Impericon Festival - München
12.05.2024 | 23:4806.04.2024, Zenith
Einen ganzen Tag lang angebrüllt werden? Das geht auf dem Münchner Ableger des Core-Festivals "Impericon", immerhin mit einigen melodischen Unterbrechungen. Wir werfen uns ins Getümmel!
Eine halbe Stunde vor Einlass kommen wir am Zenith an. Der Verkehr nach München scheint so früh noch zu schlafen und auch sind erst wenige Festivalbesucher da. Pünktlich wird die Gästeliste aufgemacht und wir bekommen Papierbändchen, auf denen "Impericon" gedruckt steht. Als wir jedoch rein wollen, werden wir aufgehalten, anscheinend ist man nicht gewohnt, dass Journalisten pünktlich kommen. So lässt uns die Security eine halbe Stunde vor der Tür eines Nebeneingangs in der Sonne warten, wo Mitarbeiter und Musiker ein- und ausgehen. Nach einer halben Stunde Warten ohne Informationen, was uns wie eine Ewigkeit vorkommt, erfahren wir und auch die zuvor uninformierte Security endlich, dass wir erst fünf Minuten vor Beginn hinein eskortiert werden. Eine ziemlich unnötige Prozedur, aber vielleicht wollen sie noch Fotoregeln für alle Fotografen erzählen.
Allerdings bleiben wir die einzigen Fotografen und werden dann schließlich ohne Vortrag durch den Backstagebereich zum Graben gebracht. Unsere Kameras sollen wir bei der Grabensecurity lassen, damit wir keine Bilder aus der Menge machen können. Diese Regel wird allerdings im Laufe des Tages nicht durchgehend eingehalten und auch nur ein Teil der Security weiß überhaupt davon. Natürlich wollen wir unsere wertvolle Ausrüstung nicht gerne aus der Hand geben, aber wir und auch die Bandfotografen stoßen auf ungewöhnlich aggressive Reaktionen. Etwas später stoßen wir dann doch noch auf Verständnis. Tja, weibliche Security herrscht!
Mit ihrem energiegeladenen Deathcore-Sound eröffnet die Karlsruher Band MENTAL CRUELTY das "Impericon"-Festival. Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 hat die Gruppe es geschafft, sich einen festen Platz in der Musikszene zu sichern, indem sie einen Stil pflegt, der treffend als Blackened Deathcore bezeichnet wird. Durch ihre vier Alben hindurch haben sie es verstanden, ihre Musik durch immer ausgefeiltere schnelle und düstere Elemente weiterzuentwickeln. Trotz ihres eher unter dem Radar fliegenden Status wird MENTAL CRUELTY von einer kleinen Anzahl Festivalbesucher mit Begeisterung aufgenommen, obwohl die Mehrheit zunächst noch etwas zurückhaltend wirkt. Vor der Bühne kommt es zu vereinzeltem Kopfnicken und im Laufe des Auftritts sogar zu einem kleinen Moshpit, doch die breite Masse hält sich mit ihrer Begeisterung noch merklich zurück. Die fünf in schwarz gekleideten Bandmitglieder, von denen einer sogar eine Kapuze trägt, bieten den früh erschienenen Fans dennoch eine überzeugende Show.
Als nächstes betritt THROWN die Bühne im Zenith. Aktuell ist noch etwas Platz in der Halle, hoffentlich wird sie im Laufe des Nachmittags noch voller. Aber hey, das ist ja auch erst die zweite Band heute. THROWN bewegt sich stilistisch mehr im Metal- und Hardcore-Bereich als die vorige Band und gefällt meinen Core-Ohren deutlich besser. Die Bandmitglieder schütteln wild den Kopf und Sänger Marcus Lundqvist rennt auf der Bühne herum. THROWN ist pünktlich dran und sogar fünf Minuten vor dem geplanten Ende des Auftritts fertig. Damit wird das eigene Material wahrscheinlich auch schon ausgereizt, schließlich hat die Band noch keine fünf Jahre auf dem Buckel und auch noch nicht mal ein Album in Volllänge herausgebracht. Dennoch erfreut sich THROWN großer Bekanntheit und ist sicherlich ein Anreiz für einige Fans, das "Impericon"-Festival in München zu besuchen.
