Perlen der Redaktion: Norman Wernickes Highlights 2024

31.12.2024 | 10:41

2024 neigt sich dem Ende zu und für mich ist es ein besonderes Jahr, denn es ist das erste an Bord von POWERMETAL.de. Der Schritt vom "normalen" Musikliebhaber und Konzertgänger zur Arbeit bei einem Online-Magazin ist gewaltig und kam dann doch schneller als erwartet. Was mich, unter diesem Aspekt, im Jahr 2024 bewegt hat, ist in den folgenden Zeilen niedergeschrieben.

Ein Blick hinter die Kulissen zu werfen und auch aktiv im redaktionellen Bereich zu arbeiten, ist alles andere als gewöhnlich. Allein die Sparte der Fotografie, in der ich mich hauptsächlich bewege, ist extrem vielschichtig und stellt stetig neue Herausforderungen dar, welche gemeistert werden wollen. Ob schlechtes Licht, eine Nebelwand, die keine zwei Meter Sicht zulässt oder Bierspritzer auf der Linse, irgendwas ist immer. Tatsächlich hat sich durch die regelmäßige Arbeit am Sucher auch eine gewisse Routine entwickelt, welche aber stets mit ausreichender Nervosität begleitet wird. Es war dann doch der Sprung ins kalte Wasser, welcher mich infiziert hatte. Das erste Konzert (noch als freier Mitarbeiter bei POWERMETAL.de), welches ich fotografisch begleiten durfte, war die ausverkaufte O2-Arena in Leipzig mit 13000 Besuchern. Das ist schon mal eine Ansage für "das erste Mal".

Mittlerweile weiß ich jedoch, um an diesen Punkt zu kommen, stehen noch andere Hürden vor einem: Hat es die Akkreditierungsbestätigung bis zur Security geschafft, muss das Equipment zwischendurch abgegeben werden oder läuft einfach alles völlig entspannt und stressfrei, wie bei der Metalfoundation Südharz? Egal wie, bisher bekam ich noch alle vor die Linse. Da meine primäre Arbeit darin besteht, visuelle Zuarbeit für die vielen Konzertberichte zu erarbeiten, möchte ich auch gern die Perlen der Redaktion in zwei Bereiche aufteilen, um nicht nur einen Einblick in die musikalischen, sondern auch in die Konzert-Highlights zu geben, welche ich sowohl mit und für POWERMETAL.de, als auch rein privat besucht habe.

 

Fangen wir mit den rein auditiven Impressionen des Jahres an.

 

Den Platz auf dem Podium sichert sich hier ganz klar DÖDSRIT mit "Nocturnal Will". Der vierte Langspieler der Schweden ist ein echtes Meisterwerk im Melodic Black Metal und nur schwer zu beschreiben, wenn man Superlative vermeiden möchte. Die perfekt ausbalancierte Mischung aus epischen Gitarrenriffs mit einem sauber dosierten, teils blastigen und auch groovigen Schlagzeug gepaart mit donnerndem, kreischendem Gesang ist ein klares Alleinstellungsmerkmal der Band. Die LP ist nicht weniger als ein Meilenstein im Melodic Black Metal. Fans von harmonischer Kompromisslosigkeit werden sich hier zuhause fühlen. DÖDSRIT hat sich hier nicht auf für die Band neues Terrain begeben, aber kompositorisch sehr saubere Arbeit geleistet. Das Album hat für mich die optimale Mischung aus Härte und Melodie. In meinem Review zu "Nocturnal Will" bin ich auf die einzelnen Songs eingegangen und habe die Scheibe auch ausführlicher beschrieben.

 

Der zweite Platz meiner Jahrescharts und somit Silber geht an SPECTRAL WOUND mit "Songs Of Blood And Mire". Der Nachfolger von dem 2021 erschienenen "A Diabolic Thirst" präsentiert sich in einem etwas groovigeren Gewand als sein Vorgänger und macht unglaublich viel Spaß. Die Songs wirken mehr auskomponiert und weniger brachial, aber verlieren zu keinem Zeitpunkt den Bezug auf die schwarzen Wurzeln der Band. SPECTRAL WOUND ist hier einerseits der eigenen Linie treu geblieben und hat ein typisches Black-Metal-Album produziert und andererseits Mut zu neuen Facetten der Stilrichtung bewiesen. Die Scheibe ist definitiv wegweisend und ein echter Meilenstein. Für den ersten Platz hat es bei mir jedoch nicht gereicht, da nicht alle Songs das Topniveau erreicht haben. Die Zugpferde der LP sind für mich: 'At Wine-Dark Midnight In Mouldering Halls' und 'Aristocratic Suicidal Black Metal'.

