KORN - Bonn

20.08.2024 | 10:33

19.08.2024, KUNST!RASEN

Die Nu-Metal-Legende bleibt live eine Macht!

Schon vor einigen Wochen haben wir euch mit unserem ausführlichen Diskografie-Check (Teil 1 und Teil 2) auf die anstehende Tour der Nu-Metaller KORN, auf der die Truppe aus Bakersfield ihren 30. Geburtstag gebührend feiert, ordentlich eingestimmt. Dass wir es uns da natürlich auch nicht nehmen lassen konnten, für euch auch das Finale der Tour durch den europäischen Festival- und Open-Air-Sommer in Augen- und Ohrenschein zu nehmen, versteht sich da fast schon von selbst. Die Location ist dabei an diesem lauen Sommerabend eine etwas ungewöhnliche, denn der KUNST!RASEN in Bonn ist zwar durchaus für tolle Rock- und Prog-Konzerte bekannt, bietet aber eher selten wirklich harten Metalbands eine Bühne. Trotzdem treten die Amerikaner heute vor ausverkauftem Haus und damit rund 10.000 Besuchern auf, vielleicht auch weil sie mit SPIRITBOX einen unheimlich spannenden Modern-Metal-Act als Vorband im Gepäck haben.

Zu gerne hätte ich die Kanadier ebenfalls in Augenschein genommen und euch von einem tollen Konzert berichtet (von selbigem schwärmen zumindest einige umstehende Fans als ich eintreffe), doch dank des extrem strikten Curfews in Bonn muss die Truppe um Fronterin Courtney LaPlante bereits um 18:30 Uhr auf die Bühne, was ich zeitlich mit meinen Arbeitszeiten leider überhaupt nicht in Einklang bringen kann. So komme ich nach einer Wanderung quer durch die Bonner Rheinaue, die von der schon reichlich überlasteten Parkplatzsituation an der Location nötig gemacht wird, gegen 19:30 Uhr auf dem bestens gefüllten Gelände an und habe zumindest noch eine halbe Stunde Zeit, um micht am Merchandise-Stand und auf dem Gelände umzuschauen, bevor KORN um 20:00 Uhr und damit zu ungewohnt früher Uhrzeit die Bühne entert.

Glücklicherweise haben Jonathan Davis und Co. dabei aber eine so eindrucksvolle Bühnenshow im Gepäck, dass selbst die noch immer hoch am Himmel stehende Sonne den Effekt des gigantischen Screens und der umfassenden Beleuchtung nicht überdecken kann. Besonders eindrucksvoll finde ich dabei den vorgelagerten und halb durchsichtigen Bildschirm, der zur Eröffnung nicht nur das ikonische Bandlogo fast dreidimensional auf die Bühne projeziert, sondern auch die sehr plastische Illusion eines Gewitters hervorzaubert und damit den perfekten Rahmen für das großartige 'Rotting In Vain' liefert, das die Show eröffnet. Dass danach mit 'Here To Stay' direkt mein persönlicher Liebling im Katalog der Bakersfielder abgefeuert wird, kommt für mich zwar etwas überraschend, verfehlt seine Wirkung aber nicht. Denn zum wuchtigen Riff des Nu-Metal-Krachers springt das gesamte Publikum und auch die ersten halbgefüllten Bierbecher fliegen über die Menge hinweg, einfach weil die Zuhörenden ihre Begeisterung nicht im Zaun halten können. Dass selbige vom "Life Is Peachy"-Klassiker 'A.D.I.D.A.S.' und lautem Mitsingen beim doch eher expliziten Chorus der Nummer nur weiter angefacht wird, versteht sich da fast schon von selbst.

Danach kühlen aber zumindest die Casual-Fans, von denen heute euch zahlreiche in Bonn erschienen sind, etwas ab, denn mit 'Clown' und 'Good God' gibt es passend zum Bandjubliäum auch zwei Deepcuts aus den Anfangstagen, über die gerade ich mich als eingefleischter Fan besonders freue. Auch das dazwischen eingeschobene 'Start The Healing', vom noch immer aktuellen Langdreher "Requiem", überzeugt auf ganzer Linie, was ich übrigens auch von der gesamten Band sagen kann. Jonathan singt gewohnt gequält, kann aber auch seine wuchtigen Screams und Scat-Einlagen mehr als überzeugend an den Mann und die Frau bringen. Munky und Head verweben ihre Gitarren mit gewohnter Leichtigkeit und auch die Rhythmusgruppe um Schlagzeuger Ray Luzier und Basser Ra Díaz, der weiterhin den in einer Auszeit befindlichen Fieldy würdig vertritt, macht einen hervorragenden Job. Passend dazu läuft auch die Bühnenshow zur Höchstform auf, flutet manchmal mit gleißend hellen Scheinwerfen den gesamten Platz, oder hat auf den gigantischen Screens fast schon psychedelisch anmutende Animationen im Gepäck, die den Songs visuell eine neue Dimension verleihen. Gerade optisch betreten die Amerikaner damit im Vergleich zu meinen vorherigen KORN-Konzerten ganz neue Sphären.

