JUNIP wärmen das Centraltheater - Leipzig
04.10.2010 | 09:5525.09.2010, Centraltheater
Das fünfköpfige Trio um den Ausnahmecharismatiker José Gonzalez entdeckt den Krautrock.
An diesem verregneten letzten Septembersamstagabend erreicht die schwedische Band JUNIP Leipzig. Das Centraltheater als Multikulturalist bittet das Trio um den chronisch charismatischen Frontschwarzschopf José Gonzalez zum Aufspiel. Der ehemalige Biologiestudent und Nachkomme argentinischer Einwanderer hat unter diesem typisch schwedischen Namen bereits zwei Soloalben veröffentlicht und sich mit seinem zurückhaltend-eindringlichen Weichbartgesang und präzisem und unverkennbarem Einzelgitarrenspiel viele Freunde erobert. Das Konzert 2008 in der Moritzbastei ist folgerichtig ausverkauft und ein Hochlicht in der Konzertsaison.
Nun aber JUNIP. Leibhaftig erscheinen übrigens fünf Musiker auf der gut und klassisch bunt ausgeleuchteten Bühne der Leipziger Schauspielbühne. Im Hintergrund prangt eine Riesenleinwand mit Landschaftsmotiven, die graphisch durchaus nach der "Yellow Submarine"-Phase der Fab Four ausgerichtet sind. So vororientiert ist man eben gewarnt oder auch verzückt. Ein gescheitelter, feister Schwede beschleicht die Bühne und setzt zugleich seine Moog-Orgel in Bewegung. Ein Instrument also, welches ein weiterer Hinweis auf den rückwärts gewandten Ansatz der Musiker da vorn gibt, haben doch damit nicht wenige Bands wie THE DOORS, IRON BUTTERFLY oder ATOMIC ROOSTER gearbeitet. Dass die umfassende Retrowelle vor allem in den skandinavischen Musik-Hochburgen wie Stockholm, Göteborg, Reykjavik oder auch Oslo diese bewährten Tasten in das Revival stößt – sonnenklar.
Klar ist auch, dass die Bühnenshow hier reduziert und eben nicht klar bleibt. Nebel wabert aus den zuständigen Spalten der Technik, und der turmhohe Innenraum des Theaters fasst die Impulse zusammen, wirbelt sie nach oben bis unter das Dach, vermengt das Ganze und lässt die warmen Töne auf die vielen, vielen Köpfe schweben. Und alle waren sie da: die F-STOPS, die GFZKs, die DESIGNERS' OPENs, die HGBler, Südvorstadtwirte, Wochenendplattenaufleger und weitere Kulturdurchtriebene der Stadt. Hier wissend wippend, dort pärchenhüpfend, vor uns sich langweilend, neben uns innerlich tanzend. Denn die Songs der gut gelaunten, zurückhaltenden Mitdreißiger dort vorn scheinen aus der einen ersten Idee der Pop-Rock-Musik - der "Jam" - entstanden zu sein.
Das Schlagzeug findet oftmals nur diesen einen Rhythmus, der dann die gesamte Einzeldarbietung darstellt, durchhält. Rechts sitzt ein Multitalent, das Flöten, Kuhglocken, ein eigenes kleines Schlagwerk und auch Mitgesang zur Aufgabe hat. Und neben dem aufgeräumt wirkenden Herrn Gonzalez flüstert der Unterstützungsgitarrist lächelnd die Refrains mit. Die Musiker sitzen, hier schwitzt auch keiner. Wohl sollen Mann und Frau sich hier fühlen, freundlich werden die Songs der EP und des gerade erschienenen Debüts "Fields" gegeben. Aber es fühlt sich an wie eine Pflicht. Wie auch die Centraltheaterwerbung voll auf den Namen des weltweit bekannten José Gonzalez setzt und auch seltsame Parallelen zu den überbewerteten, ausrechenbaren THE WHITEST BOY ALIVE für ein Aha-Erlebnis bei den noch Unentschlossenen zieht, dreht sich hier alles um den eindringlich schmeichelnden Gesang des Sympathen. Das kann so und in dieser Form sowieso nicht falsch laufen. So konzentriert sich das Ohr auf dessen Schwelgereien und lässt sich das Auge nicht ablenken von dem, was da vorn so vor sich geht. Vor allem bei den flott und üppig instrumentierten längeren Stücken ist schnell klar, dass hier der gute alte Krautrock Pate stehen musste. In Schweden wird die Rückbesinnung auf dieses ureigene Produkt der deutschen Musikgeschichte seit etwa fünf Jahren dermaßen gepflegt, dass die Pioniere wie CAN, POPOL VUH oder NEU! feuchte Augen bekommen dürften. Aber trotz der noch dürftigen Materiallage der Band aus Göteborg werden die Lieder nicht oder kaum kunstvoll in die Länge gezogen. Was mindestens die Hälfte des Publikums sehr glücklich gemacht hätte.
Der somit mit knapp fünfzig Minuten Musik recht kurze Abend mag ein schöner Einstieg in den ganz persönlichen Endjahresblues der Anwesenden und den (Musik)-Herbst Leipzigs gewesen sein, die Erinnerung an JUNIP live wird jedoch bei den nachfolgenden Rotweinen in den Lokalen ringsumher schnell verblasst sein.
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben