Headbangers Open Air - Brande-Hörnerkirchen
26.08.2017 | 17:5027.07.2017, Der Garten
Zwei Dekaden HOA sind voll!
Es ist das 20. Headbangers Open Air und ausgerechnet in diesem Jahr stehen gravierende Änderungen an, die im Vorfeld von nicht wenigen Alteingesessenen mit argwöhnischen Augen betrachtet worden sind. Die Bühne ist um 180 Grad gedreht worden, sodass der alte Backstage-Bereich jetzt das Infield ist und umgekehrt. Dies nimmt der Gartenparty zwar etwas den Charme, aber die aktuelle Lösung ist weit weniger schlimm als befürchtet. Es gibt deutlich mehr Unterstellplätze für den nicht gänzlich unwahrscheinlichen Fall einer feuchten Dusche und auch das Scheunendach direkt vor der Bühne ist deutlich breiter als zuvor. Dies sind alles positive Veränderungen. Auch der Sound ist gewohnt gut, sodass uns das neue Ambiente recht gut gefällt. Weniger gelungen ist allerdings der Umgang mit dem Wetter. Durch den starken Regen am Freitag und Samstag sind weite Teile des Geländes sehr stark verschlammt und nur schwer begehbar. Etliche Fahrzeuge müssen von benachbarten Bauern heraus geschleppt werden. Für die norddeutsche Luftbefeuchtung kann keiner etwas, ein bisschen mehr Weitblick wäre aber schön gewesen, sodass man zumindest den Teil im Infield wie auch den Weg zum Bühneneingang hätte begehbar machen können. Ebenfalls wenig cool ist die Hilfsbereitschaft einiger Crew-Mitarbeiter, sowohl auf dem Tagesparkplatz, wie auch am Bühnenein- und ausgang. Dies hat uns aber das Wochenende nicht vermiest, sodass ihr im Folgenden unseren Bericht lesen könnt.
Das diesjährige HOA darf eine Band eröffnen, die einiges an Geschichte mit dem Festival verbindet: Die Lokalmatadore ROHBAU, die, der Name lässt es bereits vermuten, ihren Metal mit deutschen Texten präsentieren. Das kann natürlich schnell peinlich werden, doch etwaige Sorgen zerstreuen sich recht schnell. Hier gibt es soliden Heavy Metal mit Texten, die nicht weiter negativ auffallen. Dieser ist hin und wieder etwas arg schunkelig ausgefallen, doch als Aufwärmer am Donnerstag passt das schon ganz gut und vom gesamten Auftreten her wirkt die Band gut eingespielt und motiviert, was man nicht über alle Akteure am heutigen Tag so sagen kann. Somit ist der Auftritt von ROHBAU sicher kein Highlight, aber doch höchst unterhaltsam und ein guter Soundtrack für die ersten Biere auf dem Festivalgelände, was ja wohl auch der Sinn eines Openers ist. Daher gilt für Band und Veranstalter: Alles richtig gemacht! und ich warte gut gelaunt auf die Dinge, die da als nächstes kommen sollen, nicht ahnend, wie finster das werden kann.
[Raphael Päbst]
Nachdem mit ROHBAU bereits eine lokale Band der ersten Stunde das diesjährige Gartenzündeln eröffnet hat, folgt mit den ebenfalls hier heimischen BÄD INFLUENCE die nächste Band, die bereits beim allerersten HEADBANGERS OPEN AIR in der Scheune gespielt hat. Die Truppe um Sänger Mark 'Vicious' Brühning, die bereits seit über 20 Jahren in Hamburg ihr Unwesen treibt und fünf Longplayer am Start hat, bietet eine krude Mixtur aus Horrorshow und traditionellem Heavy Metal. So geistert Sänger Mark in guter alter Misfits-Manier geschminkt und im Skelett-Kostüm über die Bühne und spielt mit Kunstblut. Musikalisch hat das Ganze mit den ehemaligen Gruselkollegen des Schinkenministers aber gar nichts gemeinsam. Vielmehr spielt die Band sehr normalen Heavy Rock, dem es etwas an Spannungsmomenten mangelt. Der Einsatz eines Digeridoo-Spielers ist zwar ein optischer wie auch ein akustischer Bonus, kann mich aber leider nicht über die komplette Konzertdistanz hinweg positiv stimmen. Das ist mir musikalisch irgendwie eine Spur zu wenig griffig, zu wenig zwingend. Schade irgendwie.
[Holger Andrae]
Nach der unfreiwillig gruseligen Show von BÄD INFLUENCE steht mit BLACKHAWK die nächste deutsche Band auf den Brettern und es geht merklich bergauf. Melodischer, typisch deutscher Metal, vorgetragen mit Verve, Spielfreude und von einer gut eingespieltenn Band, damit kann man auf einem Festival wie dem HOA nie etwas falsch machen und so kann auch BLACKHAWK mehr als nur Höflichkeitsapplaus einheimsen. Leider bleibt der Sound nach wie vor ein Problem, denn wie eigentlich fast immer an diesem Wochenende ist das Schlagzeug zu laut oder die Gitarre zu leise. Davon lassen sich aber weder Band noch Publikum abschrecken und so wird es ein munterer metallischer Reigen, der die Anwesenden gut auf das Folgende vorbereitet, ohne zumindest mich endgültig zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Gute Handwerkskunst und solides Songmaterial, gespielt ohne Ausfälle und von Profis, das macht Spaß, aber ist eben nicht spektakulär. Dennoch, BLACKHAWK ist alles andere als eine Enttäuschung und ich bin mit dem Auftritt durchaus zufrieden.
[Raphael Päbst]
Zwischen den ganzen lokalen Größen rattert ein Trio über die Scheunenbretter, welches wohl zu den Senkrechtstarten der jüngsten Vergangenheit zu zählen ist. Die Rede ist natürlich von NIGHT DEMON. Mir fällt auf die Schnelle keine andere Band ein, die in letzter Zeit so oft auf Tour und auf Festivals zu sehen war. Hier hat sich eine Truppe wortwörtlich den Popo blutig gespielt, was sich natürlich in der Bühnenpräsenz wiederspiegelt. Wie schon beim diesjährigen Keep-It-True-Festival ist das sehr zahlreich anwesende Publikum vom eröffnenden 'Welcome To The Night' an zu 100% hinter der Band. Kein Wunder, prescht das Trio auch im wieselflinken Schweinsgalopp über die gierig feiernde Meute hinweg. Hier passt einfach alles zusammen! Zwei wild bangende und nach einer Minute vor Schweiß triefende Saitenquäler, die stilecht beide mit einer Flying V herum hantieren, ein Drummer, der auf sein Gerät eindrischt wie ein Irrer und Songs, die so eingängig sind, dass man sie sofort mitsingen kann. Catchy, aber eben nicht cheesy. Das ist die große Kunst der Stromgitarrenmusik. Außerdem finde ich es beachtlich, dass an zweiter Stelle mit 'The Ritual' gleich mal eine Nummer der EP nachgeliefert wird. Im weiteren Verlauf ackert man sich durch die beiden Longplayer und erfreut das Publikum mit einer unerwarteten Kofferversion des GOLDEN-EARRING-Schmachtfetzen 'Radar Love'. Von Fans für Fans. Zweitere nehmen das dankend entgegen und singen noch lauter mit als bei den eigenen Nummern. Sehr fein. Sänger Jarvis hat inzwischen wohl fließendes Wasser in den Schuhen und sein Halswirbel schein aus Gummi zu sein, so hart schraubt er sich die Birne von den Schultern. Das Wunderbare daran: Es wirkt authentisch. Diese Burschen leben Heavy Metal bis auf die Knochen und wenn man bei der Bandhymne 'The Chalice' das Bandmaskottchen mit dem Kelch auf Bühne holt, hören sich auch noch die Augen satt. So geht eine kurzweilige Show. Dass man als letzte Nummer dann mit Maidens 'Wasted Year' die Besucher des HOA-Festivals nicht mehr überraschen kann, trübt die Stimmung keinen Millimeter. Mehrere Hundert Kehlen singen diesen Evergreen mit und man vermisst die zweite (und dritte) Gitarre nicht eine Sekunde. Alles richtig gemacht, meine Herren!
Setliste:Welcome To The Night, The Ritual, Maiden Hell, Curse, Full Speed Ahead, Black Widow, The Chalice, Heavy Metal Heat, Hallowed Ground, Radar Love, Screams In The Night, Dawn Rider, Night Demon, Wasted Years
[Holger Andrae]
Mit PARAGON aus Hamburg kommt nun bereits die dritte lokale Band zum Zuge und ich bin gespannt, wie sich die Mannen um Jan Bünning und Andreas Babuschkin so schlagen, denn mein letzter Livekontakt liegt nun auch schon 14 Jahre zurück. Die Antwort fällt sehr deutlich und direkt aus, denn PARAGON setzt heute auf Volldampf und brettert den typisch teutonischen Stahl ohne Rücksicht auf Verluste runter. Keine Sperenzchen, keine falsche Vorsicht, so macht das wirklich Spaß und lässt auch locker darüber wegsehen, dass der eine oder andere Song doch recht ähnlich klingt. Spielfreude und Power schlagen Innovation, wenigstens live gilt diese Regel für die Hamburger und das zahlreich nach NIGHT DEMON gebliebene Publikum weiß dies auch zu honorieren. Dabei merke ich mal wieder, wie umfangreich der Katalog der Hanseaten inzwischen doch geworden ist, und dass es doch den einen oder anderen kleinen Hit in dieser Sammlung an Alben gibt, den ich mir vielleicht auch zu Hause nochmal anhören könnte. Somit gelingt es PARAGON, wenigstens bei mir auch Werbung für die eigenen Konserven zu machen, was ich so im Vorhinein wohl eher weniger erwartet hätte. Daher, Faust und Daumen hoch für PARAGON und einen überraschend starken, weil kompromisslosen Auftritt.
