KORN: Diskografie-Check Teil 2 | Platz 7 - 1
31.07.2024 | 08:50Willkommen zurück zu unserer Reise durch den Katalog des Nu-Metal-Veteranen KORN, der dieser Tage nicht nur auf großer Tour durch Europa ist, sondern auch den 30. Geburtstag des bahnbrechenden und wegweisenden Debüts "Korn" feiert. Welche Alben aus der durchaus reichhaltigen und großflächig auch qualitativ überzeugenden Diskografie auf den hintersten sieben Plätzen gelandet sind, haben wir euch dabei schon im ersten Teil unseres Diskografie-Checks aufbereitet. Heute geht es nun aber ans Eingemachte, denn wir klären, welches Album für unsere Redaktion denn nun das stärkste ist. Ob sich dabei einer der Klassiker durchsetzt? Oder wird es doch der Megaseller "Follow The Leader"? Alles das erfahrt ihr in den kommenden Zeilen:
7. The Serenity Of Suffering
Bevor wir aber den endgültigen Sieger küren, vergeben wir erst einmal die Goldmedaille für das beste Album der jüngeren Ära nach der Rückkehr von Brian "Head" Welch, die eindeutig an "The Serenity Of Suffering" aus dem Jahr 2016 geht. Überraschend ist das nicht, denn nach dem eher eingängigen Vorgänger "The Paradigm Shift", der gekonnt die Vergangenheit der Band mit den Electro-Einflüssen und der Eingängigkeit von "The Path Of Totality" verheiratete, wendete sich das zwölfte Studioalbum eher wieder den eigenen Wurzeln zu, ohne dabei in die gleiche Falle wie "Korn III - Remember Who You Are" zu tappen. Anstatt nämlich gänzlich zu versuchen, den Sound der Anfangstage zu beschwören, versuchen sich die elf Tracks (die je nach Region noch mit spezifischen Bonustracks erweitert wurden) an einem gekonnten Grenzgang, der die Brücke von "Life Is Peachy" über einen stark betonten Zwischenstopp bei "Issues" bis hin in die Neuzeit schlägt. Diese Ausrichtung verkörpert auch das Coverartwork recht gut, das gerade beim abgebildeten Kuscheltier seine Inspiration direkt vom Hass-Brocken "Issues" aus den Neunzigern bezieht. Der Opener 'Insane' hätte dann auch blendend zwischen "Issues"-Kracher wie 'Falling Away From Me' oder 'Make Me Bad' gepasst, schwingt sich aber gerade im Refrain mit elektronischen Versatzstücken auch in ähnlich hymnische Höhen wie der direkte Vorgänger "The Paradigm Shift", was insgesamt für eine sehr gut ausbalancierte Palette von Einflüssen sorgt. 'Rotting In Vain' hat im Anschluss noch größeres Hit-Potential und bringt im Mittelteil sogar Jonathan Davis' Scat-Gesang zurück, der ja zu den bekanntesten Trademarks des KORN-Fronters gehört. 'The Hating' und 'Black Is The Soul' legen im Anschluss mit ihrer drückenden Wucht einen kleinen Zwischenstopp im "Untouchables"-Fahrwasser ein, bevor das gequälte und melancholische 'A Different World' mit SLIPKNOT-Fronter Corey Taylor sogar einen berühmten Gast begrüßt, der dem ungewohnt sperrigen Track eine feine Note verpasst. Und ja, auch die zweite Hälfte der Spielzeit hat mit 'Die Yet Another Night' und dem ungewohnte alternativ angehauchten 'Next In Line' noch mindestens zwei Volltreffer im Gepäck. Entsprechend gehe ich auch vollständig d'accord mit der Einschätzung unserer Redaktion, dass wir es hier mit dem stärksten Album der Reunion-Ära zu tun haben, denn gerade kompositorisch ist "The Serenity Of Suffering" bestechend gut. Allerdings ist es am Ende nur Timon, der den Silberling mit einem dritten Platz aufs Treppchen hievt, während die gute Positionierung ansonsten von der Tatsache her rührt, dass der zwölfte KORN-Silberling nie schlechter als auf dem neunten Rang genannt wird und so quer durch die Redaktion für großteils gleichmäßige Begeisterung sorgt, während viele andere Alben doch deutlich gespaltenere Meinungen auslösen.
