Metalfest Pilsen 2024 - Pilsen
24.06.2024 | 11:3602.06.2024, Amfiteátr Lochotín
Mehr Rain als Shine in Tschechien.
Das Metalfest im tschechischen Pilsen gehört für uns seit vielen Jahren zu den Pflichtveranstaltungen. So ist es selbstverständlich, dass es meine Frau und mich auch 2024 – zum ersten Mal für POWERMETAL.de - ins 250 Kilometer entfernte Amphitheater Lochotin zieht. Wie in den Jahren zuvor geht es jedoch mit dem neu erworbenen Festivalbomber auf den etwas abseits gelegenen Campingplatz Ostende Bolevák, im etwas gesetzteren Alter weiß ich Strom und saubere Sanitäranlagen durchaus zu schätzen. Dank unserer Fahrräder ist das Festivalgelände innerhalb von wenigen Minuten zu erreichen. Die Wettervorhersage sagt wackeneskes Wetter vorher, die Entscheidung für den externen Campingplatz wird sich im Nachhinein als goldrichtig erweisen, doch dazu später mehr.
Tag 1, Freitag:
Der erste Festivaltag beginnt kurz nach Mittag sofort mit einer Änderung im Lineup. Da Sängerin Lisa erkrankt ist, kann die deutsche Modern-Metal-Band APRIL ART nicht auf dem Metalfest auftreten. Mit der Unicorn-Metal-Band ALIA TEMPORA aus Tschechien konnte zumindest farblich ein passender Ersatz gefunden werden. Sängerin Markéta Morávková setzt mit ihrem pinkfarbenen Outfit einen starken Kontrast zu dem extrem grauen und düsteren Himmel an diesem Freitag. Doch auch musikalisch wurde mit der heimischen Band ein guter Ersatz gefunden, die Band hat scheinbar eine große Fangemeinde in der Heimat und wird bei den zwölf englischsprachigen Songs gut von der Crowd abgefeiert. Manche Songs enthalten für mich persönlich etwas zu viel Elektronik, Songs wie 'Mockingjay' mit dem klaren und dem gutturalen Wechselgesang finden jedoch durchaus Gefallen in meinem Gehörgang.
Nach kurzer Umbaupause geht es mit SERENITY weiter im Amphitheater, die Österreicher um Sänger Georg Neuhauser haben mächtig Spaß an diesem frühen Nachmittag. Gitarrist Marco Pastorino, mit dem Neuhauser auch das Projekt FALLEN SANCTUARY mit Leben füllt, steht die gute Laune ins Gesicht geschrieben. Der Sänger selbst geht sehr oft auf Tuchfühlung mit den Fans, immer wieder steht Georg im Fotograben und klatscht die feiernde Masse ab. Das ist im Moment noch problemlos möglich, es ist noch trocken. Die Metalheads feiern insgesamt acht Songs an diesem Tag und selbstverständlich darf 'Lionheart' auch in Pilsen nicht finden. 50 Minuten, die für mich deutlich zu kurz waren. Da aber für heute noch weitere fünf Band auf der Running Order stehen, kann halt nicht jede Band eine volle Show spielen.
Seit Jahren bin ich fasziniert vom exakt eingehaltenen Zeitplan in Pilsen. Nach genau 20 Minuten steht mit TROLLFEST bereits die nächste Band auf der Bühne. Ich habe das Vergnügen, die norwegische Folk-Metal-Band zum ersten Mal live zu erleben. War Alia Tempora schon pink, wird es mit den Norwegern noch viel pinkiger. Es macht einfach einen Heidenspaß, der Band zuzuschauen und -hören. Songs wie 'Dance Like A Pink Flamingo' und 'Flamongous' stehen sinnbildlich für das Outfit der Band. Diese hat viele Fans in Tschechien, wie viele aufblasbare pinke Flamingos im Publikum beweisen. Mittlerweile schüttet es wie aus Eimern, was zahlreiche Crowdsurfer jedoch nicht davon abhält, sich sportlich zu betätigen. Der Bassist führt eine Polonaise durch das weite Rund des Amphitheaters an, was zusätzlich noch ein paar Stimmungspunkte bringt. Für mich wird es Zeit, mein Foto-Equipment ins Trockene und endlich mal den Flüssigkeits-Haushalt in die Waage zu bringen. Weitere Fotos findet ihr in der Galerie.
Ein Schock durchfährt meine Glieder. Das gute Gambrinus ist teurer geworden. Mit umgerechnet 3.03 Euro im Vergleich zu deutschen Festivals, ist dies jedoch noch mehr als günstig und ich weiß, in den nächsten Tagen werden davon noch einige den Besitzer wechseln. Auch in diesem Jahr beinhaltet das Festivalbändchen einen Chip, auf dem man an einer zentralen Stelle Guthaben aufladen kann. Über eine App weiß ich zu jeder Zeit, wieviel Hopfenkaltschalen ich mir noch leisten kann. Ich bin nach wie von überzeugt von dieser Methode und brauche in der ganzen Zeit keine einzige tschechische Krone.
Es geht schnell Richtung Bühnengraben. BLACK SONIC PEARLS? Noch nie was von gehört und auch die kurze Recherche auf unserer Webseite zeigt mir unglaubliche null Ergebnisse. Doch auch das weltweite Web gibt mir wenig Auskünfte über die Alternativ-Rock-Band. Eigentlich schade, denn Songs wie 'Black Butterfly' haben echt Ohrwurm-Potenzial. Das Publikum vor der Bühne ist mittlerweile wetterfest gekleidet und trotzt dem Regen. Ein paar kleine Feuersäulen erwärmen zumindest die ersten Reihen vor der Stage. Für weitere Hitze in der Menge sorgt MOTÖRHEADs Cover 'Ace Of Spades', welches richtig gut knallt. Die Band hat im Februar ihr Debütalbum "Sonixomnia" veröffentlicht und war im März auf Tour mit SLASH in Thailand. Weitere sachdienliche Hinweise bitte an die Redaktion.
