Metalfest Loreley 2014 - St Goarshausen

26.07.2014 | 19:15

19.06.2014, Amphitheater

Der Wahnsinn am Rhein geht in die dritte Runde. Das Metalfest an der Loreley öffnet erneut seine Pforten.

Der letzte Tag des Festivals ist von Katerstimmung geprägt. Die vergangenen Tage haben ihren Tribut gefordert. Überall hängen erschöpfte Besucher herum, die bereits am Vormittag die Zelte abreißen und sich schon auf die abendliche Heimreise vorbereiten. Die schnell steigenden Temperaturen tun ihr übriges und lassen die Bewegungslaune der meisten Camper gegen Null laufen.

Trotzdem lohnt es sich, sich bereits zur Mittagsstunde vor die Bühne zu stellen. Denn mit BLEEDING RED eröffnet einer der Geheimtipps des deutschen Death Metals den finalen Tag des Metalfests. Die Jungs aus Spraitbach spielen eine starke Mischung aus brutalen, thrashigen und melodischen Anteilen und erinnern mich an so wunderbar eigenständige Bands wie DISCREATION oder DISBELIEF. Die Riffs gehen gut ins Ohr und das Drumming ist deftig. Auch wenn wirklich nur wenig los ist vor der Bühne (nur langsam trudeln während des Gigs einige Leute ein), haben die Süddeutschen eine Menge Spaß daran, hier auf der Stage zu stehen. Das liegt vielleicht auch nicht zuletzt daran, dass die wenigen Besucher die Truppe gebührend abfeiern und von Songs wie 'We Are Nothing But Frequencies', 'Nameless' oder 'Calling For Your Downfall' sehr begeistert sind. Wenn eine Band eine wachsende Popularität verdient hat, dann ist es BLEEDING RED.

Auf dem Weg, an Popularität zu gewinnen, sind die BLUES PILLS bereits. Auch wenn Sängerin Elin und ihre Männer nur einen mäßig besseren Slot als die jungen Deather ergattern konnten, ist das Interesse an den Retro-Rockern vergleichsweise hoch. Die Pillen verbreiten eine Menge Hippie-Flair und wirken so, als seien sie mit einer Zeitmaschine aus den 60ern zu uns gekommen. Die Klamotten, der Sound und die Bühnenshow. Hier erinnert eine Menge an Woodstock. Sogar das steife Stage-Acting der Flower-Power-Zeit meistert die Schwedin bravourös und verhält sich die meiste Zeit über so als habe man ihre Oberarme an ihrem Torso festgenäht. Erst als sie den Schellenreif zur Hand nimmt, taut sie ein wenig auf und beginnt sich zu bewegen.

Ich muss gestehen, dass mich bis auf das gegen Ende gespielte 'Devil Man' die Lieder nicht wirklich mitreißen und man schon feststellen muss, dass die Old-School-Rock-Szene langsam übersättigt ist. Die Band macht an sich einen guten und sympathischen Eindruck, aber um gegen Referenzen wie BLOOD CEREMONY oder GRAVEYARD bestehen zu können, bedarf schon mehr als reine Nostalgie.

BRAINSTORM spielt ziemlich früh am Tag und die Power-Metaller begründen das damit, dass sie später noch das Spiel zwischen Deutschland und Ghana schauen möchten. Allerdings ist auch jedem klar, dass ein besserer Slot für die Heidenheimer Underground-Legende nicht drinnen ist. Immerhin werden auf der großen Bühne später noch Truppen wie KREATOR, STEEL PANTHER oder TANKARD spielen und dann wird es auch hier wieder voller werden. Denn auch wenn die Süddeutschen schon lange Jahre Teil der Szene sind, ist es heute Mittag nicht ganz so voll, wie es die Jungs aus Baden-Württemberg verdient hätten. Denn ihre Vorstellung ist voller Energie und besonders Sänger Andy erweist sich eins ums andere Mal als eloquenter Entertainer ist. In der Setlist tauchen neben dem Titeltrack vom neuen Album "Firesoul" auch Klassiker wie 'All Those Words' auf. Insgesamt ein guter Gig, auch wenn die überschaubare Menge an Zuschauern und die Tageszeit keine idealen Bedingungen geboten haben.
[Adrian Wagner]

