Korn - Berlin

29.11.2005 | 03:40

22.11.2005, Huxleys Neue Welt

Der O2 Music-Flash ist eine noch relativ junge Konzertreihe des Mobilfunk-Anbieters: In loser Folge spielen namhafte Künstler verschiedenster Musik-Genres außerhalb regulärer Tourneen ein Konzert bei freiem Eintritt, das allerdings erst maximal 24 Stunden vorher der breiten Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Motto: live, spontan und kostenlos. KORN sind nach AUDIOSLAVE, die im August in München auftraten, die zweite Band dieser Reihe, die ein Rock- bis Metal-Publikum anspricht. Trotz der strengen Informationssperre kursieren bereits Tage vor dem Event die ersten Gerüchte in den Fanforen, zumal Abonnenten des O2 Music-Flash-Alert (zu beziehen unter http://www.o2music.de) schon vor der 24-Stunden-Frist informiert werden. Insgesamt eine tolle Sache, von der alle profitieren: O2 durch eine gute Eigenwerbung (mit wirklich dezenter optischer Präsenz auf der Veranstaltung), die Band, in diesem Falle KORN, durch die Möglichkeit, ihr am 2. Dezember erscheinendes Album "See You On The Other Side" zu promoten, und nicht zuletzt die relativ jungen KORN-Fans, die sich die üblichen 40 Euro für ein reguläres Konzert kaum leisten können und mit ein wenig Zeitaufwand und Hartnäckigkeit kostenlos in den Genuss ihrer Lieblinge kommen.

Bereits am frühen Nachmittag dieses kalten Novembertages trudeln die ersten Fans vor Huxleys Neuer Welt ein, und um 17.00 Uhr - zwei Stunden vor dem offiziellen Einlass - sollen sich bereits 500 Menschen in Startposition für die besten Plätze befinden. Die lautstark geäußerte Freude derjenigen, denen letztendlich Einlass gewährt wird, hallt durch das Treppenhaus: 1600 Besucher schaffen den Weg durch die Eingangstür, 300 weitere kucken mangels Hallenkapazität in die Röhre. Es ist voll, allerdings nicht beengt, und die nicht ganz so moshpit-tauglichen Pressevertreter sollen ihren sicheren Platz auf der Empore im Verlauf der Show noch sehr zu schätzen lernen.

Das Bühnenbild ist einfach, aber effektvoll: Die Artworks der bisherigen Alben inklusive des unvermeidlichen "Parental Advisory - Explicit Content"-Stickers zieren zwei Paravants, die seitlichen Boxen sind mit Werbung für das neue Album dekoriert, und das Schlagzeug befindet sich mittig auf einem riesigen, mit dem Bandlogo versehenen Podest. Dazu gibt es - wie sich später zeigt - sehr gute Licht- und Tonverhältnisse. Als das Tuch von Jonathan Davis' extravagantem Mikrofon-Ständer genommen wird, ertönt lauter Jubel, der sich von der ersten Konzertsekunde an in grenzenlose Begeisterung steigert. Der Anblick von 1600 hüpfenden Menschen ist beeindruckend, Crowdsurfer drehen stetig ihre Runden, und ich wage zu behaupten, dass gerade bei diesem Gratis-Konzert mehr echte Fans anwesen sind, als dies bei einem Auftritt im Rahmen einer regulären Tour der Fall wäre. Denn wer stellt sich schon freiwillig bei Temperaturen knapp über null Grad stundenlang an, ohne zu wissen, ob er überhaupt noch reinkommen wird?

Mit 'Here To Stay' steigt die zum Quartett geschrumpfte Band in ihr ca. 80-minütiges Set ein, und ich gebe zu: Ich habe die Jungs völlig unterschätzt. Wer hin und wieder in seinem Stamm-Club ein paar in der Regel recht junge Besucher zu KORN-Songs ausflippen sieht, läuft schnell Gefahr, die Band als belanglose New-Metal-Hüpfcombo abzustempeln. Mit dieser Einstellung bin ich jedenfalls nicht ganz unvoreingenommen angerückt und wurde schnell eines Besseren belehrt. Schlagzeuger David Silveria thront nicht nur wie DREAM THEATERs Mike Portnoy hoch über dem Geschehen, sondern spielt auch ein fast ebenso amtliches Brett. Gitarrist James Shaffer zaubert zum Teil sehr psychedelische Klangkunstwerke auf seinem Instrument, Bassist Reginald Arvizu liefert den nötigen Groove dazu, und Jonathan Davis selbst...
Nun ja, die Macke, nach jedem Song hinterm Paravant eine Runde Sauerstoff zu tanken, muss man ihm vermutlich lassen - andere trinken dafür reichlich Hochprozentiges. Und so lange ihm das Zeugs zu dermaßen abwechslungsreichen, wenn auch stellenweise mit technischen Effekten unterlegten Gesangsleistungen anspornt, umso besser. Das Publikum frisst dem hüpfenden Rastaman, der wie man mir sagt wesentlich schlanker und fitter aussieht als in der jüngsten Vergangenheit, aus der Hand. "Everybody put your middle fingers in the air" - und 3200 Stinkefinger recken sich nach oben. Gigantisch!

Auch sehr schön ist die Dudelsackeinlage des schottischstämmigen Fronters zu 'Shoots & Ladders', auch wenn sie für echte KORN-Fans ein alter Hut sein soll. Außerdem wird in diesem Song METALLICAs 'One' kurz angerissen und später der komplette PINK FLOYD-Klassiker 'Another Brick In The Wall' auf KORN'sche Weise neu interpretiert. So bringen KORN ihren Fans nebenbei noch Rockgeschichte nahe. Ansonsten bietet die aus den größten Hits der Band - bis auf die beiden neuen Songs, 'Twisted Transistor' und 'Hippocrites' - bestehende Setlist keine besonderen Überraschungen und ähnelt in großen Teilen der der letzten Tour. Nach vier Zugaben und jeweils ca. einem Dutzend in die Menge katapultierten Drumsticks und Gitarrenpicks hinterlassen KORN wie es scheint 1600 glückliche und erschöpfte Fans - und eine äußerst beeindruckte POWERMETAL.de-Redakteurin.

Setlist:
Here To Stay
Twist
Got The Life
A.D.I.D.A.S.
Dirty
Twisted Transistor
Falling Away From Me
Did My Time
Shoots & Ladders/One (METALLICA)
Freak On A Leash
Another Brick In The Wall (PINK FLOYD)
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Blind
Somebody Someone
Hippocrites
Y'all Want A Single

Redakteur:
Elke Huber

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