MADRUGADA - Leipzig
15.04.2019 | 15:5319.02.2019, Werk 2
Ein Abend in 'Strange Color Blue'.
Als sich im vergangenen Jahr die Nachricht der Wiedervereinigung von MADRUGADA wie ein Lauffeuer verbreitete, war die angekündigte "Industrial Silence Tour" für 2019 binnen kürzester Zeit ausverkauft. Allein diese Tatsache sollte für sich sprechen, dass die norwegische Indie-Band immer noch in den Köpfen der Fans präsent ist. Die haben geradezu danach gelechzt, Sivert Høyem und seine Jungs noch einmal auf der Bühne erleben zu können.
Mit ihrem Debütalbum "Industrial Silence" ist die Band 1999 in Norwegen auch gleich auf Platz eins der Albumcharts geschossen, was bis dato noch keinem anderen Musiker, beziehungsweise Gruppe, gelungen war. Und auch hierzulande entwickelte sich langsam das "MADRUGADA-Fieber". Würden an diesem Abend die Leipziger Besucher zu ihrer Geschichte, also wie sie die Band für sich entdeckt haben, befragt werden, so wären das sicherlich sehr viele und unterschiedliche Storys. Und genauso breit gefächert ist das Publikum. Und dennoch haben sie alle etwas gemeinsam: Die Sehnsucht nach MADRUGADA. Und dass die so groß ist, liegt sicherlich auch daran, dass die Band sich zu einem Zeitpunkt auflöste, wo ihre Fanschar sehr groß und der musikalische Output mehr als nur kreativ war. Dass die Band schlussendlich am Tod des Gitarristen Robert Burås zerbrach, schmerzte viele Anhänger. Zwar wurden danach noch einige unveröffentlichte Songs auf diversen Kompendien herausgebracht, doch mit der besonderen Live-Aura und der markanten Stimme des Sängers war es erst einmal vorbei. Auch wenn der Sänger solo unterwegs gewesen ist, was musikalisch überhaupt nicht abzuwerten ist, war es eben doch nicht MADRUGADA. Doch jetzt zum runden Jubiläum sollte die auf Eis gelegte Band wieder zum Leben erweckt werden.
Jetzt, zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung des Debütalbums, stehen mit Sivert Høyem am Mikrofon, Drummer Jon Lauvland Pettersen und Frode Jacobsen am Bass die drei verbliebenen Gründungsmitglieder auf der Bühne und machen genau da weiter, wo sie damals aufgehört haben. Unterstützt wird das Trio von den beiden Gitarristen Christer Knutsen und Cato Salsa Thomassen. Ersterer ist ab und an auch am Keyboard tätig. Einer Vorband bedarf es bei dem Konzert nicht, was auch gar nicht so schlimm ist, denn so richtig passend wäre das für den Abend auch nicht. So können sich die Fans voll und ganz auf die Norweger freuen und als endlich das Licht im Werk 2 ausgeht, ist die Freude im Publikum unbeschreiblich groß. Jeder wartet sehnsüchtig darauf, dass Sivert Høyem und seine Mannen endlich auf die Bühne kommen. Mit 'Vocal', was auch der erste Song auf dem Album ist, beginnt dieser emotional-melancholische Abend, der nicht nur wegen der markanten Stimme pure Gänsehaut verspricht. Der Sänger präsentiert sich schick im weißen Hemd und schwarzem Sakko und mit den ersten Tönen steht bereits fest, dass er über die Jahre nichts von seiner Aura auf der Bühne verloren hat.
Wie eh und je wirkt der Sänger total versunken in seiner Welt und in seiner Musik. So dauert es auch eine Weile, bis er sein Publikum in Leipzig begrüßt. Mit dem passenden Licht und den Videosequenzen auf der Leinwand entsteht die ganz eigene MADRUGADA-Welt. 'Strange Color Blue' eben, was schon bald von der Formation besungen wird. MADRUGADA ist eine der wenigen Bands, die es auf der Bühne schafft, eine noch dichtere Atmosphäre zu den Songs zu kreieren, als es auf der Platte der Fall ist. Das lässt sich für einen Außenstehenden schwer erklären, aber es ist einfach ein faszinierendes und einmaliges Konzerterlebnis. Um die Spannung ein wenig zu steigern, werden die Songs nicht analog der Reihenfolge wie auf dem Album präsentiert. Ab und an greift Sivert Høyem zum Tamburin und unterstreicht damit das aktuelle Lied mit einer besonderen Note. Die Besucher danken es mit viel Applaus. Der wäre zwischen den Stücken gar nicht unbedingt nötig, um diese magische Stimmung aufrecht zu erhalten, doch natürlich wollen die Fans auch ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen.