Lauwarme Cerveza bei strahlendem Sonnenschein, umgeben von Weinbergen – ideale Voraussetzungen für eine bierselige Truppe wie TANKARD. Mit 'Zombie Attack' legen die vier Frankfurter Thrasher auch kräftig los. Allen voran Sänger Gerre, der wie immer wie von der Tarantel gestochen über die Bühne wuselt. 'Stay Thirsty!' unterstreicht dann auch, wonach es den Hessen gelüstet. Das Amphitheater ist zwar noch nicht ganz so gut gefüllt, aber die Anwesenden feiern und bangen dafür umso mehr. Es dauert auch nicht lang, bis Gerre das erste Mädel in knackiger Lederhose und Bikini-Oberteil aus der Menge auf die Bühne bittet. "Ich bin dann mal weg", meint der alte Lockenkopf augenzwinkernd, als er die Besucherin kurz hinter die Bühne begleitet. Zwei weitere Mädels werden noch folgen. Kein Wunder, wenn man Songs wie 'A Girl Called Cerveza' im Gepäck hat. Da mag man gar nicht glauben, dass Herr Geremia schon auf die 50 zugeht. Alkohol konserviert eben, hehe. "Dabei haben wir bis zehn Minuten vor Ende Alkoholverbot", bekundet Gerre. "Und wir werden langsam alt, deshalb gibt’s jetzt was zum Ausruhen." Stattdessen folgt natürlich die nächste Thrash-Attacke. Nach und nach begrüßt Gerre brav alle bekannten Gesichter im Publikum und bittet nochmal die drei Mädels auf die Bühne zum krönenden Abschluss. Der hört natürlich wie immer auf den Namen der Bandhymne 'Empty Tankard', die noch einmal inbrünstig mitgegrölt wird. Bis zur Autogrammstunde eine Stunde später hat Gerre sein Alkoholdefizit dann auch sichtlich ausgeglichen und schwankt etwas beim Gang zur anstehenden Aufgabe. Jungs: Alles richtig gemacht!
[Carsten Praeg]

GRAND MAGUS bekommt verdienterweise einen etwas späteren Slot, da sich die Skandinavier in den letzten Jahren durch wunderbare Alben ausgezeichnet haben und sich von einer Doom-Kapelle hin zu einem offenen Schwermetall-Trio entwickelt haben. Die drei Schweden wirken auf der großen Bühne zwar etwas verloren (vor allem weil ihre Darbietung relativ statisch ist), aber machen die fehlende Präsenz durch einen fetten Old-School-Sound wieder wett. Es finden sich auch hier überraschend viele Genießer, die die Nordmänner abfeiern. Höhepunkt des Sets ist auf jeden Fall der Titel 'Hammer Of The North'. Eine starke Hymne, die von vielen Fans am intensivsten abgefeiert wird. Viel kann man aber insgesamt nicht über GRAND MAGUS erzählen. Die Band spielt ihre Setlist souverän runter, ignoriert aber nicht völlig das Publikum und verhält sich alles in allem hochprofessionell. Ein solider Gig der Skandinavier, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Stärker sind die Jungs bestimmt, wenn man sie im Rahmen eines intimen Club-Gigs sieht.
[Adrian Wagner]

Kanadisches Todesblei-Gewitter zu strahlendem Sonnenschein – da ist Schwitzen vorprogrammiert.  Ein kurzes Intro, dann kracht auch schon der Opener des Albums "Serenity In Fire" aus den Boxen. "Test me, I'm the ambassador of pain!" grunzt Fronthühne Maurizio und alle grölen zurück. KATAKLYSM geben mächtig Vollgas und nehmen nur selten, wie etwa mit 'As I Slither' oder 'Crippled & Broken', den Fuß ein bisschen vom Gaspedal. Zumindest verglichen mit Highspeednummer wie 'In Shadows & Dust'. Auf ihren Securitystresstest (der Aufruf zum kollektiven Crowdsurfen) verzichten die vier Nordamerikaner heute aber lieber. Könnte in einem Amphitheater angesichts der Steinstufen bis zur ersten Reihe auch blutig enden. Dafür liegt der Schwerpunkt heute eindeutig auf Hyperblastmaterial statt auf eingängigeren Frickelnummern – weshalb auch ein Übersong wie 'Like Angels Weeping The Dark' leider aus der Setlist fliegt. Warum die Franko-Kanadier inzwischen allerdings auf ihre Bandhymne 'Manipulator Of Souls' verzichten, bleibt ein Rätsel. Den Refrain hätte die Meute garantiert kollektiv mitgegrölt. Sei's drum, mit einer über 20-jährigen Bandgeschichte im Rücken hat man aber wahrlich genug Songs zum Abgehen in der Hinterhand, und so wird der Auftritt zum wohl härtesten auf dem diesjährigen Metalfest. Erwartungen voll erfüllt!
[Carsten Praeg]