[Raphael Päbst]
Überraschend hoch im Billing findet sich das griechische Thrash-Quartett SUICIDAL ANGELS wieder. Sechs Longplayer und etliche Tourneen haben der Band aber eine ansehnliche Fangemeinde zusammen gespielt, sodass es im Infield ziemlich voll wird als die ersten Töne von 'Capital Of War' erklingen. Die Band um Fronter Nick Melissourgos macht aber auch von Beginn an klar, dass sie es ernst meint. Es fliegen die Matten und eine Thrashgranate nach der anderen wird ins Publikum gefeuert. Man hört und sieht den jungen Wilden einfach die Bühnenerfahrung an, denn sie sind bestens aufeinander eingespielt. Sowohl spieltechnisch wie auch optisch. Daher muss ich gelegentlich an ein unfrisiertes Fernsehballett denken, was aber sehr positiv zu verstehen ist. Wo andere Heißsporne im Feuereifer auch mal ineinander rennen, scheint hier jeder genau zu wissen, wie man sich optisch mitreißend, aber auch professionell zu präsentieren hat. Dafür gehen alle Daumen nach oben. Diese Professionalität hat aber auch einen Nachteil, vor allem, wenn es innerhalb des Setlist wenig Luft zum Atmen gibt: Es wird nach einer gewissen Zeit etwas eindimensional. Während ich bei einem Geschoss der Marke 'Bloodbath' noch heftig mit der Rübe wackele, warte ich bei 'Frontgate' auf eine Tube Abwechslung. Dies zeigt wohl auch auf, weshalb ich mich irgendwann nicht mehr tiefer mit SUICIDAL ANGELS beschäftigt habe: Ich mag meinen Thrash mit ein paar Überraschungen durchzogen. Diese sucht man bei den Griechen leider vergeblich. Das mag für reine Thrash-Puristen, denen schon das zweite EXODUS-Album zu verspielt ist, ein Pluspunkt sein, ich bin irgendwann latent gelangweilt.
Setliste: Capital Of War, Division Of Blood, Bloodbath, Bleeding Holocaust, Seed Of Evil, Image Of The Serpent, Frontgate, Eternally To Suffer, Moshing Crew, Apokathilosis
[Holger Andrae]
Kurz vor Begin des Auftritts befinde ich mich noch vor dem Gelände auf der Suche nach etwas Essbarem und höre den Soundcheck von PRETTY MAIDS. Die Gitarre kracht da herrlich direkt ins Gebälk und ich hoffe darauf, dass die Soundprobleme nun endgültig der Vergangenheit angehören. Doch als das Intro verklungen ist, macht sich Ernüchterung breit. Denn aus dem crunchigen Klampfen Mr. Hyde ist ein handzahmer Dr. Jekyll geworden, der klar zu weit im Hintergrund schnurrt. Leider übernimmt sich die Band auch in Puncto Spielfreude und Enthusiasmus nicht, weshalb das erhoffte Feuerwerk doch eher nur in Tischgröße ausfällt. Da passt das unnötige KISS-Cover durchaus ins Bild, denn genug starkes eigenes Material wäre ja nun wirklich vorhanden. Dennoch bleibt natürlich Ronnie Atkins ein überragender Sänger und es ärgert mich lediglich, dass er heute offensichtlich wenig Lust hat, das auch zu zeigen. Gegen Ende wird es jedoch nochmal besser, denn mit Krachern wie 'Back To Back' und 'Future World' kann man einfach nie etwas falsch machen, weshalb ich dann doch noch halbwegs versöhnt den Weg zurück zum Zeltplatz antrete. Dennoch, hier wäre definitiv mehr drin gewesen.
[Raphael Päbst]
Alle Photos von Taina "Petrunella" Keck.
Hier geht es zum zweiten Tag...
- Redakteur:
- Holger Andrae