6. Follow The Leader
Gespaltene Meinungen sind dann auch ein gutes Stichwort für unseren sechsten Rang, denn genau solche finden wir für den KORN-Megaseller "Follow The Leader" intern durchaus vor. Während Timon die Scheibe nämlich für das zweitbeste Album der Mannen aus Bakersfield hält und auch Jonathan und ich zumindest den vierten Rang vergeben, sehen Chris (Platz 10) und Marius (Platz 8) den Silberling deutlich kritischer. Und auch bei Veröffentlichung im Jahr 1998 löste das dritte Langeisen der Nu-Metal-Urväter nicht nur Begeisterung aus, denn die Fans der ersten Stunde fühlten sich von der deutlich kommerzielleren Ausrichtung ein wenig vor den Kopf gestoßen. Andererseits stieß die Scheibe, die bis heute die erfolgreichste der gesamten Bandgeschichte ist, auch die Tür zum Mainstream ganz weit auf, auch weil die beiden Singles 'Got The Life' und vor allem 'Freak On A Leash' mit sensationellen Videos ausgestattet wurden, die das MTV-Publikum natürlich voll beim Schopfe packten. In ihrer Gesamtheit betrachtet, fühlt sich die Scheibe aber auch mit etwas Abstand ein wenig nach einem Gimmick an, was schon bei der Trackliste beginnt, die initial zwölf Tracks mit fünf Sekunden Stille zu Beginn beinhaltet, sodass das eigentliche Album erst mit dem dreizehnten Song 'It's On' aus den Startblöcken kommt. Und auch wenn wir einmal unterwegs sind, gönnen sich die Amerikaner noch mehr Experimente und vor allem Hip-Hop-Ausflüge als jemals zuvor in ihrer Karriere. So begibt man sich gemeinsam mit Fred Durst auf 'All In The Family' ein wenig ins LIMP BIZKIT-Fahrwasser, frönt mit Ice Cube in 'Children Of The Korn' einem etwas hüftsteifen Genre-Grenzgang oder verabschiedet sich mit 'Cameltosis' unterstützt von Slimkid 3 direkt in die musikalische Belanglosigkeit. Der am Ende des letzten Songs nach erneuter Stille versteckte Bonustrack 'Erache My Eye' wirkt zumindest für meine Begriffe ebenfalls etwas zu gewollt komisch. Aber warum landet das Album trotz dieser Gimmicks so weit vorne? Nun, wenn sich dieser neue und kommerziellere KORN-Sound nicht in Belanglosigkeiten verläuft, hat er eben ein bestechendes Hit-Potential im Gepäck, das wohl niemand leugnen kann. Ich jedenfalls glaube, dass man klinisch tot sein muss, wenn man angesichts des Hauptriffs von 'Got The Life' nicht wild durch die Gegend springen möchte. Und 'Feak On A Leash' ist inzwischen zu einem solchen Genre-Standard geworden, dass selbst verkniffene Traditionalisten unweigerlich zugeben müssen, den Song schon zigfach gehört zu haben und zumindest ein bisschen zu mögen. Doch auch abseits der beiden Hits gibt es mit 'B.B.K.', 'It's On' oder 'Justin' zahlreiche sperrige und einfallsreiche Tracks, die klar den Geist des direkten Vorgängers "Life Is Peachy" atmen und schlicht hervorragend sind. 'Dead Bodies Everywhere' blickt dagegen als klanglich dichter und unfassbar wuchtiger Kracher ein wenig in die Zukunft und zeigt auf, wohin das KORN-Schiff im Anschluss an den kommerziellen Megaseller segeln wird. So ist "Follow The Leader" am Ende durchaus in Teilen durchwachsen, nur sind die Höhenflüge eben so überragend, dass sie locker für ein paar experimentelle Hip-Hop-Ausreißer entschädigen und den Silberling insgesamt zu einem echten Klassiker machen.
