MYLES KENNEDY und CARDINAL BLACK - Frankfurt am Main
22.11.2024 | 08:3719.11.2024, Zoom
ALTER BRIDGE-Goldkehlchen auf Solopfaden.
Draußen regnet es Hunde und Katzen, der Wind pfeift gnadenlos um die Häuser und die Blätter tanzen vor dem Fenster einen wilden Reigen. Kein Wetter, um wirklich noch einmal vor die Tür zu gehen. Und auch auf mich übt die Couch an diesem Dienstagabend eine durchaus große Anziehungskraft aus. Ein unbedeutendes Nations-League-Spiel im Fernsehen oder ein heißer Konzertabend? Wusiala oder MYLES KENNEDY? Letztendlich siegt mein Rockerherz, also schnell aus dem Flanell-Schlafanzug heraus und hinein in die All-Wetter-Jacke. Die bereits zurechtgelegte Thermounterwäsche würdige ich jedoch absichtlich (noch) keines Blickes. Nur die Harten kommen in den Garten.
Im Zoom in Frankfurt-Fechenheim angekommen, ist die Supportband CARDINAL BLACK bereits auf der Bühne. Der bluesig-soulige Lounge-Rock der Briten kommt an. Alles sehr entspannt, gerade richtig, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Aushängeschild ist eindeutig Sänger Tom Hollister, der mit seiner rauchig-bluesigen Stimme auch problemlos einer aktuellen Castingshow entsprungen sein könnte. Tolles Organ. Mein erster und spontaner Eindruck: etwas zu chillig für die ganz großen Bühnen, im schwitzig-kleinen Klub aber perfekt aufgehoben. Nach gut einer halben Stunde ist dann schon Schluss. Die Band sollte ich mir mal im hintersten Eck meines Großhirns abspeichern.
Setliste: Tell Me How It Feels; Jump In; Morning Light; Your Spark; Tied Up In Blue
Das Zoom, der ehemalige Cocoon-Klub, ist ordentlich gefüllt. Nicht zu voll, circa 700 Wetterbeständige, sodass alle Anwesenden locker durch die Halle spazieren können. Das gefällt dem Papa sehr. Kurz nach 21 Uhr entert der Maestro MYLES KENNEDY die für ihn eher kleine Bühne. Doch das passt, denn es entsteht eine intensive Klubatmosphäre, in der sich der sympathisch-bodenständige Rockstar nahbar und bestens aufgelegt zeigt.
Grundsätzlich spiele ich ja eher im Team Tremonti, doch vor allem das erste Soloalbum "Year Of The Tiger" hatte mich anno 2018 direkt abgeholt. Das folgende "The Ides Of March" und die aktuelle Scheibe "The Art Of Letting Go" sind ebenfalls cool, gehen für mich aber als kleine Brüder der ALTER BRIDGE-Veröffentlichungen durch. Nicht ganz so zwingend und unbedingt parallel notwendig. Andererseits ist Goldkehlchen Myles Kennedy immer sein Eintrittsgeld wert. Und auch heute Abend hat er ab dem Eröffnungsstück 'The Art Of Letting Go' und spätestens mit 'Nothing More To Gain' alle Anwesenden im Griff, zaubert ihnen ein Lächeln aufs Gesicht und schafft es, dass sich Männlein wie Weiblein mal mehr, mal weniger im Takt bewegen. Ekstase und Partystimmung sieht sicherlich anders aus, aber alle Mitklatsch- und Mitsingspielchen über den Abend verteilt funktionieren prima und ausnahmslos jeder fühlt sich für etwas mehr als neunzig Minuten fantastisch unterhalten.
Mir persönlich gefällt die Performance vor allem dann, wenn es etwas ruhiger und emotionaler wird. 'Behind The Veil', das überragende 'Love Can Only Heal' oder auch die mit fettem Southern-Rock-Touch versehenen 'Year Of The Tiger' und 'Devil On The Wall' sorgen für reichlich Gänsehaut im Auditorium. Myles packt und berührt mit seiner glasklaren Stimme – unglaublich intensiv. Nebenbei glänzt der gebürtige Bostoner auch als Gitarrist. Er bearbeitet seine Klampfe sehr amtlich und überzeugt sogar im Solobereich. Das hätte ich so nicht erwartet. Umso wichtiger, da er in einer klassischen Trio-Besetzung unterwegs ist. Mutig. Erwähnenswert wäre noch, dass sich sowohl Myles wie auch Tom von CARDINAL BLACK hartnäckigen Babywünschen erwehren müssen.Während Tom noch darauf verweist, dass er wohl nicht in ihrer Liga spielen würde, gibt sich Myles später ahnungslos, wie das praktisch überhaupt funktioniert. Das Leben von Rockstars ist schon echt schwer, sorgt aber für reichlich Lacher.
Als die Meute kurz nach der Zugabe 'Say What You Will' den Klub verlässt, hat sich das Wetter einigermaßen beruhigt. Mit einem weiteren Blick auf die Fußballergebnisse habe ich somit eine weise Entscheidung getroffen, denn im Gegensatz zu Wusiala und Kollegen haben MYLES KENNEDY und seine Mannen absolut abgeliefert. Tolles Konzert. Habe mir mein Plätzchen im Saal für das Ende Januar (31.) angekündigte Gastspiel von ALTER BRIDGE-Mitstreiter Mark Tremonti schon direkt reserviert. Wir sehen uns.
Setliste: The Art Of Letting Go; Nothing More To Gain; Devil On The Wall; A Thousand Words; Mr. Downside; Tell It Like It Is; Behind The Veil; All Ends Well; Love Can Only Heal; Wake Me When It's Over; Miss You When You're Gone; Year Of The Tiger; Get Along; In Stride; Zugabe: Say What You Will
Text: Chris Staubach
Fotocredit: Denis Hedzet/ Way Up Magazine
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