[Noah-Manuel Heim]
Die schwedische Band THROWN, die im Jahr 2020 von dem ehemaligen Sänger von GRIEVED, Marcus Lundqvist, dem Schlagzeuger Buster Odeholm, dem Gitarristen Johan Liljeblad und Andreas Malm gegründet wurde, vereint Hardcore und Metalcore auf eine explosive Weise. In den Liedtexten, die von Wut und Selbsthass geprägt sind, verschmelzen intensive Gitarrenriffs mit eingängigen, aber aggressiven Gesangsmelodien. THROWN strebt danach, mit einer modernen Interpretation von Heavy Music bekannt zu werden und hat bereits eine beachtliche Anhängerschaft gewonnen, obwohl die Band noch kein offizielles Debütalbum veröffentlicht hat. Das zunehmende Interesse an ihren Auftritten zeigt sich auch darin, dass mittlerweile sehr viel mehr Zuhörer im Saal sind als bei der ersten Band.
[Katharina Jäger]
Mit der Band DYING WISH steht heute die erste Frau am Mikrofon. Emma Boster legt sich mächtig ins Zeug und bietet eine ordentliche Bühnenshow. Sie bewegt sich viel auf der Bühne, hüpft und kickt. Außerdem beherrscht sie sowohl den spärlich eingesetzten Klargesang als auch das deutlich präsentere Growling. Die anderen Bandmitglieder halten sich eher im Hintergrund, headbangen und kommen ab und zu nach vorne, um sich in Posen zu werfen. Leider fällt mir wieder einmal auf, dass der Sound, der im Zenith generell nicht so gut ist, hier besonders schlecht rüberkommt, da das "Impericon"-Festival seine eigenen Boxen mitgebracht hat und diese benutzt, anstatt auf die vorhandene Lautsprecheranlage des Zenith zurückzugreifen. Außerdem versperren diese mitgebrachten Boxen teilweise die Sicht auf die Bühne, was sehr schade ist. Die Band bietet Metal bzw. Hardcore mit dezenten melodischen Aspekten. Damit stellt DYING WISH das Publikum zufrieden und erntet die ersten Crowdsurfer des Festivals.
Jetzt betritt FUTURE PALACE die Bühne. Auf diese deutsche Band habe ich mich schon sehr gefreut, denn das Quartett um Sängerin Maria Lessing hat bei den letzten Konzerten, bei denen ich sie teilweise als Vorband, aber auch schon auf ihrer eigenen Headliner-Tour erleben durfte, immer eine schöne Live-Performance abgeliefert.
Das ändert sich auch heute nicht. Das bekannte und funktionierende Konzept des FUTURE PALACE-Auftritts wird nicht verändert und zeigt den gewohnten Erfolg auch beim Publikum. Das bildet bei einigen Songs auch den einen oder anderen Pit. Zwischendurch erkundigt sich Maria, ob es allen im Publikum gut geht. Das scheint der Fall zu sein, also geht es ohne weitere Umschweife weiter. Höhepunkt des Auftritts ist der frisch veröffentlichte Song 'Uncontrolled'. Musikalisch passt hier alles, FUTURE PALACE hat bisher bei keinem Auftritt enttäuscht. Weiter so!
[Noah-Manuel Heim]
Nachdem die Band CASEY im Jahr 2019 ohne Anzeichen für ein mögliches Comeback aufgelöst wurde, überraschte das Quintett aus der walisischen Hauptstadt Cardiff Ende 2022 mit seiner Rückkehr, zu der sie einige Shows spielte und auch neue Musik in Form von zwei Singles veröffentlichte. Mit dem Erscheinen ihres dritten Albums und damit dem ersten Album seit dem Comeback traf die stilistisch vielfältige Band mit ihrem melodischen Post-Hardcore sowohl alte Fans als auch viele neue Hörer.
Die steigende Besucherzahl beim "Impericon" zeigt eine klare Spaltung: die Neuankömmlinge, die die Band wohlwollend abnicken und die, die bereits seit Anfang an da sind und CASEY enthusiastisch empfangen, dankbar für die musikalische Abwechslung, die nicht auf lautem Grölen basiert. Insgesamt erhält die Band durchweg positives Feedback vom Publikum, das begeistert mitwippt. Auch für mich ist es, wie ich später erkennen werde, definitiv ein frühes Highlight des Abends und eine Band, die einige eingefleischte Fans hat, wie sich bei der zwar nicht allzu gut besuchten Autogrammstunde zeigt, bei der die Anhänger für CASEY auch lange Anfahrtswege in Kauf genommen haben. Eine Band, deren Karriere ich in Zukunft interessiert verfolgen werde.