Wo wir von neuen Sphären reden, habe ich direkt die perfekte Überleitung zur Bandhymne 'Blind', denn als das Ride-Becken im ikonischen Intro ertönt, erreicht auch die Begeisterung des Publikums ganz neue Höhen. So schallt dann auch die Frage "Are you ready?" aus tausenden Kehlen gleichzeitig, bevor sich der KUNST!RASEN in eine Ansammlung von wild moshenden Körpern verwandelt. 'Got The Life' ist danach eher eine Aufforderung zum Tanzen, bevor 'Falling Away From Me' und 'Somebody Someone' das großartige "Issues" würdigen. Gerade zum Ende des regulären Sets hin schrauben die Amerikaner mit coolen Jam-Passagen die Intensität noch einmal nach oben und verbinden die einzelnen Tracks, bei denen 'Coming Undone' mitsamt kurz eingeschobenem 'We Will Rock You'-Cover den einzigen Beitrag aus der Zeit ohne Gitarrist Brian "Head" Welch darstellt. Einzig vor dem Rausschmeißer 'Y'All Want A Single' gibt es eine kurze Verschnaufpause, in der sich Jonathan Davis eindringlichen bei den Fans für ihre Unterstützung über drei Dekaden hinweg bedankt, nur um anschließend den lauten "F*ck you'-Chor anzustimmen, der mit erhobenen Mittelfingern den folgenden Track untermalt, mit dem die Band zu Zeiten von "Take A Look In The Mirror" gegen das Begehren der Plattenfirma nach einem Single-Hit rebellieren wollte. Dass daraus inzwischen ein Live-Klassiker geworden ist, ist schon reichlich ironisch.

Schluss ist damit aber natürlich noch nicht, denn das von der gewohnten Dudelsack-Einlage eröffnete und von einem kurzen METALLICA-Zitat (der Double-Bass-Part von 'One' wird hier eingeschoben) abgeschlossene 'Shoots And Laders' leitet einen Zugabenblock ein, bei dem KORN mit dem abgedrehten 'Twist' und 'Divine' noch einmal tief in die eigene Songkiste greift. 'Freak On A Leash' entlässt die Menschenmasse schlussendlich noch einmal unter lauten Mitsingchören zufrieden, geschwitzt und selig in den inzwischen kühlen Bonner Abend. Auch ich mache mich begeistert auf den Heimweg, auch wenn ich einen Kritikpunkt loswerden muss, der allerdings nichts mit der Leistung der Musiker zu tun hat. Konkret geht es dabei darum, dass zumindest mir die Show doch etwas zu leise war. Gerade bei einer Band, die mir bei zwei von nun insgesamt fünf Konzertbesuchen einen Tinitus beschert hat, hätten ein paar Db mehr durchaus gut getan. Erneut ist die Lautstärke-Problematik aber der Location geschuldet, die mitten in der Stadt einfach recht strikte Auflagen in Sachen Lautstärke erfüllen muss. Bei den bisher dort erlebten Rockern (ZZ TOP oder ALICE COOPER zum Beispiel) ist mir dieser Umstand nie negativ aufgefallen, für Metal ist die PA auf dem KUNST!RASEN aber doch etwas zu leise. Trotz dieser Kritik hat sich die Anreise dennoch mehr als gelohnt, denn KORN ist und bleibt live eine Bank und hat anno 2024 vielleicht die visuell und musikalisch stärkste Show der gesamten Karriere im Gepäck.

Setliste KORN: Rotting In Vain; Here To Stay; A.D.I.D.A.S; Clown; Start The Healing; Good God; Blind; Got The Life; Falling Away From Me; Coming Undone; Somebody Someone; Y'All Want A Single; Zugaben: Shoots And Ladders; Twist; Divine; Freak On A Leash

Redakteur:
Tobias Dahs
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