 

Stilistisch geht es jetzt in eine etwas andere Richtung, denn mein Platz 3 bewegt sich in den Sphären des Melodic Death Metal bzw. Metalcore. FALL OF SERENITY hat mich mit "Open Wide, O Hell" dieses Jahr echt überrascht. Das Cover des Albums erinnert ein wenig an das von mir gefeierte, im Jahr 2007 erschienene Album von AS I LAY DYING und beackert auch ähnliche Gebiete der Musik. Wie eine Dampfwalze gehen die teils doch etwas sperrigen Songs nach vorn und machen besonders live jede Menge Spaß. Der mittlerweile fünfte Langspieler wirkt auch deutlich erwachsener als seine Vorgänger und unterstreicht den geradlinigen Stil der Band wunderbar. Das Rad wird hier zwar nicht neu erfunden, aber das ist auch keineswegs nötig, da es an dem bewährten Konzept nichts auszusetzen gibt. Die Hitdichte ist nicht ganz so hoch wie bei genreähnlichen Überalben und rückt die Truppe aus Plauen / Jena somit auf den Bronzeplatz. Der Song 'Darkness, I Command' lief bei mir dieses Jahr in Dauerschleife und ist ein Melo-Death-Flaggschiff.

 

Nach den akustischen Sahnestückchen des Jahres geht es nun zu den angekündigten Live-Shows, welche mir in besonderer Erinnerung bleiben werden.

 

Platz eins geht knapp an eine schwedische Band, die wie keine andere meine Jugend geprägt hat. Die Rede ist von IN FLAMES mit ihrer Co-Headlinertour, zusammen mit ARCH ENEMY und SOILWORK als Vorband. Was für ein Package! Allein diese drei Bands an einem Abend zu sehen ist schon eine Ansage, welche man sich auf so manchem Festival wünschen würde. Auf alle drei Truppen aus dem hohen Norden habe ich mich riesig gefreut und werde nicht enttäuscht. Aufgrund der viel zu langen Schlange am Einlass können wir leider nicht das komplette Set von SOILWORK sehen und müssen uns mit den letzten paar Songs zufriedengeben. Diese reichen aber aus, um zu überzeugen, denn die Helsingborger sind einfach eine klasse Liveband, die ohne große Lichtshow und Bühnenbild überzeugen kann. Die sehr stimmungslastige Interpretation des Melo Death reißt einfach mit, ohne abgedroschen zu klingen. Als Nächstes ist IN FLAMES an der Reihe und für mich steigt die Anspannung, ob die Truppe um Anders Fridén überzeugen kann, denn dies konnten sie bei mir zwischen 2011 und 2016 definitiv nicht mehr. Aber wie heißt es so schön: IN FLAMES we trust. Meine Helden der Jugend sind zurück und zaubern ein Inferno an Emotionen von der Bühne auf das Publikum. Die Messehalle Dresden ist in der Hand der Göteborger und frisst ihnen aus der Hand. Ein bockstarker Auftritt, der nicht nur durch die Songauswahl, sondern auch durch die Interaktion mit den Besuchern in Erinnerung bleiben wird. Den anschließenden Headlinerslot hat ARCH ENEMY inne und gibt Dresden damit den Rest, wobei ich immer mehr das Gefühl habe, dass hier die Leidenschaft von Frontfrau Alissa White-Gluz immer mehr dem Job weicht. Für mich ist IN FLAMES die Abrissbirne des Jahres, auch wenn es dieses Mal nur der Co-Headliner-Slot war.


Den zweiten Platz der Konzerte erspielt sich VANAHEIM mit einer Mischung aus Bühnenperformance, klassischem Folk Metal und einer ordentlichen Portion Wahnsinn. "Wir haben eine Akkreditierung für VANAHEIM, die sind cool".

So oder ähnlich war die Nachricht des Redaktionskollegen Stefan Rosenthal, mit dem ich die Liveevents für POWERMETAL.de besuchte. Mir war die Band bis dato völlig unbekannt und ich musste sie erstmal googeln. Kein Wunder, denn mit ihrer "In Stein geschlagen"-Tour promoten die Niederländer ihr erstes Album. Mit im Gepäck haben die Fünf noch KEOPS und VERA LUX. Angefangen mit den aus Kroatien (nonstop) angereisten KEOPS wird die Subkultur Hannover zur leicht progressiven Heavy-Metal-Arena. Ein sehr cooler Auftritt mit authentischem Metal und einer kleinen Reise nach Ägypten. Den zweiten Slot belegt VERA LUX und zeigt eine Mischung aus Rock-Folk-Metal im mittelalterlichen Gewand. Mich holen die Nürnberger hier nicht so ab, aber der Rest des Publikums scheint das anders zu sehen.