5. Issues
Haben wir gerade schon angedeutet, dass 'Dead Bodies Everywhere' als Wegweiser für die Zukunft herhalten konnte, beschäftigen wir uns nun genau mit jener Zukunft, die 1999 und damit nur knapp ein Jahr nach dem großen Durchbruch in Form von "Issues" über die Metalwelt hereinbrach und eindrucksvoll demonstrierte, dass auch der Charterfolg von "Follow The Leader" das KORN-Schlachtschiff nicht vom Kurs abbringen konnte. Anstatt nämlich die Erfolgsformel der Hit-Singles fortzuführen, wendete sich das vierte Studioalbum der Bandgeschichte wieder eher der düster-vertrackten Seite des Bandsounds zu, ohne dabei in die Falle der Wiederholung vergangener Glanztaten zu tappen. Statt nämlich zu den Wurzeln zu gehen, entführt uns "Issues" auch dank der makellosen und unheimlich wuchtigen Produktion von Brendan O'Brien, der hier erstmalig mit KORN zusammenarbeitete, in ganz neue Abgründe, die lange nicht so zugänglich ausfallen wie auf dem Vorgänger. Klar, auch anno 1999 gibt es gerade mit 'Falling Away From Me' und 'Somebody Someone' wieder zwei Songs mit Hit-Potential zu vermelden, die es auch schnell zu großer Beliebtheit in der Fangemeinde schafften, doch insgesamt braucht "Issues" doch ein paar mehr Durchläufe, um seine ganze Faszination zu entfalten. Gibt man dem Silberling aber die Zeit, dann entführt er einen mit unwiderstehlicher Kraft in die Abgründe von Jonathan Davis' Seele, der sich hier lyrisch und auch gesanglich ganz besonders verletzlich zeigt. So ist etwa 'Make Me Bad' fast eine Ballade, die sich aber natürlich meilenweit von irgendwelchen Klischees entfernt hält, sondern eher mit ruhigen und sehr eindringlichen Tönen punktet. Dagegen sind 'Trash', 'Counting' oder auch 'Wake Up' vertrackte Brecher, die ganz bewusst auf die Erlösung in einem ganz großen Chorus verzichten, sondern lieber in ihrem unbequemen Arrangement vor sich hin toben und so die Emotionen direkt in den Körper des Zuhörenden implantieren. Brückentracks wie '4 U' oder 'It's Gonna Go Away' unterstreichen dann schlussendlich den Eindruck, dass wir es hier definitiv nicht mit einer Hit-Sammlung zu tun haben, welche die nächste Alternative-Disco zum Beben bringt. Vielmehr ist die Scheibe ein düsteres Konzeptalbum, in das man sich wunderbar mit Kopfhörern versenken kann, um für ein paar Stunden in die eigenen seelischen Abgründe zu blicken. Genau für diesen Aspekt scheint gerade Chris das Album zu lieben, setzt er es doch geradewegs auf den ersten Platz und liefert damit klar die beste Wertung für "Issues". Dass dagegen Marius mit einem neunten Rang schon die Miesepeter spielt, während alle anderen Kollegen den sechsten Platz vergeben, spricht für die Qualität einer Scheibe, die unbedingt in jede gut sortierte Sammlung gehört.
4. Take A Look In The Mirror
Gleiches hätte ich von "Take A Look In The Mirror" nicht unbedingt behauptet, denn als Zeitzeuge der Veröffentlichung im Jahr 2003 ist mir das sechste Studioalbum der Bandgeschichte eher als unschlüssiger Langspieler im Gedächtnis geblieben, der nicht mit der Macht und Kreativität sämtlicher Vorgänger mithalten konnte. Dass ich mit einem zehnten Rang dann auch zu den schwächsten Wertungen gehöre, wobei Timon das Album sogar noch einen Platz schlechter sieht, dürfte da wohl niemanden überraschen. Dagegen stehen aber Jonathan, Marius und Chris, die allesamt Plätze auf dem Treppchen vergeben, wobei Jonathan sogar die Goldmedaille springen lässt. Also habe ich doch noch einmal versucht, dem Silberling, der erstmalig in Jonathan Davis' Heimstudio aufgenommen und auch vom Sänger federführend produziert wurde, mit frischen Ohren und ohne Scheuklappen eine weitere Chance zu geben. Und