ENSIFERUM gehört musikalisch zu den wichtigsten Importen aus Finnland und wer sich einmal mit Pagan Metal beschäftigt, kommt an diese Truppe einfach nicht vorbei. Trotz großer Bekanntheit  und grandioser Studioarbeit habe ich das Gefühl, dsas ihre Liveperformance jedes Jahr schwächer wird. Die letzte Show habe ich vor knapp anderthalb Jahren gesehen und witzigerweise wurde die Setlist nur minimal verändert. Man startet also mit 'In My Sword We Trust' und zieht etwas herzlos das Programm herunter. Die Gitarren gehen systematisch im Soundmatsch unter und selbst bekennende Fans können die Lieder nur erraten. Kassenschlager wie 'Lai Lai Hei' oder 'Iron' kommen eher mäßig gut an und die Fanchöre hatten auch schon bessere Tage gehabt. Das Sahnehäubchen dieses Trauerspiels ist die misslungene Cleanpassage bei 'Treacherous Gods'. Wenn das Jari gehört hätte! Wie könnt ihr seine Songs bloß so in den Sand setzen?! Einziges Highlight dieser Show ist das 'Childhood's End'-Cover von IRON MAIDEN und das sitzt wenigstens. Ihre Auftritte sind eigentlich immer recht unterhaltsam, aber irgendwie scheine ich wohl einen schlechten Tag erwischt zu haben und kann nur hoffen, dass mit neuen Songs auch die Begeisterung der Musiker zurück kehrt.
[Hang Mai Le]

Den Abschluss auf der Newcomer-Bühne bildet am Samstag die Frankfurter Band DARKEST HORIZON. Die sechsköpfige Truppe bietet epischen Melodic-Death-Metal. Sänger Aurelius Lie erweist sich mit seiner Moderation als äußerst feinsinniger, fast schüchtern anmutender Geselle. Ganz im Gegensatz zu dieser  zurückhaltenden Weise steht dann seine Performance der Musik. Er legt richtig los, headbangt mit seiner langen Mähne, was das Zeug hält, und versteht es, das Publikum, das nur in den vorderen Reihen aus erklärten Fans der Band besteht, mitzureißen und sogar zu einer Wall Of Death zu animieren. Die 2010 gegründete Band hat bereits eine fünf Tracks enthaltende CD mit dem Titel "Scattered Worlds" aufgenommen. 'Evolution's End' ist einer der Songs der Scheibe, der auf dem METALFEST durch seine Punktgenauigkeit gepaart mit Eingängigkeit überzeugt. Leider müssen die Jungs von DARKEST HORIZON viel zu schnell die Bühne räumen, da das Fußball-WM-Spiel Deutschland gegen Ghana droht.  Dies wird bei mir einen deutlich geringeren Eindruck hinterlassen haben als die Frankfurter Melodic-Death-Metaller.
[Erika Becker]

STEEL PANTHER ist im Grunde der wahre Headliner des Tages. KREATOR spielt ja eh an jeder Steckdose die gleiche Show runter und BLACK LABEL SOCIETY ist eine der langweiligsten Live-Bands, die ich kenne. Also wieso spielen die glamourösen Entertainer aus Amerika bereits so früh? Vielleicht fehlt es dem Quartett noch ein wenig an Popularität, um an der Spitze des Billings zu stehen? Vielleicht will man noch genug Zeit für die eigenen Groupies haben? Wie dem auch sei, die Hair-Metaller haben innerhalb der letzten drei Jahre einen kometenhaften Aufstieg hingelegt und sich zu einem der heißesten Acts im populären Metal gemausert. Diesen Status haben sie sich sicherlich nicht zu Unrecht erspielt, denn neben authentischen 80s Hymnen mit ironischen Texten, bekommt man bei den Panthern ganz nebenbei auch eine unterhaltsame Comedyshow geboten, die einerseits etwas langwierig sein kann, wenn man eigentlich nur Musik hören will, aber andererseits durch starke Pointen überzeugen kann, die meistens auf Kosten der Bandmitglieder selbst gehen.