NASTY ist eine belgische Band, die im Jahr 2004 in Kelmis gegründet wurde. In den vergangenen Jahren konnten sie sich mit insgesamt neun veröffentlichten Alben einen festen Platz in der Musikbranche sichern. Das Besondere an ihrem Sound ist die gelungene Kombination aus Beatdown-Hardcore und Metalcore, die durch energiegeladene Breakdowns, aggressive Vocals und einschüchternde Gangshouts gekennzeichnet ist. Trotz der rohen und harten Beats bringen die Musiker aus Belgien eine Prise Frische in das Hardcore-Genre und begeistern ihr Publikum mit ihrer kraftvollen Performance. Leider leidet die Musik unter einem schlechten Sound und ist daher sehr viel weniger genießbar als auf Konserve.
Die Metalcore-Band BREAKDOWN OF SANITY stammt aus der schönen Schweiz und ist bereits seit dem Jahr 2007 aktiv. Was die Band so besonders macht, ist ihre Do-It-Yourself-Mentalität, denn sie verzichtet bewusst auf ein Plattenlabel. Sowohl beim Merchandise, den Albumcovers, dem Booking als auch bei der Produktion packen die Bandmitglieder selbst mit an und zeigen damit echte Teamarbeit. Mit ihrem vierten Album "Coexistence", das im Jahr 2016 veröffentlicht wurde, schaffte es BREAKDOWN OF SANITY erstmals in die Top-50-Charts verschiedener Länder. Trotz ihrer Auflösung im Jahr 2017 überraschte die Band ihre Fans im Jahr 2020 mit der Ankündigung ihres Comebacks. Seit September 2020 veröffentlicht sie kontinuierlich neue Singles, die alle auf ein großes Album hindeuten. Die Fans, die stark auf dem "Impericon" vertreten sind, dürfen sich also definitiv auf spannende Neuigkeiten aus dem Hause BREAKDOWN OF SANITY freuen.
Ich bin gespannt, denn ich sehe die Jungs zum ersten Mal. Die Fans in der ersten Reihe halten begeistert ein weißes Banner mit dem Bandnamen hoch und jubeln lautstark. Die Band zeigt auf der Bühne eine starke Präsenz und posiert gerne auch auf einer kleinen Bank, die sie mittig an der Bühne vorne aufgestellt hat. Das Lichtdesign ist hauptsächlich in den Farben violett und gold gehalten, was die Band, die sich für eine Metalcore-Band eher farbenfroh gekleidet hat, wunderschön beleuchtet. Dadurch verschmelzen sie nicht mit dem Hintergrund und sind klar erkennbar für ihr Publikum. Musikalisch gut, die Band nett, aber als mittlerweile siebte Core-Kapelle beginne ich bei BREAKDOWN OF SANITY erste Ermüdungserscheinungen zu zeigen.
TERROR macht Terror. Die amerikanische Hardcore-Band brüllt uns die Ohren voll. Auf der Bühne geht es richtig zur Sache: Die ganze Band wirft sich in Posen, rennt über die Bühne und springt herum. Besonders der Sänger tut sich dabei hervor. Dieser Auftritt hat mit Sicherheit die beste Bühnenshow der bisherigen Auftritte. Das POWERMETAL.de-Team hat aber langsam genug von Hardcore, weshalb wir uns kurz zum Auto zurückziehen, um uns vor den beiden größten Auftritten des Tages noch eine Brotzeit zu gönnen. Währenddessen reißt das Publikum mit TERROR das Zenith ab - wir hoffen nur, dass die Halle bei unserer Rückkehr noch steht.
[Noah-Manuel Heim]
AUGUST BURNS RED wurde im Jahr 2003 in Lancaster, Pennsylvania, gegründet und ist eine Größe in der Szene. Die Band ist von Anfang an für ihre christliche Grundeinstellung bekannt gewesen, denn die Bandmitglieder betonen, dass ihr Glaube ein wichtiger Bestandteil ihrer Musik ist und sich in ihren Texten widerspiegelt. Mit insgesamt zehn Alben konnte sie sowohl national als auch international regelmäßig erfolgreich in den Charts landen.
