MR. BIG und THE TREATMENT - Frankfurt/Main

18.08.2024 | 21:21

13.08.2024, Batschkapp

Ein toller, allerletzter? Abend in Frankfurt!

Liebe Leserinnen und Leser von POWERMETAL.DE, liebe Fans von MR. BIG - es hat einfach nicht sollen sein! Ein letztes Konzert im zweiten Teil der bereits viel gelobten Abschiedstour von MR. BIG in Frankfurt unter dem Motto "The BIG Finish" hätte einen Bericht mit schönen Fotos verdient gehabt. Es hat halt "gemenschelt", müssen wir annehmen. Anders ist es nicht zu erklären, dass unsere seit über zwei Wochen von einer zuständigen und immer zuverlässigen Agentur bestätigte Akkreditierung für 2 Personen mit Fotopass nicht den Weg als Information zur an diesem Abend um 19:00 Uhr bereits sehr fröhlichen Aushilfe am Akkreditierungsschalter der Batschkapp fand.

Ein großer Dank geht an den von mir hinzugerufenen Mitarbeiter des Rockclubs, der Verantwortung übernahm und mich alleine schließlich einließ. So waren meine 300 Kilometer Anfahrt aus Württemberg schließlich doch nicht "für die Kapp, äh, Katz". Wirklich herzlichen Dank persönlich an dieser Stelle, unglücklicherweise ist mir der Name meines Helfers unbekannt!

Leider wurde der Fotopass unter diesen Umständen (keine vorliegende Information) nicht gewährt. Weil auf das Wegfallen der Erlaubnis zum Fotografieren am Schalter sehr explizit Wert gelegt wurde, werden wir auch meine, für solche Anlässe durchaus guten Handyfotos, nicht verwenden. Selbstredend werde ich auf selbst gezeichnete und abfotografierte Strichmännchen ebenfalls verzichten, das würde euch und eurer großartigen Kunst, sehr verehrte Band, schließlich in keinster Weise gerecht, und ihr könnt letzten Endes ja gar nichts für diese unglückliche Situation.

Daher heißt es zunächst: Aufkleber auf die am Eingang abgegebene Fototasche, meinen Ausweis entgegennehmen, und hinein geht es in den bekannten Music-Club. Bereits aufgrund der Farbgebung des Interieurs in den Fluren fühle ich mich wie im Allgäuer Kaminwerk: Rot allover, dort ist es allerdings eher orange, wie mein hitzegetrübtes Erinnerungsvermögen gerade so zutage bringt. Diese Assoziation mit dem Kaminwerk zieht sich durch den Abend, gleicht doch der Konzertsaal der Batschkapp sehr frappierend dem nicht zu leugnenden großen Vorbild in Memmingen.

Die Batschkapp zog im Winter 2013 um und fasst mit 1500 Köpfen nahezu doppelt so viele Besucher wie das Kaminwerk. Dieser Umstand verwundert mich ziemlich, kommt mir der Besucherraum, verglichen mit dem des großen bayrischen Bruders, im Frankfurter Club doch sehr überschaubar vor. Außerdem nehme ich an, dass das Konzert am heutigen hitzeüberfluteten Dienstagabend nicht ausverkauft sein wird, denn die Empore wird nicht geöffnet. Schade, dann hätten sich die Leute in dieser Wärme mehr verteilen können.

Nun denn, nachdem ich den ganzen Nachmittag in, an und um klimatisierte Fastfood-Tempel herumgammelte, um wahlweise Kühlung und Schatten sowie freies Internet zu haben, suche ich nach Flüssigkeit lechzend die Bar an der Rückwand des Raumes auf, um mir ein "Meckatzer alkoholfrei" zu bestellen. Gerade noch rechtzeitig fällt mir ein, dass ich nicht in Memmingen bin und schwenke um auf Cola.