So witzig STEEL PANTHER auch sind, so ernst nehmen sie doch ihre eigene Arbeit. Die Songs sind nämlich richtige Ohrwürmer und erlauben es auch unbedarften Zuschauer schnell, den jeweiligen Refrain mitsingen zu können. Lieder wie 'Pussys Whipped', 'Gloryhole' oder 'Asian Hooker' gehen runter wie Butter und bewegen viele Besucher dazu, dass Amphitheater hinab zu diven. Später holen die Amis dann auch noch einige Mädels auf die Bühne und bringen gleich zwei von ihnen dazu, blank zu ziehen. Das Gejohle ist groß und die Stimmung erreicht ihren Höhepunkt als so hitverdächtige Titel wie 'Community Property' und '17 Girls In A Row' angestimmt werden. Im Überschwang bekommt der Fronter auch noch eine Kutte aus dem Publikum gereicht und spielt das übrige Set mit SABATON-Backpatch. Das Ende hat es dann auch noch mal in sich, als die Gassenhauer 'Party All Day' und 'Death To All But Metal' ausgepackt werden und nun eigentlich jeder Fanwunsch bedient sein dürfte. Eine sehr starke Show, die im Grunde alles an die Wand spielt, was am letzten Festivaltag hier aufgetreten ist. Ich bin mir sicher, dass STEEL PANTHER noch eine ganze Menge erreichen und bald als Headliner auf deutschen Festivals zu sehen sein werden.

Danach wird es voll. Allerdings nicht an der Hauptbühne, sondern an der wesentlich kleineren Zweitbühne. Hier wird nämlich das WM-Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Ghana übertragen. Nach anfänglicher Führung durch Mario Götze drehen die Afrikaner das Spiel und erst ein erlösendes Tor von Miroslav Klose sorgt für den Ausgleich und rettet der deutschen Mannschaft einen Punkt. Auf der Hauptbühne finden sich dennoch überraschend viele Fans der BLACK LABEL SOCIETY ein, um Zakk Wylde die Ehre zu erweisen. Der bärtige Ami spielt wie immer technisch sauber und beweist seine Klasse am Sechssaiter. Den Fans gefällt es, aber der Zuspruch könnte größer sein. Denn auch wenn es vorne recht voll ist, sieht man vor allem auf den hinteren Rängen viele Zuschauer, die bereits nach wenigen Liedern das Konzertareal wieder verlassen. Einerseits ist die Schwarzschild Gesellschaft wohl nicht die passendste Kapelle für dieses Festival und zum anderen ist es das WM-Spiel, das einige Besucher von der Freilichtbühne fernhält. Die Setlist legt mit Titeln wie 'My Dying Time' oder 'Heart Of Darkness' einen Schwerpunkt auf das aktuelle Album der Band, aber natürlich werden auch altbekannte Hits wie 'Concrete Jungle' oder 'Suicide Messiah' gezockt, die man auch als Otto-Normal-Metaller kennen kann. Insgesamt ein guter Gig von einer Band, die den undankbarsten Slot des Festivals abbekommen hat. Eine Konzertpause während des Fußballspiels wäre klüger und den Fans gegenüber fairer gewesen.
[Adrian Wagner]

Bis kurz vor 23 Uhr ist dann erstmal WM-Gucken angesagt. Die Meute drängt sich vor die Second Stage inklusive Leinwand, eigentlich fehlen angesichts der Menge nur noch in den Bäumen sitzende Fans, um das Bild zu vervollständigen. In Anbetracht des deutschen 2:2-Unentschiedens gegen Ghana hat sich das Ausharren im Nachhinein zwar vielleicht nicht ganz so gelohnt, dafür ist der kollektive Jubel bei Miroslav Kloses Ausgleich umso größer. Nach den letzten Bildern von Thomas Müllers Platzwunde kann es dann endlich zu KREATOR rübergehen. Die deutsche Thrash-Legende darf sich zwar über den Headliner-Status freuen, auch wenn diese Aufgabe angesichts der Fußball-Übertragung bis direkt vor Startschuss auch ihren undankbaren Seiten hat. So langsam strömt die Meute aber wieder hinüber ins Amphitheater und feuert die Essener bis in die letzte Reihe an. Das Quartett lässt sich nicht lumpen und hat wie immer einen Bühnenbild parat, bei dem es sich auf Treppen bis übers erhöhte Schlagzeug wandern lässt. Vervollständigt wird das ganze durch Abgeh-Klassiker wie 'Enemy Of God' oder 'Phobia'. Frontröhre Mille ist nicht nur auf der gesamten Bühne inklusive Laufsteg bis kurz vor die erste Reihe unterwegs, sondern lädt die Fans auch immer wieder zum Stimmung machen und mitsingen ein. Zum Abschluss schwenkt er nach langen Danksagungen natürlich auch wieder die große, schwarze 'Flag Of Hate', um den dazugehörigen Song als Rausschmeißer sogleich hinterher zu schieben. Würdiger Abschluss eines sehr gediegenen Festivals!
[Carsten Praeg]

Diese und weitere Bilder des Festivals findest Du in unserer Bildergalerie

Redakteur:
Adrian Wagner

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