Nach dem musikalischen Abstecher ins Mittelalter, begleitet von einer Drehleier, kommt VANAHEIM auf die Bühne. Von der ersten Sekunde an geben die Tilburger Vollgas und überzeugen mit reinster Spielfreude. Wer Bands wie EQUILIBRIUM oder ENSIFERUM feiert, kommt um diese Combo nicht herum. Der eigene Stil von Folk Metal ist sehr gefällig und eingängig, ohne Gefahr zu laufen, austauschbar zu werden. Die Performance auf der Stage kann gern als purer Wahnsinn beschrieben werden und ist einmalig. Im Publikum dreht jetzt gefühlt jeder durch und feiert mit VANAHEIM eine einzige epische Folk-Party. Auch abseits der Bühne ist die Truppe für den einen oder anderen Plausch zu haben und zeigt sich den Fans nahe. Dies alles macht VANAHEIM sehr sympathisch, was bei der Bewertung eines Liveauftrittes auch eine große Rolle spielt. Übrigens gibt es am Merchandise echten holländischen Käse mit Logo der Band, welcher dazu auch noch sehr gut schmeckt. Eine ausführliche Beschreibung des Abends gibt es im Konzertbericht.

 

Platz drei der Konzerte des Jahres 2024 geht an BORKNAGAR in Leipzig. Als Vorband von ROTTING CHRIST zeigen die Norweger eine mystische und eminente Art des Black Metal. Mit einem Line-up von insgesamt sechs Bands zum Freitagabend können wir aufgrund unserer Arbeitszeiten leider nicht alle Acts sehen. Unseren Start machen die französischen Black-Metaller SETH, die ihr neues Album "La France Des Maudits" fleißig promoten. Ein durchweg starker Auftritt und somit ein gelungener Auftakt für uns. Anschließend kommt BORKNAGAR auf die Bühne und verwandelt das Hellraiser in eine wahre Messe. Das gesamte Publikum wird schlagartig ruhiger und blickt, fast schon in Trance, zur Bühne. Eine dezente Lichtshow kann die aufgebaute Atmosphäre fabelhaft unterstützen und spielt der Band somit voll und ganz in die Karten. BORKNAGAR braucht keine überschwängliche Bühnenshow, um das Konzept aufgehen zu lassen, sondern lebt schlicht und einfach von viel Gefühl, welches transportiert wird. Songs wie 'Up North' oder 'Voices' muss man einfach live erlebt haben. Der anschließende Headliner ROTTING CHRIST präsentiert ein breites Set aus allen Epochen, da wir hier schließlich auf der "35 Years Of Evil Existence"-Tour sind.

 

An Varietät hat es 2024 nicht gemangelt, und die besuchten Konzerte reichten von kleinen Clubshows bis zu ausverkauften Arenen. Ich könnte gar nicht sagen, was mir da lieber ist, weil beides seinen Charme und seine Daseinsberechtigung hat. Abschließend nur so viel: Ich freue mich auf 2025 und bin gespannt, welche Lichtemissionen ich für POWERMETAL.de im nächsten Jahr auf den Sensor bannen kann.



Hier meine Bestenliste der Alben aus 2024:

Rang

Band Album
01. DÖDSRIT Nocturnal Will
02. SPECTRAL WOUND Songs of Blood and Mire
03. FALL OF SERENITY Open Wide, O Hell
04. KANONENFIEBER Die Urkatastrophe
05. NECROPHOBIC In The Twilight Grey
06. IOTUNN Kinship
07. KVAEN The Formless Fires
08. JUDAS PRIEST Invincible Shield
09. LINKIN PARK From Zero
10. ARS VENEFICIUM The Lurking Shadow of Death
11. BORKNAGAR Fall
12. CEMETERY SKYLINE Nordic Gothic
13. PSYCROTTED Creations of Insanity
14. SETH La France des maudits
15. GRAND MAGUS Sunraven
16. ROTTING CHRIST Pro Xristou
17. NIGHTWISH Yesterwynde
18. UNTO OTHERS Never, Neverland
19. HIGH ON FIRE Cometh The Storm
20. BLOOD INCANTATION Absolute Elsewhere

Redakteur:
Norman Wernicke

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