Einen der wohl schwersten Jobs hat der Gitarrist Cato Salsa Thomassen. Schließlich hat er den Part des verstorbenen Robert Burås übernommen. Er macht das aber großartig und findet genau die richtige Mischung aus Präsenz und Zurückhaltung auf der Bühne. Überhaupt funktioniert die Band in sich wie eine starke Einheit. Jeder Handgriff sitzt perfekt und auch das Miteinander zeugt davon, dass hier nicht nur einfach ein Job erledigt werden muss. Auch das macht wohl diese ungeheure Intensität des Auftrittes aus. Dazu der kauzige Charme des Sängers, der vom kleinen, schüchternen Schuljungen bis zum gestandenen Musiker alles im Repertoire hat. Fast heiter-beschwingt geht es bei 'Norwegian Hammerworks Corp.' zu. Herr Høyem wechselt das Jackett und geht nun als lebende Discokugel durch. In seiner Jacke spiegelt sich nämlich das Bühnenlicht. Getreu dem Motto "Das Beste am Schluss", präsentiert die Band 'Electric' als finalen Song von "Industrial Silence". Schließlich ist das Stück in den Augen des Sängers das erste gemeinsam geschriebene Lied, was einigermaßen ordentlich war. So zumindest beschreibt es der Frontmann humorvoll. Da von den anderen Musikern kein Veto eingelegt wird, scheinen sie sich hier wohl einig zu sein. Als die letzten Töne verklungen sind, bekommt die Band großen Applaus und während sie für einen Moment die Bühne verlassen, feiert das Publikum seine Helden.
Nun folgt der angekündigte zweite Teil des Sets, der allerlei Klassiker im Gepäck hat. Mit dem 'Black Mambo' zünden die Herrschaften ihr Hitfeuerwerk. Besser könnte der Einstieg nicht sein. Die Menge singt begeistert mit und es ist bereits zu spüren, dass die angesprochene Dichte und Intensität langsam weicht und nun etwas mehr Stimmung aufkommt. Schon bald entledigt sich der Sänger auch seines Sakkos und agiert jetzt auch wesentlich mehr auf der Bühne als vorher. 'What`s On Your Mind?' vom 2008er Album "Madrugada" löst ebenso Begeisterungsstürme aus wie das wunderbare 'Majesty' aus dem Jahre 2002. Immer wieder werden in der Menge die Rufe nach 'Honey Bee' laut. Doch sie bleiben an diesem Abend leider unbeantwortet. Das ist dann auch schon der einzige Kritikpunkt, sofern sich da überhaupt von Kritik sprechen lässt. Die Anwesenden in den vorderen Reihen kommen später noch in den Genuss, den schweißgebadeten Sänger direkt vor ihren Augen zu haben. Er lässt es sich nicht nehmen von der Bühne zu gehen und auf die kleinen Podeste der Absperrung zu klettern, um seinen Fans ganz nahe zu sein. 'The Kids Are On High Street' eignet sich dazu hervorragend.
Mit 'Valley Of Deception' wird der letzte Song des Konzertabends in Leipzig angekündigt. Das ist auf der einen Seite zwar schade, dass der Gig fast zu Ende ist, doch nach den Aussagen des Sängers arbeitet die Band an neuen Songs, so dass ein Wiedersehen wohl nicht wieder 20 Jahre auf sich warten lassen sollte. So kann sich jeder mit gutem Gewissen noch einmal den Tönen von MADRUGADA hingeben. Am Schluss gibt es viel Beifall für die Band. Die Musiker stehen nun gemeinsam in der vorderen Reihe und genießen die Stimmung und den Applaus vom Publikum. Und auch hier sind die herzlichen Gesten der Bandmitglieder untereinander keineswegs aufgesetzt.
Mit diesem tollen Abschlussbild endet der Abend. Für viele Besucher wird dieses Erlebnis noch lange in guter Erinnerung bleiben. Und es bleibt zu hoffen, dass sich die Norweger recht bald erneut auf eine Tour begeben, um die Fans mit ihren Songs zu erfreuen. Aber jetzt heißt es erst einmal abwarten.
Setliste: Vocal; Belladonna; Higher; Sirens; Shine; This Old House; Strange Color Blue; Salt; Norwegian Hammerworks Corp.; Beautyproof; Quite Emotional, Terraplane; Electric
Black Mambo; Hands Up - I Love You; Only When You're Gone; What`s On Your Mind?; Majesty; The Kids Are On High Street; Valley Of Deception
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- Redakteur:
- Swen Reuter