ja, mit etwas Abstand kann ich die Meinung der Kollegen in Teilen durchaus nachvollziehen. Klar, klanglich ist der erneut etwas trockenere und sprödere Sound durchaus ein klarer Bruch mit dem majestätischen Vorgänger "Untouchables" und wirkt fast etwas zu rückwärtsgewandt, doch kompositorisch hat die Platte mehr Kracher im Gepäck, als ich das vielleicht seinerzeit zugeben wollte. Über allem thront dabei natürlich der Beitrag zum "Tomb Raider"-Soundtrack, der auf den Namen 'Did My Time' hört und gemeinsam mit einem tollen Musikvideo zum absoluten Hit dieser Scheibe avancierte. Doch auch 'Right Now' und das als Mittelfinger für die Plattenfirma komponierte 'Y'all Want A Single' haben durchaus Hit-Potential, während 'Counting On Me' ein absoluter Brocken von einem Song ist, dessen Refrain mir auch heute noch eine dicke Gänsehaut auf den Nacken jagt. Ebenfalls bemerkenswert ist in meinen Ohren 'Alive', das gekonnt die Magie des Debüts heraufbeschwört. Von ungefähr kommt das nicht, stammt der Song doch vom ersten Demo der Band und wurde für "Take A Look In The Mirror" frisch aufbereitet. In der Retrospektive kann ich dem sechsten KORN-Output also durchaus etwas mehr abgewinnen, würde dennoch nicht so weit gehen, die Scheibe als Krönung der Diskografie zu sehen, dazu wirken hinten heraus ein paar Kompositionen doch etwas zu gezwungen und der generell rückwärtsgewandte Sound steht den Mannen aus Bakersfield nicht so gut, ist die Band in meinen Ohren doch immer dann besonders stark, wenn sie die musikalischen Grenzen auslotet. Beides Umstände, die übrigens auch die Band in diversen Interviews anerkannte und zu Protokoll gab, dass die meisten Mitglieder zu dieser Zeit zu sehr mit privaten Dämonen und Suchtproblemen befasst waren, weshalb die Songs eher zäh ihren Weg aufs Tonband fanden. Wie groß die interne Zerreißprobe dabei wirklich war, sollte sich erst 2006 offenbaren, als Brian "Head" Welch schlussendlich die Reißleine zog und die Band noch vor dem "Take A Look In The Mirror"-Nachfolger verließ.
3. Korn
Hoppla, das Geburtstagskind "Korn", das dieses Jahr seinen 30. Geburtstag feiert, erwartet uns nun schon auf Rang 3? Gerade in unserer Redaktion, die ja ansonsten immer eine tiefe Liebe zu Debütalben empfindet, ist das doch schon eine kleine Überraschung. Insgesamt wird die Scheibe aber nur von Marius ganz oben gesehen, während Timon (Platz 4) und ich (Platz 2) ebenfalls eine Lanze für das Erstwerk brechen. Jonathan dagegen sieht die Scheibe sogar nur auf dem vorletzten Platz, was mich ehrlich gesagt schon etwas schockierte, wird die Platte doch immerhin allgemein als eine der Geburtsstunden des Nu Metal angesehen. Andererseits muss man auch eingestehen, dass die Truppe aus Bakersfield auf ihrem Debüt durchaus noch ein wenig im Selbstfindungsmodus und vor allem noch viel weiter abseits des Mainstreams unterwegs ist, als das in späteren Jahren der Fall war. Dennoch braute sich bereits 1993 der perfekte Metal-Sturm zusammen, als Produzent Ross Robinson gemeinsam mit der Band ihr erstes Demo "Neidermayer's Mind" aufnahm und die revolutionären Ideen des Fünfers in die richtige Richtung lenkte. Eine Show in Huntington Beach (Kalifornien) führte aber schlussendlich dazu, dass Epic Records auf KORN aufmerksam wurde und der Band nicht nur die nötige kreative Freiheit einräumte, sondern eben auch dem Erstwerk die richtige Plattform gab, um ein ganzes Genre aus der Taufe zu heben. Dennoch war "Korn" beim Release im Jahr 1994 kein sofortiger Erfolg, sondern erst durch konstantes Touren und die übliche Mundpropaganda erspielte sich das Quintett langsam eine treue Anhängerschaft, auf deren Rücken dann auch das Album immer mehr verkaufte Einheiten anhäufte. Nicht ganz unschuldig ist an dieser Entwicklung auch der Übersong 'Blind', der bereits für das eben erwähnte Demo geschrieben wurde, und mit seinem ikonischen Beginn und Jonathan Davis' Schrei "Are your ready?" prompt zum Fanliebling wird, der bis heute in keiner Setliste fehlen darf. Ebenfalls bringen 'Need To', 'Faget' und vor allem das trickreich mit berühmten Kinderreimen spielende 'Shoots And Ladders' schon Hit-Potential mit. Abseits davon liefert "Korn" aber vor allem teils sperrige, wuchtige und aufwühlende Kompositionen, die tiefe Einblicke in die menschliche Psyche offenbaren und die von Davis und seinen Texten hervorragend in Szene gesetzt werden. Wie ungeschönt der Frontmann dabei sein eigenes Seelenleben aufarbeitet, kann man eindrucksvoll in 'Daddy' nachhören, dessen Thematisierung von Missbrauch schon beim Zuhören fast traumatisiert und vielleicht einer der eindringlichsten Songs ist, die KORN jemals verfasst hat. Nein, der große MTV-Megaseller ist das Debüt definitiv nicht, dafür aber ein Wegweiser für eine ganze Generation von Metalheads, die inspiriert von "Korn" das musikalische Zepter in der Jugendkultur baldigst wieder von den Grunge-Stars der Neunziger übernehmen sollten und schließlich unserem geliebten Genre eine nötige Frischzellenkur verpassten.
2. Untouchables
Wurde das eben besprochene Debüt noch mit schmalem Budget und in wenigen Wochen eingespielt, ist unser zweiter Rang "Untouchables" bis heute das teuerste Album der Bandgeschichte, das in zwei Jahren Produktionszeit mal eben schlappe 3.000.000 Dollar verschlang, auch weil die Band sich für das Songwriting in mehreren Häusern in Phoenix (Arizona) für mehrere Monate einmietete, bevor schlussendlich in Los Angeles die finalen Aufnahmen stattfanden. Nicht ganz unschuldig an den exzessiven Ausgaben war dabei auch Produzent Michael Beinhorn, der die Band nicht so wie Ross Robinson mit aller Gewalt zu Bestleistungen peitschte, sondern gerade Davis mehr Freiraum einräumte, sodass dieser insgesamt sechs Monate mit den Aufnahmen des Gesangs zubrachte. Und auch die internen Querelen und Streitigkeiten zwischen den Musikern, die dank des vorherigen Erfolgs nun mit den Versuchungen des Rockstar-Lifestyles zu kämpfen hatten und auch persönliche Krisen durchstehen musste, zogen den gesamten Prozess in die Länge. Dass bei all diesen Problemen und Exzessen am Ende dennoch ein wahres Monument von einem Album herausgekommen ist, ist da fast schon ein kleines Wunder. Der Begriff ist allerdings keinesfalls leichtfertig gewählt, denn mit seinem unheimlich dichten Sound, den vielschichtigen Gesangsarrangements und schlicht starkem Songmaterial ist der Silberling definitiv der Moment der Diskografie, der die Qualitäten der Band im besten Licht darstellt. Über allem thront dabei natürlich die mächtige Single 'Here To Stay', die für mich bis heute eines der brutalsten Gitarrenriffs der gesamten Metalszene zu bieten hat, das bis heute den Moshpit bei jeder KORN-Show befeuert. Doch auch abseits davon hat die Nummer viele kompositorisch gelungene Kniffe im Gepäck, was der Band schlussendlich auch einen Grammy Award als beste Metal-Performance einbringen sollte. In der kommerziellen Welt von MTV erreichte 'Thoughtless' auch dank eines erneut tollen Musikvideos weit mehr und ist bis heute neben 'Freak On A Leash' und 'Blind' wohl der bekannteste Song der Band, auch weil der Refrain mit seinen tollen Harmonien schlicht ein Meisterwerk ist. Neben diesen typischen KORN-Krachern gibt es mit 'Alone I Break' etwa auch die erste richtige Ballade der Bandgeschichte, die mir bis heute in Sekunden eine Gänsehaut auf den Nacken treibt. Ähnlich sieht die Sache bei 'Hating' aus, das als epischer Hammer aus den Boxen schallt und einen bis ins Mark erschüttert, während das melancholische 'Hollow Life' sich deutlich unauffälliger in den Gehörgang schleicht, mit seinem Refrain aber nicht weniger Eindruck hinterlässt. Und auch die Fans der Frühphase werden mit 'Blame' oder 'Embrace' bestens bedient, wo dann auch wieder einmal die wuchtigen Riffs in Kombination mit Fieldys klackerndem und ikonischem Basssound das Zepter übernehmen und die melodischen Refrains etwas in den Hintergrund treten. Angesichts dieser euphorischen Worte könnt ihr euch sicher schon denken, dass für mich "Untouchables" definitiv die Krönung im KORN-Kosmos ist, was allerdings nur Marius mit einem zweiten Platz untermauert. Jonathan und Timon dagegen vergeben sogar nur den achten Rang, was ich angesichts dieses Meisterwerks überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ganz abwegig ist diese Einschätzung allerdings im Kontext der Reaktionen zum Album dann auch wieder nicht, spaltete "Untouchables" bei Veröffentlichung mit seinem sehr polierten Sound doch durchaus die Gemüter in Fankreisen, was auch dazu führte, dass das Album kommerziell im Vergleich zu den Megasellern "Issues" und "Follow The Leader" mit "nur" 5 Millionen verkaufter Einheiten als kleinerer Misserfolg in die Bandgeschichte einging. Ganz unschuldig an diesen eher schwachen Zahlen ist aber natürlich auch das damals aufkommende Internet nicht, stand der Silberling doch knapp zwei Monate vor Release in einer noch unfertigen Fassung bereits im Internet und wurde tausende Male illegal heruntergeladen. So bleibt "Untouchables" am Ende mit seinen exorbitanten Produktionskosten und wahnsinnig tollen Songs vielleicht das letzte große Mammut-Album einer Ära des Musik-Business, das sich danach durch das Internet für immer verändern sollte.
1. Life Is Peachy
Die Voraussetzungen für unseren Sieger "Life Is Peachy" könnten gegenüber "Untouchables" kaum unterschiedlicher sein, denn nachdem KORN 1994 das Debüt veröffentlicht hatte und danach praktisch zwei Jahre komplett auf Tour verbrachte, musste das Zweitwerk in deutlich kürzerer Zeit aufgenommen und geschrieben werden. Gerade das Label Epic Records wollte unbedingt auf dem Underground-Hype aufbauen, den das Debütalbum ausgelöst hatte und der wachsenden Fan-Gemeinde schnell neues Futter zuspielen, weshalb die Deadlines durchaus knapp gesetzt wurden. Unglücklicherweise war der Lebensstil der Bandmitglieder mit wachsendem Drogen- und Alkoholkonsum nicht gerade auf zielgerichtetes Arbeiten ausgelegt, weshalb der erneut als Produzent fungierende Ross Robinson die Band mit aller Macht auf Kurs halten musste, während er gleichzeitig versuchte, das beste Ergebnis aus KORN herauszukitzeln. Jonathan Davis bezeichnete das Album später dann auch wenig überraschend als hektische Angelegenheit, bei der die Band großteils aus Jams heraus Ideen zu fertigen Songs zusammenfügte und insgesamt die gesamten Songwriting-Sessions sehr spontan hielt. Mit dieser Spontanität lassen sich dann auch verrückte Gesangseruptionen wie 'Twist' oder 'Chi' erklären, die als wirklich abgedrehtes Songduo die Spielzeit eröffnen, wobei Jonathan Davis beim letztgenannten Track bis heute nicht ganz erklären kann, worum es lyrisch überhaupt geht. Und auch abseits davon lassen sich auf "Life Is Peachy" kaum große Hooklines oder gar Songs finden, die sich als Hit aufdrängen würden. Dafür ist das Album nicht nur herrlich ungeschliffen, roh und mit einer fast schon punkigen Attitüde ausgestattet, sondern bringt den ganzen chaotischen Kern des KORN-Sounds mit Songs wie 'Lost', 'Swallow' oder 'Mr. Rogers' perfekt auf den Punkt. Die Stärke des Songmaterials ist dabei ganz klar die perfekte Balance zwischen introvertierten und fast schon zerbrechlichen Momenten, wuchtigen Riff-Salven und eben absolutem Wahnsinn, der nur mühsam von dissonanten Akkorden und David Silverias unheimlich groovigem Schlagzeugspiel zusammengehalten wird. Ein paar klare Standouts gibt es aber natürlich trotzdem, wobei 'No Place To Hide' und 'Ass Itch' für mich als die größten Höhepunkte herausstechen. 'A.D.I.D.A.S' muss natürlich auch genannt werden - die Nummer, die sich nicht etwa um die beliebte Sportmarke dreht, deren Trainingsanzüge die Bandmitglieder gerne tragen, sondern schlicht die dauerhafte Sehnsucht nach Sex besingt ("All day I dream about sex"). So sind es vielleicht am Ende nicht die großen Songs, die einem von "Life Is Peachy" im Gedächtnis bleiben, sondern eher die dichte Atmosphäre einer Scheibe, die einfach als Gesamtkunstwerk hervorragend funktioniert. Ich persönlich ziehe weiterhin die eher melodisch-hymnischen Momente vor, weshalb ich auch nur einen neunten Rang für das KORN-Zweitwerk vergebe, doch wie die Platzierungen von "Take A Look In The Mirror" und "Korn III - Remember Who You Are" beweisen, haben die Kollegen ein deutlich offeneres Ohr für die wüsten KORN-Anfangstage. Entsprechend krönt Timon den Silberling auch als seinen Favoriten, während dieser ansonsten zwei vierte Plätze (Chris, Marius) und einen fünften Platz von Jonathan einstreicht und damit am Ende zwar knapp, aber verdient den Thron unseres Diskografie-Checks besteigt.
Und ich hoffe abschließend, dass euch diese kleine Reise durch die Welt der Nu-Metal-Urväter gefallen hat und ihr vielleicht ein paar interessante Infos mitnehmen konntet. Und auch wenn ihr KORN bisher eher mit Skepsis betrachtet hat, gibt euch der Artikel vielleicht den nötigen Schubs, um die tolle Diskografie dieser wandelbaren und fast durchweg stark agierenden Band einmal zu entdecken. Ich darf sagen: Es lohnt sich!
Zum Abschluss gibt es hier natürlich wie gewohnt noch einmal eine Auflistung aller Wertungen unserer Redakteure im Detail:
Tobias Dahs: 01. Untouchables 02. Korn 03. The Nothing 04. Follow The Leader 05. The Paradigm Shift 06. Issues 07. Requiem 08. The Serenity Of Suffering 09. Life Is Peachy 10. Take A Look In The Mirror 11. The Path Of Totality 12. See You On The Other Side 13. Untitled 14. Korn III - Remember Who You Are |
Chris Staubach: 01. Issues 02. Take A Look In The Mirror 03. Korn III - Remember Who You Are 04. Life Is Peachy 05. Untouchables 06. Korn 07. The Nothing 08. The Serenity Of Suffering 09. Requiem 10. Follow The Leader 11. See You On The Other Side 12. The Paradigm Shift 13. Untitled 14. The Path Of Totality |
Jonathan Walzer: 01. Take A Look In The Mirror 02. Requiem 03. Korn III - Remember Who You Are 04. Follow The Leader 05. Life Is Peachy 06. Issues 07. The Paradigm Shift 08. Untouchables 09. The Serenity Of Suffering 10. The Nothing 11. See You On The Other Side 12. Untitled 13. Korn 14. The Path Of Totality |
Marius Lühring: 01. Korn 02. Untouchables 03. Take A Look In The Mirror 04. Life Is Peachy 05. See You On The Other Side 06. The Paradigm Shift 07. The Serenity Of Suffering 08. Follow The Leader 09. Issues 10. The Nothing 11. Korn III - Remember Who You Are 12. Requiem 13. Untitled 14. Path Of Totality |
Timon Krause: 01. Life Is Peachy 02. Follow The Leader 03. The Serenity Of Suffering 04. Korn 05. The Path Of Totality 06. Issues 07. Korn III - Remember Who You Are 08. Untouchables 09. Requiem 10. The Paradigm Shift 11. Take A Look In The Mirror 12. The Nothing 13. See You On The Other Side 14. Untitled |
- Redakteur:
- Tobias Dahs