MESSA, FLAME,DEAR FLAME und GRENDEL's SŸSTER - Braunschweig

02.11.2024 | 10:14

19.10.2024, Kufa Haus

Abwechslungsreiche Heavy Folk- und Doom-Messe.

Die Aktivitäten des rührigen Metal-Vereins "Hotel666 Metalclub e.V." beobachtete ich bisher nur sitzend per Social Media. Dabei standen auf dem Programm der Braunschweiger schon des Öfteren durchaus spannende Veranstaltungen und als lebenslanger Niedersachse ist der Weg in die Löwenstadt eigentlich nicht weit. Im Oktober war es jetzt endlich so weit, denn mit den rundum begeisternden Folkfreunden GRENDEL'S SŸSTER, der lokalen Doom-Front FLAME, DEAR FLAME und den scheuklappenlosen Italienierinnen und Italienern MESSA stand eine so dermaßen schmackhafte Zusammenstellung auf dem Plakat, dass nicht nur ich die Reise antrat. Zusammen mit etwa 150 anderen Freunden hervorragender Metalklänge fanden sich auch meine hochgeschätzten Kollegen Jens, Lenze, Raphael und Daniel an diesem angenehm lauen Oktoberabend im Braunschweiger Westen ein. Nachdem sich einige von uns an der Eingangstür irrten und durch hilfsbereite Gesten des in Erwartung eines Metalkonzerts merkwürdig gekleideten Jazz-Publikums zum Glück doch noch die richtige Tür fanden, blieben weitere Pannen an diesem Abend aus. Aber überlassen wir zunächst Jens das Wort.

[Marius Lühring]

Schon lange stand es auf meiner Wunschliste, die Stuttgarter Epic- und Folk-Metaller GRENDEL'S SŸSTER einmal livehaftig zu erleben. Viele Gelegenheiten hierzu gab es bisher nicht. Als frischgebackener Neu-Niedersachse kommt das Konzert in Braunschweig also wie gerufen. Es spricht für die ausgezeichnete Organisation dieses wunderbaren metallischen Abends, dass das Quartett pünktlich um 20 Uhr die großzügige Bühne betritt. Der Saal ist zu diesem Zeitpunkt etwa zur Hälfte gefüllt, aber ich habe den Eindruck, dass sich alle Anwesenden auf GRENDEL'S SŸSTER freuen. Mein erster Blick gilt den Bandshirts: Gitarrist Tobi trägt eines von THE LORD WEIRD SLOUGH FEG, Bassist Simon hat sich auf SCREAMER (SWE) festgelegt, während Drummer Till mit LED ZEPPELIN einer vergangenen Größe seine Reverenz erweist. Nur Sängerin Caro ist in eine elegante schwarze Bluse gewandet, die im Laufe des Abends aber noch stilecht durch ein MESSA-Shirt ersetzt werden wird.

Als erster Song erklingt 'The Plight Of A Sorcerer' vom Debütalbum "Katabasis Into The Abaton / Abstieg In Die Traumkammer", das im Monat August so überraschend den zweiten Platz in unserem Soundcheck erobert hat. Der Sound ist noch nicht optimal, denn das Schlagzeug übertönt den Gesang und die anderen Instrumente, vor allem Tobis Gitarre höre ich kaum. Das bleibt auch noch bei 'Indra’s Jewelled Net' von der zweiten EP "Myrtle Wreath / Myrtenkranz" so. Erst mit 'The Fire That Lights Itself' wird das Klangbild deutlich ausgewogener. Die Stimmung ist aber von Beginn an sehr gut, ein Seitenblick verrät mir, dass Kollege Raphael zu den Enthusiasten gehört, die Schwester Grendula zu schätzen wissen. Sehr erfreulich ist, dass auch die deutschen Texte am heutigen Abend nicht zu kurz kommen. Besonders großartig ist, dass 'Nachtmeerfahrt' von der ersten EP "Orphic Gold Leaves / Orphische Goldblättchen" Teil der Setliste ist. Das Stück wird aber nicht in der wunderbaren Akustikfassung geboten, sondern in der, die wir in englischer Version von der ersten Single kennen. Herrlich! Auch wenn die Band noch nicht über viel Live-Erfahrung verfügt, macht der Auftritt eine Menge Spaß. Caro eröffnet den heutigen Reigen von drei außergewöhnlichen Sängerinnen auf ihre unnachahmliche Art.

Setliste: The Plight Of A Sorcerer; Indra's Jewelled Net; The Fire That Lights Itself; Steinmännlein; Entopic Petroglyphs; Apocatastasis; Graf und Nonne; Vishnu's Third Stride; Nachtmeerfahrt; Beifußweise; Winnowing The Chaff

[Jens Wilkens]

Nach diesem ersten Paukenschlag des Abends steht mit FLAME, DEAR FLAME als nächstes einer der großen Hoffnungsträger des Doom-Nachwuches auf der geräumigen Bühne. Die Band um Sängerin Maren Lemke spukt mir seit der ersten EP "The Millennial Heartbeat" 2019 häufig im Kopf herum. Spätestens seit der Veröffentlichung von "Aegis" vor drei Jahren waren die letzten Zweifel über Bord: diese Truppe ist super! Ich war sehr gespannt, ob sich der gefühlvolle, zurückhaltende und doch intensive Doom Metal auch live auf die Bühne übertragen lässt. Schon nach den ersten Takten von 'The Millennial Heartbeat' bin ich allerdings erleichtert. Der Sound ist fantastisch, sodass die einzelnen Stücke beinahe so klingen, wie sie es auch auf der CD tun. Der wunderschöne Gesang von Maren Lemke kommt so trotz der Intensität der Instrumentalfraktion glasklar zur Geltung.