ICE NINE KILLS konnte ich bereits als Support von METALLICA in München bewundern. Stand ich in der bayerischen Landeshauptstadt noch gefühlt 666 Meter entfernt von der Bühne, bin ich in Pilsen mittendrin statt nur dabei. Die US-amerikanische Metalcore-Band bietet mit "Welcome To Horrorland" eine extrem skurrile Show. Musikalisch ist das einfach nicht mein Ding, doch ich bin natürlich nicht das Maß der Dinge. Den Fans gefällt der Auftritt. Gab es nach dem METALLICA-Konzert im Nachgang Beschwerden über einige Szenen auf der Bühne, werden hier abgeschlagene Köpfe, Untote und ein Hannibal Lecter-Verschnitt frenetisch bejubelt. Mit zahlreichen Circle Pits und Crowdsurfing hält sich die Meute warm.
Es wird Zeit für ein weiteres Getränk und Essen. Auch in diesem Jahr ist das Angebot mehr als ausreichend. Wer hier nichts Passendes findet ist selbst schuld. Zwar sind die Speisen nicht ganz so günstig wie der Gerstensaft, dafür sind die Portionen üppig und machen satt. Am ersten Tag probiere ich die Reibeplätzchen, die einfach nur hervorragend sind. Ich schaue kurz bei meiner Begleitung vorbei, die es sich auf den Rängen gemütlich gemacht hat. Dank Regenkleidung und einer mehrschichtigen Picknickdecke trotzt sie dem unangenehmen Wetter. Natürlich hat das Amphitheater seinen besonderen Charme und es gibt mehr als genug Sitzmöglichkeiten im Gegensatz zu anderen Festivals. Die Wiese im oberen Teil des Theaters bietet bei guten Wetter genug Platz für zahlreiche Decken und Liegemöglichkeiten. Das ist in diesem Jahr jedoch ganz anders als noch 2023, als wir bei 30 Grad gebrutzelt haben. Bei schlechtem Wetter gibt es leider wenig Rückzugsmöglichkeiten in Pilsen. Auch ich als akkreditierter Fotograf und Redakteur muss das Beste aus der Situation machen und habe Mühe, ab und zu einen geeigneten trockenen Platz zu finden und mal die Kameras zu checken. Ich erfahre, dass wetterbedingt ein Campground nicht freigegeben wurde. Gut, dass wir auf dem Camp Bolevak stehen.
Es geht weiter mit Musik. ELUVEITIE hat den vorletzten Slot an diesem ersten Festivaltag auf dem Metalfest. Die schweizerische Folk-Metal-Band lässt hier nichts anbrennen, die Stimmung ist sehr schnell von Null auf 100. Ich konnte die Band schon so oft sehen und bin immer wieder von deren Energie begeistert. Sängerin Fabienne Erni - welche noch öfter Erwähnung in diesem Bericht findet - lässt permanent ihre Haare kreisen und sorgt für das eine oder andere tolle Motiv im Sucher. Mit Lea-Sophie Fischer wird die neue feste Violinistin der Band vorgestellt, sie ersetzt Nicole Ansperger seit 2023 bei den Auftritten und ist nun festes Bandmitglied. ELUVEITIE bietet 80 kurzweilige Minuten. Die 2022 veröffentlichte Single 'Exile of the Gods' ist die aktuellste Scheibe und ich wünsche mir mal wieder ein neues Album von dem neunköpfigen Ensemble. Bis dahin tanze ich bei dem nach wie vor sehr guten Song 'Epona' und spiele Luftgitarre bei 'Ategnatos'. Mit 'Inis Mona' verabschiedet sich ELUVEITIE unter lautem Jubel aus Pilsen.
Auch FIVE FINGER DEATH PUNCH konnte ich als Support für METALLICA aus großer Entfernung in München sehen. Hier in Pilsen geben die US-Amerikaner den Headliner am ersten Festivaltag und ich bin deutlich näher am Geschehen. Sänger Ivan Moody scheint bestens gelaunt und turnt unablässig über die Bühne. Das Venue ist brechend voll und die Fans zeigen mit ihrer Stimmung, dass FFDP zurecht den Headliner-Status hat. Permanent werden die Pommesgabeln in die Luft gereckt, der Opener 'Welcome To The Circus' passt zumindest vom Titel her ausgezeichnet in diese Spielstätte. Allerdings läuft hier weder eine "Freak Show", noch wird jemand getötet, Ivan und seine eher statisch agierenden Mitspieler bieten einfach ein tolles Konzert. Natürlich darf das Cover von 'The House Of The Rising Sun' nicht fehlen, welches aus tausenden Kehlen mitgesungen wird. Für meine Begleitung und mich wird es Zeit für die Radtour Richtung Camp. Bei strömenden Regen erreichen wir das warme Wohnmobil und schälen uns aus der klatschnassen Bekleidung. Ich stelle fest, dass meine "Regenjacke" die Bezeichnung nicht wirklich verdient hat, hier wird es Zeit für eine Neuanschaffung.
Text: Andre Schnittler mit Unterstützung von Karin Heinritz
Photo Credit: Andre Schnittker
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