Pünktlich um 19:00 Uhr beginnt nach dem als Intro verwendeten 'Highway To Hell' von ihr wisst schon wem, THE TREATMENT aus Großbritannien - die Band hat seit Mai diesen Jahres mit "Wake Up The Neighbourhood" ihr neuestes Album am Start -, ihr Liveset. Der Beginn mit der konspirativ um das Schlagzeug herum im Kreis stehenden, einander zugewandten Band verheißt vermeintlich Großes. Die dunkel gewandeten, teils auffällig tätowierten Musiker und der kurzhaarige, jedoch stylish angezogene Schlagzeuger starten mit einem schnellen, an die vier berühmten großen Buchstaben aus "Down Under" erinnernden Song. Einzig der mit Sakko, Jesusfrise und dem, scheinbar zu einer solchen Aufmachung signaturemäßig dazugehörigen Pfadfinder-Lederhut ausgestattete Sänger, stellt meine Toleranz bezüglich schlimmer Bühnenkleidung gehörig auf die Probe. Ein paar Nummern lang versprühen die Jungs aus Cambridge tatsächlich energiegeladenes Mitt-Siebziger-Straßenrock-Flair australischer Prägung, um dann jedoch druckmäßig etwas zu stagnieren. Man verliert sich nun zunehmend in Refrainwiederholungen mit Publikumsbeteiligung. Dennoch gibt es zu jeder Zeit etwas Action und lautstarke Resonanz aus dem Publikum, so dass THE TREATMENT die Anwesenden gewiss adäquat für MR. BIG vorwärmt.

Bei meinem erneuten Gang zur Getränkeausgabe verfolgt mich der Gedanke, ob ich selbst "Highway To Hell" als Intro laufen lassen würde, wenn meine stilistisch ähnlich gelagerte Band dann in vielen Köpfen gegen die parallel auf Tour befindlichen Original-Rockdinosaurier anstinken müsste!?!

Ein Blick auf dass Publikum offenbart, dass da schon in der Hauptsache viele Silberrücken aller Geschlechter den Weg in die Kapp gefunden haben, um die fälschlicherweise häufig als One-Hit-Wonder beurteilten 90er Jahre-AOR-Hardrock-Genies aus Los Angeles ein letztes Mal live zu sehen. Ob "The BIG Finish" wirklich das große, allerletzte Ende der Band sein wird, kann ich nicht deuten. Schließlich wurde erst vor wenigen Wochen ein neues, natürlich momentan offiziell letztes Album mit dem Titel "Ten" veröffentlich, von dem heute Abend übrigens kein einziger Song dargeboten wird. Kann vielleicht doch auf einen dritten Teil der aktuellen Tour mit einer leicht aktualisierten Setliste gehofft werden? Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Ziemlich pünktlich um 20:00 Uhr ertönt dann der Intro-Song von MR. BIG, aktuell 'Blitzkrieg Bop' von den RAMONES. Nick D'Virgilio, der den verstorbenen Pat Torpey am Schlagzeug ersetzt, sitzt als erster an seinem Instrument, kurz danach stehen auch Paul Gilbert und Billy Sheehan auf der Bühne. Gleich der Anfang von 'Addicted To That Rush' vom ersten Album löst wohlige Schwindelgefühle in  meinem Innenohr aus.

Was Paul Gilbert und der von mir - als selbst zuweilen am Bass dilletierender Dilletant - für sehr toll befundene Billy Sheehan alleine als Einstieg in den ersten Song von den sechs, beziehungsyweise vier Seiten ins Publikum brodeln lassen, ist einfach bodenlos geil! Dazu gibt es vom ersten Song an Faxen galore, beispielsweise wenn Eric um Billy herumgreift und dessen Bass hinter dessen Rücken spielt, oder Billys Gitarrenanschlag mit dem Bohrer.

Eric Martin singt gut, strahlt aber auffällig nicht so dolle, wie schon von mir bei AVANTASIA-Auftritten befunden. Der flotte Konzert-Opener wurde weise gewählt und bringt die Batschkapp auf Betriebstemperatur, der Sound ist zunächst mordslaut, aber gut. Das ist auch noch während des stimmungsaufhellenden Songs 'Take Cover' vom vierten Album "Hey Man" und dem dramatischeren 'Price You Gotta Pay' von "Bump Ahead" der Fall. Ich bin vor allem von Paul Gilbert völlig begeistert, der zwar aussieht wie ein Möbelverkäufer, aber absolut mitreißende Dinge auf der Gitarre zaubert. Ich genoss MR. BIG zwar schon einmal auf dem Rock-Of-Ages-Festival, hatte dort aber nur Augen und Ohren für Billy Sheehan.

Danach kündigt Eric dann das in voller Länge zu spielende 1991er Meister-Album "Lean Into It" an. Leider wird ab diesem Zeitpunkt mit gefühlt noch mehr Lautstärke der Gesamtsound schlechter: Das Schlagzeug dominiert zusammen mit der Gitarre das Klangbild, dabei geht das obertonreiche Bass-Spiel von Billy Sheehan ziemlich unter. Dazu muss aber auch gesagt werden, dass der Sound ständig "in progress" ist, soll heißen, dass der rührige Stage-Manager ständig auf der Bühne herumsaust, Mikros richtig aufstellt, Verstärker einstellt, das Schlagzeug zurechtrückt, und so weiter. Den Rest seiner Arbeitszeit verbringt er an seinem Pult am Bühnenrand und ist dort am Machen und Tun. An seiner Umtriebigkeit liegt es mit Sicherheit, dass ungefähr ab 'Voodoo Kiss' Besserung des Sounds eintritt. Vorher verliere ich jedoch trotzdem noch ungefähr dreieinhalb Liter Speichel, denn dann habe ich bereits 'Alive And Kickin' - Jaaaaah!, 'Green-Tinted Sixties Mind' - Göttlich! und CDFF-Lucky This Time' - Super! gehört und den Boden ganz ungeniert vollgesabbert.

Das erwähnte 'Voodoo Kiss' lässt dann die Location im Groove erzittern. Etwas zur Objektivität möchte ich mich aber schon ermahnen: Speziell Eric Martin und Billy Sheehan merkt man heute ihre Routine an, die abgerufen und einfach abgespult werden kann. Ich meine, sie damals in Seebronn und auch in Videos schon enthusiastischer gesehen zu haben, was natürlich auch an der Bruthitze des heutigen Abends liegen mag. Dennoch geben die beiden uns im Publikum natürlich Zucker für die Ohren, Mannomann sind das Musiker! 'Never Say Never' bringt die Siberrücken-Meute vor der Bühne ordentlich in Wallung, die vorher etwas hüftsteif war, vermutlich aufgrund der klimatischen Verhältnisse im Raum. Die just anstehende Ballade 'Just Take My Heart' ist eine solche, die man ohne jedes Schamgefühl genießen kann, da sie auch live gespielt eine der ganz, ganz großen ihrer Art darstellt. So singt der eine oder andere Besucher den kompletten Text mit und Eric Martin freut sich sichtbar darüber, dass mittlerweile endlich richtig was los ist in der heutigen Spelunke!

Härter rockt dann wieder 'My Kinda Woman'. Seit einigen Songs hat Billy nun schon den doppelhalsigen, hellblauen Yamaha-Bass umhängen. Ob er wirklich beide Hälse benutzt, erspähe ich gar nicht. Egal, er spielt jedenfalls super! 'A Little To Loose' sticht durch den bluesigen, vierstimmigen vokalen Einstieg gehörig aus dem Rahmen und ist heute Abend ein richtiger Leckerbissen! Geiler Scheiß, echt! Ich glaube ich brauche den Paul Gilbert unbedingt als Wackelkopf-Puppe auf dem Armaturenbrett im Auto. Das nachfolgende 'Road To Ruin' rockt ziemlich gnadenlos nochmal einen Liter Schweiß aus jedem Konzertbesucher, bevor, nach viel nettem Gebauchpinsel in Form einer längeren Ansage von Billy Sheehan und Eric Martin, der das "Lean Into It"-Album abschließende Mega-Welthit von MR. BIG erschallt. Kurz, schmerzlos, gut und mit viel Publikumsgesang, versteht sich: 'To Be With You'.

Der Zugabenteil beginnt gleich wieder mit einer freundschaftlichen Ansage, in der Eric darauf hinweist, dass manche Leute irrigerweise meinen, 'Wild World' wäre von MR. BIG. Jenes wird dann frenetisch mitgesungen. Gleich danach begibt sich Paul Gilbert in die Mitte der Bühne, wird von  gelben Strahlern aufs Korn genommen und... gibt alles! Yes Baby: Das "Rocky-Theme" als Gitarrensolo! Ich kriege begeistert feuchte Äuglein, und das bei einem Instrumenten-Solo! Paul geht auf der Stelle stehend mit, grimassiert, lebt sein Gitarrenspiel, dass es die sprichwörtliche Freude ist! Wenn Eric nachfolgend den Mikro-Ständer in Richtung Billy ausstreckt, wissen Fans, was kommt: Billy bellt und der Song heißt dann 'Colorado Bulldog' vom dritten Album "Bump Ahead". Die Band prescht furios-turbo-rock'n'rollig los, und wenn er schon zeigt, was er so drauf hat, kann Billy gleich das Bass-Solo dranhängen, was er selbstredend auch tut. Diesmal klingt jenes sogar etwas ruhiger und akkordorientierter, entbehrt aber keinen Deut an erwarteter Großartigkeit, nehmen meine Lauscher wahr. Zum endgültigen Durchgaren der Anwesenden zockt MR. BIG jetzt noch vier Coverversionen am Stück:'Shy Boy' von TALAS, '30 Days In The Hole' von HUMBLE PIE, 'Good Lovin' von THE OLYMPICS, zu dem die Band munter die Instrumente durchtauscht (Billy singt, Paul trommelt, Eric spielt Bass und Nick Gitarre) und das unkaputtbare, begeisternde, umwerfend gespielte 'Baba O'Riley' von niemand geringerem als THE WHO als Rausschmeißer!

Damit geht ein großartiges, wahrscheinlich letztes Konzert von MR. BiG in Frankfurt zu Ende und der heldenhafte Abgesandte von Powermetal.de schlägt sich aus der hessischen Club-Wildnis wieder durch Regen, Gewitter und Wetterleuchten ins ferne württembergische Paradies durch. Liebe Hessen, Tipp von mir (Nein, ich werde dafür nicht bezahlt, das ist persönliche Meinung!): Geht beim nächsten Kurz- oder Urlaubstrip ins Allgäu mal zu einem Konzert ins Memminger Kaminwerk!

Setliste MR. BIG: Addicted To That Rush; Take Cover; Price You Gotta Pay; Daddy, Brother, Lover, Little Boy (The Electric Drill Song); Alive And Kickin'; Green-Tinted Sixties Mind; CDFF-Lucky This Time; Voodoo Kissm; Never Say Never; Just Take My Heart; My Kinda Woman; A Little To Loose; Road To Ruin; To Be With You; Zugaben: Wild World (CAT STEVENS-Cover); Gitarren-Solo Paul Gilbert ('Rocky-Theme'); Colorado Bulldog; Bass-Solo Billy Sheehan; Shy Boy (TALAS-Cover); 30 Days In The Hole (HUMBLE PIE-Cover); Good Lovin' (THE OLYMPICS-Cover); Baba O'Riley (THE WHO-Cover)


Redakteur:
Timo Reiser

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