Das Gitarrenduo bestehend aus David Kuri, den ich vor ein paar Wochen mit WRITHEN HILT in Hamburg erleben durfte und dem Neuankömmling Alex Stranghöner, der vor zwei Jahren Johannes Rahm ersetzte, wirken perfekt aufeinander abgestimmt und meiden genauso das Rampengepose, wie es auch der Rest der Band tut. Alles andere würde aber auch nicht zu dieser Musik passen. Präsentiert wird heute nicht nur die beinahe komplette "Aegis" (lediglich der akustische Teil von 'The Wolves And The Prioress' wird ausgelassen), sondern auch zwei neue Songs, da die Band momentan an Album Nummer zwei feilt. Unter den Arbeitstiteln 'The Passage' und 'The Fallow Garden' werden etwas kompaktere Stücke dargeboten, die aber den bisher eingeschlagenen Weg glücklicherweise nicht verlassen. Ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt auf das, was da kommt, ebenso wie auf die jetzt folgenden Freigeister von MESSA, deren Auftritt der infernalische Lenze nun in Worte gießen wird.

Setliste: The Millennial Heartbeat Part I-III; The Passage (Arbeitstitel); The Wolves And The Prioress Part I - II; The Fallow Garden (Arbeitstitel); The Wolves And The Prioress Part IV

[Marius Lühring]

Ich gestehe: Ich bin MESSA-Fanboy durch und durch. Somit ist es kein Wunder, dass ich die Vorbands zwar durchaus genießen kann, ich mich während der beiden Auftritte im Vorfeld aber fühle wie ein kleines Kind an Heiligabend in Erwartung der klingenden Glocke, die die bevorstehende Gabenbescherung ankündigt. Irgendwann ist es dann auch so weit, und die Kombo aus dem wunderschönen Venetien in Bella Italia betritt, nein, erSCHEINT auf der Bühne. Der eine oder andere im weiten Rund hatte, wie meine Wenigkeit auch, bereits das Vergnügen, die Band vor einigen Jahren in der Jugendkirche in Braunschweig erleben zu dürfen. Auch wenn das Ambiente heute nicht allzu sakral auftrumpft, der Gig selber ist wieder einmal eine sagenhafte Messe im wahrsten Sinne des Wortes. Die Aura von Sängerin Sara: primadonnengleich! Ihr Gesang: nicht von dieser Welt! Dazu hat sie das Glück, von drei unfassbar talentierten Musikern umgeben zu sein, allesamt wahre Meister ihres Fachs. Die ersten drei Songs decken sogleich alle bereits drei erschienenen Alben ab, bevor Gitarrist Alberto mit einem jazzdurchhauchten, gottgleichen, aber vollkommen uneitlen Solo unter Beweis stellt, dass er vielleicht der beste "unbekannte" Sechssaitenmann auf dem Erdenrund ist. 'Mit Pilgrim' wurde nicht nur eines der bildgewaltigsten Videos der letzten Jahre produziert, sondern darüber hinaus auch einer der intensivsten und wendungsreichsten Songs überhaupt. Keine Überraschung also, dass der Großteil des Publikums, anscheinend wie unter psychedelischen Drogen stehend, der Band vollkommen ergeben ist und derwischartig bangt und zappelt, als gäbe es kein Morgen. Generell ist die Stimmung grandios und die Jubelschreie zwischen den Songs werden sukzessive immer massiver und durchdringender.

Leider ist nach einer sehr guten Stunde der magische Zauber aber auch schon wieder vorbei, nicht ohne aber mit 'Enoch' noch für eine weitere Zugabe zurückzukehren. Ein Split-Song aus dem Jahr 2016, den man so immerhin nicht alle Tage live erleben darf. Wieder einmal ist es ein Traum, aber, und hier zahl ich gerne eine Münze ins Phrasenschwein. Einen MESSA-Auftritt kann man nicht beschreiben, man muss ihn erleben!

Setliste: Babalon; Suspended; Leah; Guitar Solo; Pilgrim; Rubedo; Hour Of The Wolf; Zugabe: Enoch

Ein ganz herzlicher Dank gebührt an dieser Stelle der lieben Print-Kollegin Silvia vom Deaf Forever, die uns netterweise die Fotos von GRENDEL'S SŸSTER und FLAME, DEAR FLAME zur Verfügung gestellt hat.

[Stephan Lenze]

Fotocredits: Silvia Blaser und Stephan Lenze

 

 

 


Redakteur:
Marius Luehring

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