Ihre Musik zeichnet sich oft durch eine unkonventionelle Struktur aus, beispielsweise enthalten einige Songs keinen Refrain, was live für neue Zuhörer überraschend ist. Die Band strahlt auf der Bühne eine ansteckende Energie und Spaß aus. Der Sänger Jake Luhrs zeigt sein Können mit dem Mikrofon und vollführt Kunststücke mit diesem und die Gitarristen hauen gekonnt raffinierte Soli heraus. Sie strecken den Fotografen frech die Zunge heraus und posieren für die Kameras. Das Publikum wird regelrecht eingeladen, sich auf das Konzert einzulassen. Es wird zum Crowdsurfen und zu wilden Moshpits aufgefordert, und die Fans folgen dieser Aufforderung mit Begeisterung. Es herrscht eine Atmosphäre voller Leidenschaft und Musik, die einfach mitreißt und zum Feiern einlädt. AUGUST BURNS RED versteht es meisterhaft, die Zuschauer zu begeistern und eine unvergessliche Show zu liefern. Schade, dass der Gesang durchgehend aus Shouts besteht, etwas mehr Abwechslung wäre noch schöner gewesen.
Setliste: Thirty And Seven; Composure; Defender; Paramount; Backfire; Bloodletter; Animals; Marianas Trench; White Washed
[Katharina Jäger]
Nun ist es Zeit für den Headliner AS I LAY DYING. Das Publikum steht dicht gedrängt vor der Bühne. Für 'Redefined' wird Jake Luhrs von AUGUST BURNS RED auf die Bühne geholt. Zusammen mit dem fast schon verschwenderischen Einsatz von Pyrotechnik ist dieser Auftritt ein echtes Highlight. Im Bühnenhintergrund brennen zudem zwei Logos der Band. Und weil das noch nicht genug Effekte sind, gibt es auch noch CO2. Auch die Bandmitglieder lassen sich nicht lumpen: Hier wird geheadbangt, posiert und der Sänger hat sich wohl erklären lassen, wie die Mikrofontricks von AUGUST BURNS RED funktionieren, denn die macht er auch. Nach ein paar weiteren Songs wendet sich Tim Lambesis an das Publikum. Er wirbt für die anstehende Tour zum neuen Album und lädt die Menge ein, diese zu besuchen. Außerdem bedankt er sich für die zweite Chance, die ihm die Fans nach seiner schwierigen Vergangenheit gegeben haben. Hier scheint ihm das wirklich niemand mehr übel zu nehmen: Das Publikum zeigt sich von seiner besten Seite mit vielen Crowdsurfern und Pits.
Setliste: Nothing Left; Falling Upon Deaf Ears; Through Struggle; Redefined; Condemned; An Ocean Between Us; Shaped by Fire; 94 Hours; The Darkest Nights; Blinded; Anodyne Sea; The Sound of Truth; My Own Grave; Confined
[Noah-Manuel Heim]
Das "Impericon"-Festival in München ist ein kleiner Ableger der Festivalreihe, die in Hamburg, Leipzig, Oberhausen, Zürich, München und Wien stattfindet. Das größte Line-up gab es in Leipzig und Oberhausen. Das Zenith bietet für ein Festival dieser Größenordnung ausreichend Platz, auch wenn im hinteren Bereich ein größerer Teil der Halle durch Garderobe und Merchstände belegt war. Es hätten also durchaus noch ein paar Leute mehr sein können. Im Vergleich zu anderen Festivals habe ich Bands wie WHILE SHE SLEEPS, POLARIS oder LANDMVRKS vermisst. Diese hätte ich gerne gegen die eine oder andere Hardcore-Band aus dem Münchner Line-up getauscht.
Das Team hat bereits zehn Jahre Erfahrung in der Festivalorganisation und dementsprechend souverän und professionell läuft alles beim "Impericon"-Festival in München ab. Dass die Autogrammstunde von BREAKDOWN OF SANITY aus gesundheitlichen Gründen spontan abgesagt werden musste, kann schon mal passieren. Die Auftritte sind alle wie geplant über die Bühne gegangen, sodass das Festival ein voller Erfolg ist. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr mit einem größeren Line-up, im Zenith ist ja noch Platz und wenn mehr Bühnen gebraucht werden, könnte man ja den Kohlebunker oder das Kesselhaus gleich nebenan dazunehmen.
- Redakteur:
- Noah-Manuel Heim