mit 'Celestial Will' und 'Nocturnal Fire' kommen nochmal zwei Dampfwalzen aus dem aktuellen Album, die ihre Wirkung keinesfalls verfehlen und Leipzig brachial wegfegen.
Mittlerweile fällt es mir auch schwer eine ruhige Hand an der Kamera zu behalten und ich lege diese kurz beiseite, um mehr von der angeheizten Atmosphäre aufzunehmen. Den Schlussteil von 'Celestial Will' kann ich nun mal nicht starr an mir vorbeiziehen lassen. Bei Gitarrist Georgius gibt es zwischendurch nochmal kleine technische Probleme, welche durch einen beherzten Griff zum Effekttreter aber schnell behoben werden. Das gehört eben zu einem Liveauftritt dazu. 'Apathetic Tongues' läutet dann das leicht melancholische Finale ein. Der Song hat noch einmal mit seinen neun Minuten genug Raum, um sich zu entfalten und das Melo-Black-Schlachtschiff mit Punk- und Crust-Anteilen in den sicheren Hafen zu bringen. Nach nur fünf Songs und einer Spielzeit von 45 Minuten ist das Spektakel vorbei und DÖDSRIT lässt ein wohlig erschöpftes und den Gesichtsausdrücken zu urteilen, glückliches Publikum zurück.
Ich hätte mir noch ein paar Songs mehr gewünscht aber sehe natürlich ein, dass der Headliner des heutigen Abends auch zum Zuge kommen soll.
Setliste: Irjala; Shallow Graves; Celestial Will; Nocturnal Fire; Apathetic Tongues
(Norman Wernicke)Nach den eindrucksvollen Auftritten der vorherigen Bands liegt die Messlatte für HARAKIRI FOR THE SKY definitiv hoch – doch angesichts ihres eindringlichen Songmaterials sollte diese Herausforderung für die Österreicher durchaus zu meistern sein. Um es vorwegzunehmen: Insgesamt hat mich ihre Performance sehr überzeugt. Besonders hervorheben muss man dabei das mitreißende Doppel aus 'With Autumn I'll Surrender' und 'Fire, Walk With Me'. Beide Stücke entfalten auch live eine emotionale Wucht und musikalische Tiefe, die ihresgleichen sucht. Sie stehen sinnbildlich dafür, wie man melancholische Melodien im Black Metal verarbeiten kann, ohne in Kitsch oder Überladenheit abzurutschen. Ein Paradebeispiel für Reife und stilistisches Feingefühl innerhalb des Genres. Eigentlich sollte dieses Duo als Referenz gelten, wie atmosphärischer Post-Black-Metal zu klingen hat.
Im Unterschied zu den Release-Shows mit HERETOIR im Januar, bei denen das aktuelle Album in Gänze präsentiert wurde, konzentriert sich die heutige Setlist nur auf vier Stücke des neuen Werks "Scorched Earth". Dennoch bildet dieses thematisch und klanglich dichte Album eindeutig das Herzstück des Auftritts. Das bringt natürlich gewisse Herausforderungen mit sich. Bei solch langen, epischen Kompositionen kann es passieren, dass man – falls ein Song nicht ganz den eigenen Geschmack trifft – eine gewisse Zeit braucht, um wieder vollständig in den Bann der Musik gezogen zu werden. Genau das ist mir bei 'Funeral Dreams' passiert: Der Track will heute nicht recht zünden, was die sonst so starke Sogwirkung des Sets ein wenig ins Stocken bringt.
Auch im Publikum ist eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Viele Gäste bescheinigen der Band zwar eine solide, handwerklich einwandfreie Leistung, lassen aber auch durchblicken, dass sie HARAKIRI schon in stärkerer Form erlebt haben. Für mich persönlich war es jedoch der erste Live-Kontakt mit der Band und aus dieser Perspektive kann ich mit Überzeugung sagen, dass sich die Reise nach Leipzig definitiv gelohnt hat.Trotzdem bleibe ich bei meiner Einschätzung: Post-Black-Metal funktioniert im intimen Rahmen oftmals intensiver. Mit Kopfhörern auf einem einsamen Waldspaziergang kann ein Werk wie "Scorched Earth" seine ganze atmosphärische Tiefe und emotionale Durchschlagskraft entfalten. Live geht zwangsläufig etwas von dieser Intimität und Mystik verloren, wobei es den drei Hauptaktueren heute aber dennoch gelingt, das Publikum mitzureißen und den Kern ihrer musikalischen Vision auf die Bühne zu bringen. Zwei Daumen nach oben und wie sieht es bei dir aus Norman?
Setliste: Keep Me Longing; With Autumn I'll Surrender; Fire; Walk With Me; Heal Me; Funeral Dreams; Sing For The Damage We've Done; Without You I'm Just A Sad Song; Zugabe: Lungs Filled With Water
(Stefan Rosenthal)
Ich kann dir da vollkommen zustimmen Stefan, denn auch ich finde die stilistische Ausrichtung des Post Black Metal wesentlich wirkungsvoller auf meinen Kopfhörern. Die Gesamtheit der Eindrücke, welche auf einem Konzert gesammelt werden, sind natürlich gigantisch und bleiben memorable Momente, jedoch lenken sie mich zu stark ab um mich wirklich in der Atmosphäre des Genres zu verlieren.
Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ja von mir gibt es auch zwei Daumen nach oben, denn nicht nur das Package liest sich wie eine Wunschliste, auch haben alle Bands des Abends hier ganz klar abgeliefert.
(Norman Wernicke)
Fotocredit: Norman Wernicke
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal